Ep. 286: Das BSW-Wahlprogramm – zurück zu Ludwig Erhard!
Jan 29, 2025
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Die Analyse des Wahlprogramms des Bündnis Sahra Wagenknecht beleuchtet interessante ökonomische und migrationspolitische Aspekte. Der Ordoliberalismus und die nostalgische Sehnsucht nach Ludwig Erhard werden kritisch hinterfragt. Zudem wird diskutiert, wie soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz miteinander verknüpft werden können. Die politischen Ambivalenzen der neuen Partei rufen Herausforderungen hervor, während migrationskritische Ansätze und unzureichende Abgrenzungen von anderen Parteien thematisiert werden.
Das Wahlprogramm des BSW vereint sozialdemokratische Forderungen wie einen Mindestlohn von 15 Euro, unterscheidet sich jedoch durch eine schwächere Ansprache als die Linke.
Die Orientierung am Ordoliberalismus könnte die Glaubwürdigkeit des BSW untergraben, da historische Ideale oft nostalgisch und unrealistisch erscheinen.
Die Forderung nach einer friedlichen Außenpolitik und der Annäherung an Russland offenbart eine naive Sichtweise auf komplexe geopolitische Spannungen.
Deep dives
Wahlprogramm und Ideologie des BSW
Das Wahlprogramm des Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) verfolgt eine vergleichbare Ideologie wie die Linkspartei, unterscheidet sich jedoch in der Ansprache. Während die Linkspartei insbesondere Lohnabhängige anspricht und deren Bemühungen um höhere Löhne betont, zielt das BSW auf ein nationales 'Wir' ab und möchte für alle Bürger eine Verbesserung erreichen. Dies wird in der Präambel des Programms deutlich, in der Fragen zur sozialen Kohäsion und zur Kriminalität in Deutschland betont werden, was international weniger Relevanz hat. Der Rückgriff auf historische Ideale, wie sie im Ordoliberalismus vertreten sind, wirft jedoch die Frage auf, ob solche Nostalgie tatsächlich eine realistische Rückkehr zu besseren Zeiten darstellt oder lediglich eine Illusion ist.
Ordoliberalismus und soziale Marktwirtschaft
Ludwig Erhards Konzept der sozialen Marktwirtschaft ist ein zentraler Bezugspunkt im BSW-Programm, in dem die Bedeutung eines starken Mittelstandes und sozialer Gerechtigkeit hervorgehoben wird. Das Programm bezieht sich auf grundlegende ordnungspolitische Prinzipien, die Wettbewerb als essenziellen Bestandteil der Wirtschaft legitimieren, während zugleich auch soziale Aspekte angesprochen werden. Die Formulierung 'Gerechtigkeit statt Gier' lässt jedoch Raum für Interpretationen, wann und wie Ungleichheit gerechtfertigt werden kann. Dabei stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit dieser Ansprüche, da das BSW sich nach wie vor in einem liberalen Diskurs bewegt.
Schulden- und Steuerpolitik
Die Haltung des BSW zur Schuldenpolitik hat sich entwickelt, indem sie Investitionen in wichtige Infrastrukturprojekte von der Schuldenbremse ausnehmen möchten, anstatt diese gänzlich abzulehnen. Diese reformative Sichtweise soll gleichzeitig die Möglichkeit von Schulden als notwendiges Mittel für progressiven Investitionsbedarf aufzeigen, bleibt jedoch vage hinsichtlich konkreter Zahlen und Bedarfe. Außerdem wird die Steuerpolitik thematisiert, wobei das BSW fordert, die besten Steuersätze für Arbeits- und Kapitaleinkünfte zu harmonisieren und die Belastung durch Erbschaften zu überdenken. Diese Ansätze zeigen ein Bewusstsein für wirtschaftliche Herausforderungen, lassen jedoch an Klarheit und Detailgenauigkeit zu wünschen übrig.
Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit
Das BSW setzt sich für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro ein, was im Einklang mit den Forderungen anderer Parteien steht, jedoch wenig Innovatives bietet. Des Weiteren wird angestrebt, prekäre Arbeitsverhältnisse wie sachgrundlose Befristungen abzubauen und mehr Sicherheit im Arbeitsmarkt zu schaffen. Über die genauen Rahmenbedingungen der geplanten sozialen Sicherung ist im Programm jedoch wenig Konkretes zu finden, was den Eindruck hinterlässt, dass die Partei hier nicht den Mut zu einer deutlichen Position hat. Stattdessen bleibt eine vage Formulierung bestehen, die die zuvor kritisierte Haltung gegenüber Arbeitslosen dennoch nicht ausreichend adressiert.
Frieden und internationale Beziehungen
Die friedliche Außenpolitik ist ein weiteres zentrales Thema des BSW, das eine Annäherung an Russland und die Integration in eine europäische Friedensarchitektur fordert. Diese Position wird als Alternative zu steigenden Rüstungsausgaben und dem militärischen Aufrüstungsdrang der Bundesregierung präsentiert. Diese Haltung wird jedoch als naiv wahrgenommen, da konkrete Lösungsansätze fehlen, insbesondere in Bezug auf die geopolitischen Spannungen. Zudem wird die Notwendigkeit betont, sich von USA geführten Handelskonflikten abzugrenzen, was dem BSW eine wirtschaftspolitische Note verleiht, die in einem komplexen internationalen Kontext schwerwiegende Herausforderungen mit sich bringt.
Wohlstand für Alle
Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist angetreten, um einen echten Politikwechsel herbeizuführen. Die Namensgeberin hatte sich von der Partei die Linke abgespalten, um einen anderen Weg einzuschlagen. Einst wurde Wagenknecht populär durch ihre Kritik am Hartz-IV-Regime und der Agenda 2010, davon ist jetzt, wie ein Blick in das Wahlprogramm des BSW verrät, nur noch wenig geblieben.
Zwar tritt man durchaus für sozialdemokratische Anliegen ein, etwa möchte man den Mindestlohn bei 15 Euro sehen, oft jedoch sind die Forderungen wesentlich zaghafter als die von SPD, Grünen oder Linken. Einen eigenen Weg schlägt man nur im Hinblick auf Geopolitik und Frieden ein, während man sonst vor allem konservative bis rechte Ansichten zur Migration in die eigene Programmatik integriert.
Das vielleicht größte Problem an der neuen Partei aber ist vor allem die starke Orientierung am Ordoliberalismus, dessen Ideale man nun ins 21. Jahrhundert überführen will. Dass die sogenannte soziale Marktwirtschaft kein linkes Projekt war, wird geflissentlich ignoriert. So gleicht man mitunter mehr der FDP, als es einer linken Partei lieb sein kann, und verkennt die Klassengegensätze insofern, als man auf ein nationales Wir setzt, das eigentlich aber eine Fiktion ist.
In der neuen Folge von „Wohlstand für Alle“ analysieren Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt das Wahlprogramm des BSW.
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