Der einflussreiche Politologe Herfried Münkler spricht über Macht und Naivität, die Rolle der USA als Welthüter, Begegnungen mit Angela Merkel und Helmut Schmidt, sowie den Umgang mit Wladimir Putin. Er erklärt sein Interesse an Machiavelli, seine Gründe für einen EU-Beitritt der Türkei und teilt persönliche Einblicke in sein Leben.
Putin agiert machiavellistisch und nutzt Westschwächen aus.
Minsk-Abkommen als Kauf von Zeit für Ukraine.
Politische Landschaft im Wandel mit aggressivem Putin.
Isolation von Autokraten kann zu Problemen führen.
Mehrere Konflikte fordern den Westen heraus.
Komplexe Konfliktsituationen erfordern neue Lösungsansätze.
Deep dives
Machavellismus in der Politik Putins
Putin wird als Machiavellist betrachtet, basierend auf seiner Herkunft und Erfahrung im Geheimdienst. Sein taktisches Vorgehen und die Einschätzung der Schwächen des Westens spiegeln eine machiavellistische Sichtweise wider. Er nutzt die instabile Situation in der Ukraine und betrachtet eine funktionierende Demokratie und wirtschaftliche Prosperität als größere Gefahr für Russland als eine NATO-Mitgliedschaft des Landes.
Minsk-Abkommen: Einkauf von Zeit
Das Minsk-Abkommen wird als Einkauf von Zeit betrachtet, um der Ukraine die Möglichkeit zu geben, sich militärisch zu stärken und ihre Armee neu zu organisieren. Es wird die Rolle des Westens und die politische Klugheit hinter der Vereinbarung diskutiert, auch unter Berücksichtigung des Appeasement-Ansatzes.
Die wechselnde politische Landschaft und mögliche Lehren
Der Beobachter reflektiert über die sich ändernde politische Landschaft, von der Aufgabe des Hüter-der-Weltordnung-Status der USA bis zur Reaktion des Westens auf die Aggressionen Putins. Es wird betont, dass politische Entscheidungen oft nicht vorhersehbar sind und minimale Veränderungen zu fundamental anderen Ergebnissen führen können.
Selbstverdummung von Autokraten
Autokraten können sich in ihrer Machtblase isolieren und keine kompetenten Berater um sich haben, was zu stagnierender Entwicklung und mangelnder Lernfähigkeit führen kann. Dieses Muster hat historisch bereits zu Problemen geführt, wie etwa bei Stalin. Autokraten können in einer Art selbstverschuldete Isolation geraten, in der sie nur noch Informationen erhalten, die ihren eigenen Vorstellungen entsprechen.
Globale Konflikte
Die Welt befindet sich in einer Phase, in der multiple Kriege gleichzeitig auftreten. Besonders intensiv beschäftigen sich aktuell die Konflikte in der Ukraine, Israel und Gaza. Der Westen wird herausgefordert, da autoritäre Mächte wie Putin die Schwäche des Westens ausnutzen und eine destruktive Politik betreiben, um den Westen zu irritieren und die USA zu binden.
Transformation von Konflikten
Die Entwicklung der internationalen Konflikte hat sich verändert, weg von traditionellen staatenbasierten Kriegen hin zu komplexen Konfliktsituationen mit unterschiedlichen Akteuren. Diese neuen Konflikte zeigen, dass die Regelungen und Verhaltensmuster traditioneller Kriege nicht mehr gelten, und es bedarf einer Anpassung an die aktuellen Zeitumstände, um Konflikte effektiv zu lösen.
Podcastthemen und Politikberatung
Es wird die Bedeutung der Themen des Podcasts und die politischen Ratschläge für Olaf Scholz diskutiert. Es werden die Ambivalenzen rund um Schröder als politisches Talent und die potenziell katastrophalen Folgen der Außenpolitik thematisiert, insbesondere im Zusammenhang mit der Ukraine und Russland.
Diskussion über Atomwaffen und internationale Beziehungen
Die Analyse der Rolle von Atomwaffen in der internationalen Politik wird vertieft, indem die Eskalationsrisiken und strategischen Überlegungen behandelt werden. Es wird gezeigt, wie Putin taktisch asymmetrisch agiert und die Bedeutung von militärischen Drohungen zur Einflussnahme auf die politische Landschaft betont.
Demokratie, Autoritarismus und akademische Kontroversen
Diskussionen um Demokratie vs. Autoritarismus sowie akademische Kontroversen werden aufgegriffen. Die Bedeutung von Karl Schmidt als politiktheoretischem Autor und die Auswirkungen von Entkolonisierung und politischer Ideologisierung im Hochschulwesen werden reflektiert.
Erdogans Entwicklung und die EU: Eine verpasste Chance?
Die Möglichkeit des EU-Beitritts der Türkei wurde lange diskutiert. Durch Zurückweisungen seitens Europas fühlte sich Erdogan zu anderen Bündnissen gedrängt. Eine EU-Mitgliedschaft hätte eine global größere politische Bedeutung und eine strategische Positionierung für die EU in politischen Fragen des Nahen Ostens bedeuten können.
Veränderungen im Bildungssystem und deren Auswirkungen
Der Medienkonsum und moderne Technologien haben das Bildungssystem verändert, wodurch die Fähigkeit zur Fokussierung und analytischem Denken beeinträchtigt werden könnten. Der Trend zur Digitalisierung könnte zu einem Verlust von traditionellen Kompetenzen führen, wie dem geduldigen und vertieften Studium von komplexen Texten.
Blickwinkelwechsel und die Bedeutung der globalen Perspektive
Die Betrachtung der Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln, wie etwa aus der Sicht Chinas oder Indiens, eröffnet neue Einsichten und ermöglicht eine Erweiterung des eigenen Horizonts. Zudem wird die Notwendigkeit betont, die globale Geschichte und politische Geschehnisse aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, um eine umfassende Perspektive zu erhalten.
Er ist der derzeit wohl einflussreichste deutsche Politologe, war Berater von mehreren Bundeskanzlern und ist Autor zahlreicher Bestseller. DIE ZEIT nannte ihn einen "Ein-Mann-Thinktank", Kritiker nennen ihn einen "Extremisten der Mitte": Jetzt ist Herfried Münkler zu Gast bei "Alles gesagt?", dem unendlichen Podcast.
Im Gespräch mit den Gastgebern Christoph Amend und Jochen Wegner spricht Herfried Münkler über Macht und Naivität, über Freiheit und Wohlstand, über Demokratie und Sicherheit. Er erklärt, warum die USA ihre Rolle als Welthüter aufgegeben hat – und warum der Rückzug des Westens aus Afghanistan die wahre Zeitenwende war. Er erzählt von seinen Begegnungen mit Angela Merkel und Helmut Schmidt, von einer Frage, die ihm einmal von Jürgen Habermas gestellt wurde – und was er dem Westen im Umgang mit Wladimir Putin rät. Und er erklärt, was ihn so früh am Philosophen Niccolò Machiavelli fasziniert hat, dass er ein Buch über ihn geschrieben hat, das heute als Standardwerk gilt: "Ich habe Machiavelli gegen den Strich gebürstet."
Herfried Münkler wurde 1951 im hessischen Friedberg geboren, hat in Frankfurt studiert und von 1992 bis 2008 an der Berliner Humboldt-Universität gelehrt. Er ist Autor und Herausgeber von über 30 Büchern, darunter "Die neuen Kriege" und "Imperien". Im Podcast erklärt Herfried Münkler, warum er sich bis heute für einen EU-Beitritt der Türkei ausspricht, wieso er in seiner Freizeit am liebsten in seinem Garten "in der Erde wühlt" – und warum Machiavelli kein Machiavellist war.
Nach 4 Stunden und 40 Minuten beendet Herfried Münkler das Gespräch, denn das kann bei "Alles gesagt?" nur der Gast.
