Niko Rittenau, Bestsellerautor und Ernährungsberater mit eigener Hühnerfarm in Österreich, spricht über seinen Wandel von veganer Ernährung zu verantwortungsvollem Eierkonsum. Er erklärt, warum er die Farm gründete, um ein Leuchtturmprojekt für Tierwohl zu schaffen. Rittenau beleuchtet die ethischen Herausforderungen der Eierproduktion und die Notwendigkeit innovativer Lösungen. Zudem diskutiert er die Verantwortung der Verbraucher und die sich verändernde Definition des Veganismus im Alltag.
Niko Rittenaus Entscheidung, eine Hühnerfarm zu gründen, spiegelt seinen Glauben wider, dass tierische Produkte ethisch und nachhaltig produziert werden können.
Der Maranhof verfolgt innovative Haltungspraktiken wie mobile Ställe, die den Hühnern einen artgerechten Lebensraum bieten und ihre Lebensqualität erhöhen.
Rittenau plädiert für eine Gesellschaft, die menschliche und tierische Interessen in Einklang bringt, um ein Leben ohne tierisches Leid zu ermöglichen.
Deep dives
Evolutive Herausforderungen der Hühner
Die Spezies Huhn ist evolutionär so angelegt, dass ein Großteil der Männchen, etwa 90 %, in der Regel nicht überlebt. Diese dramatischen Sterberaten sind eine direkte Folge der wirtschaftlichen Praktiken in der Geflügelindustrie, wo die Hähne oft einfach getötet werden, da sie für die Eierproduktion nutzlos sind. Es besteht ein dringender Bedarf an Lösungen, um das Leiden der Tiere zu reduzieren und gleichzeitig den menschlichen Nahrungsbedarf zu decken. Ein Ansatz ist, artgerechte Haltungsformen zu entwickeln, die sowohl ethische als auch gesundheitliche Aspekte berücksichtigen.
Die Philosophie hinter dem Maranhof
Die Gründung des Maranhofs ist das Ergebnis der Überzeugung, dass Menschen trotz gesundheitlicher Gründe tierische Produkte konsumieren müssen, aber dies auf eine artgerechte und ethisch vertretbare Weise geschehen sollte. Der Hof dient als Leuchtturmprojekt, das zeigt, dass es möglich ist, menschliche und tierische Interessen in Einklang zu bringen. Nico Rittenau betont, dass Veränderungen in der Industrie notwendig sind, um das Tierwohl und die Nahrungsmittelversorgung zu verbessern. Der Fokus liegt darauf, den Verbrauchern transparente und verantwortungsvolle Tierhaltungspraktiken näherzubringen.
Innovative Haltungspraktiken
Der Maranhof verfolgt außergewöhnliche Haltungspraktiken, einschließlich mobiler Ställe, die den Hühnern Zugang zu frischem Gras ermöglichen und eine höhere Lebensqualität bieten. Im Gegensatz zur gängigen Tierhaltung wird hier die Besatzdichte signifikant verringert, um den Tieren mehr Raum und eine entspannende Umgebung zu bieten. Zusätzlich werden verschiedene Hühnerrassen gezüchtet, die nicht auf extreme Legeleistung gezüchtet sind, sondern ein artgerechteres Leben führen können. Dies trägt dazu bei, dass die Tiere gesünder leben und weniger anfällig für Krankheiten sind.
Verantwortung im Umgang mit Bruderhähnen
Ein entscheidender Aspekt des Projekts ist der Umgang mit den Bruderhähnen, die als Nebenprodukt der Eierproduktion entstehen. Anstatt diese Hähne wie in der konventionellen Industrie zu töten, übernimmt der Maranhof die Verantwortung und verarbeitet sie zu Fleisch, jedoch unter ethisch vertretbaren Bedingungen, die weniger Stress für die Tiere verursachen. Dies beinhaltet einen kurzen Transportweg und eine humane Schlachtung, die das Leiden der Tiere minimiert. Rittenau argumentiert, dass diese Praxis notwendig ist, um den Bedarf an hochwertigem Fleisch für bestimmte Menschen zu decken, die auf tierische Produkte angewiesen sind.
Vision für eine nachhaltige Ernährung
Nico Rittenaus Vision für die Zukunft der Ernährung beinhaltet eine tiefere Forschungsinvestition in nachhaltige und gesundheitlich unbedenkliche Nahrungsmittel. Er setzt sich dafür ein, dass die interessierten Parteien zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden, die ein Leben ohne tierisches Leid ermöglichen. Rittenau betont, dass es wichtig ist, die Menschheit auf die ethischen und praktischen Herausforderungen aufmerksam zu machen und respektvolle Dialoge zu führen. Eine mögliche Utopie wäre, wenn die Gesellschaft in der Lage wäre, im Einklang mit den Tieren zu leben, während gleichzeitig die Bedürfnisse der Menschen respektiert werden.
Wie Rittenau in Teil 1 des Interviews bereits erklärte, hat sich seine Position zu veganer Ernährung im Laufe der Zeit verändert. War er vor einiger Zeit noch Veganer, so isst der Autor von "Vegan Klischee ade!" nun selbst fast täglich Eier zum Frühstück. Andere hätten ihren Eierkonsum zur Privatsache gemacht, doch Niko Rittenau ging gleich in die Vollen und gründete seine eigene Hühnerfarm: den Maranhof in Österreich.
Doch warum einen so großen - und angesichts seiner veganen Fanbase auch provokanten - Schritt wagen? Warum ins Hühner-Business einsteigen, wenn man vor nicht all zu langer Zeit selbst noch Veganer war? Rittenau antwortet in der neuen Folge des Utopia-Podcasts: "Weil ein reelles Problem besteht, das nicht nur mich betrifft, sondern sehr viele andere Menschen auch."
Der Ernährungsexperte habe gemerkt, dass all seine Bemühungen für die bessere Anreicherung veganer Lebensmittel "einfach in der Luft verpufft" seien.
Deshalb schreitet er nun selbst zur Tat: "Mir ging es darum, ein Leuchtturmprojekt zu schaffen, das aufzeigt, wie die menschlichen und tierischen Interessen bestmöglich in die Waagschale gegeben und fair gelöst werden können."
Wer Tierhaltung zur Lebensmittelproduktion grundsätzlich ablehnt, wird Rittenaus Hühnerfarm ebenfalls kritisch sehen. Doch eines kann man nicht leugnen: Der Österreicher ergreift Tierwohlmaßnahmen weit über den Industriestandard hinaus. Das fängt schon bei der Wahl der Hühner selbst an, die sich von klassischen Legehennen unterscheiden. Mobile Ställe ermöglichen den Tieren zudem Ortswechsel, ein KI-System – genannt Chicken Watcher – nimmt regelmäßig Tierwohlkontrollen vor und Hühner, deren Legeleistung nachlässt, werden an private Halter:innen weitervermittelt, um nicht geschlachtet werden zu müssen.
Anders sieht es allerdings mit den Bruderhähnen aus, die sich nicht so einfach vermitteln lassen. Sie landen tatsächlich nach einiger Zeit unterm Messer. Wie Rittenau diese Entscheidung rechtfertigt und welche Utopie er sich in Sachen Ernährung wünscht, kannst du dir im Utopia-Podcast anhören: