Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, analysiert die aktuelle Krise der deutschen Industrie. Er sieht ernsthafte wirtschaftliche Abstiegstendenzen und diskutiert die drohende Rückkehr der Arbeitslosigkeit. Hüther betont die Verantwortung der Bundesregierung in der Abhängigkeit von russischem Gas und der ambitionierten Klimapolitik. Zudem stellt er fest, dass Deutschland trotz Innovationen stagnierende Wachstumszahlen verzeichnet. Er plädiert für eine Deregulierungskommission und warnt vor einer neuen Atomdebatte.
Die deutsche Industrie kämpft mit einem signifikanten Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere aufgrund steigender Energiekosten und geopolitischer Unsicherheiten.
Die demografische Alterung hat zur Folge, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, was die Arbeitsmarktsituation weiter verschärft.
Um die wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen, sind umfassende politische Maßnahmen erforderlich, die sowohl industriepolitische als auch klimapolitische Faktoren berücksichtigen müssen.
Deep dives
Arbeitsplatzabbau in der Automobilindustrie
Die deutsche Automobilindustrie steht vor erheblichen Herausforderungen, darunter Arbeitsplatzabbau und Werksschließungen. Unternehmen wie Volkswagen und Ford planen umfangreiche Entlassungen, was zehntausende Arbeitsplätze gefährdet. Diese Entwicklungen sind das Resultat einer tiefen Krise in der Branche, die durch gestiegene Produktionskosten und strategische Unsicherheiten verstärkt wird. Die IG Metall hat bereits Warnstreiks an neun von zehn deutschen VW-Standorten ausgerufen, was die angespannten Arbeitsbedingungen verdeutlicht.
Schrumpfende Industrieproduktion
Die Industrieproduktion in Deutschland schrumpft seit 2017 stetig, was auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen ist. Der Rückgang der Investitionen und die sinkenden Produktionszahlen in wichtigen Sektoren wie der Automobilindustrie geben Anlass zur Sorge. Zusätzlich haben geopolitische Risiken und Energiepreisschocks das wirtschaftliche Umfeld erschwert. Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im globalen Markt gefährdet ist.
Energiekosten und ihre Auswirkungen
Die steigenden Energiekosten stellen eine der Hauptursachen für die Schwierigkeiten der deutschen Industrie dar. Insbesondere die hohen Industriestrompreise im Vergleich zu anderen Ländern wie China und den USA haben die Wettbewerbsfähigkeit verringert. Diese Kosten belasten vor allem energieintensive Branchen wie Chemie, Stahl und Papier, die für die deutsche Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sind. Um eine nachhaltige Verbesserung zu erreichen, müssen die Netzinfrastrukturen erweitert und optimiert werden.
Demografische Herausforderungen
Die demografische Alterung in Deutschland hat erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Produktivität. Unternehmen kämpfen zunehmend damit, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, während gleichzeitig eine wachsende Zahl an Arbeitslosen, insbesondere in der Industrie, zu erwarten ist. Prognosen deuten darauf hin, dass die Arbeitslosenquote auf über 6% steigen könnte, was das wirtschaftliche Klima weiter belastet. Dies führt zu einem Missverhältnis zwischen Nachfrage und Angebot auf dem Arbeitsmarkt.
Notwendige Maßnahmen für die Zukunft
Um die aktuelle Krise zu bewältigen, sind gezielte politische Maßnahmen erforderlich, die sowohl industriepolitische als auch klimapolitische Aspekte berücksichtigen. Experten fordern eine Kombination aus deregulierten Strukturen, Investitionsanreizen und einer klaren Strategie für den Umbau zur Klimaneutralität. Eine schnellere Energiewende und eine effektive Infrastrukturentwicklung sind entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Der Diskurs muss zudem klar zwischen kurzfristigen Maßnahmen und langfristigen Zielen differenzieren.
Droht Deutschland der wirtschaftliche Abstieg, diesmal wirklich? Kehrt die Arbeitslosigkeit zurück? Was ist der Grund dafür, dass wir in Europa konkurrenzlos schlecht dastehen? Wie viel Schuld tragen Putin und sein Krieg – und wie viel die Bundesregierung, weil sie gleichzeitig unabhängig von Gas, Kohle und Atomkraft werden wollte und noch ehrgeizigere Klimaziele einhalten will als der Rest von Europa? Und was muss jetzt getan werden – von der nächsten Bundesregierung, wer immer die stellen mag?
Darüber sprechen wir diese Woche in "Das Politikteil" mit Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Hüther erklärt, warum Deutschland immer noch vorne liegt, wenn es um die innovative Kraft geht, aber trotzdem seit fast zehn Jahren wirtschaftlich nicht vom Fleck kommt. Der Wirtschaftsexperte sagt, warum Minischritte nicht ausreichen, um Wachstum zu erzeugen, und findet gleichzeitig, anders als FDP-Chef Christian Lindner: Weder Elon Musk noch Javier Milei können Vorbilder für Deutschland sein. Hüther warnt vor einer neuen Atomdebatte, und er empfiehlt jeder neuen Regierung, egal welcher parteipolitischen Farbe, eine Deregulierungskommission einzusetzen.
Im Podcast "Das Politikteil" sprechen wir jede Woche eine Stunde lang über das, was die Politik bewegt. Wir erklären Hintergründe und diskutieren Zusammenhänge – immer freitags mit zwei Moderatoren, einem Gast – und einem Geräusch. Im Wechsel sind als Gastgeber Ileana Grabitz und Peter Dausend oder Tina Hildebrandt und Heinrich Wefing zu hören.
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