Gesichert rechtsextrem: Soll die AfD jetzt verboten werden?
May 4, 2025
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Melanie Amann, stellvertretende Chefredakteurin von Der Spiegel, und Annika Leister, Reporterin bei t-online, diskutieren zusammen mit Ronen Steinke, Experten für Rechtsextremismus von der Süddeutschen Zeitung, sowie Thomas Vorreyer, Korrespondent der Märkischen Allgemeinen Zeitung, die aktuelle Bedrohung durch die AfD und die politische Landschaft in Deutschland. Sie beleuchten die Herausforderungen eines möglichen Verbots der Partei und die Bedeutung einer kritischen Auseinandersetzung mit den Wählern, während sie die Rolle des Verfassungsschutzes und gesellschaftliche Spannungen analysieren.
Die Einstufung der AfD als rechtsextrem durch den Verfassungsschutz könnte juristische Konsequenzen und möglicherweise ein Verbotsverfahren nach sich ziehen.
Die Wahrnehmung der AfD als notwendige Alternative von etwa 10 Millionen Wählern könnte ihre Position in der politischen Landschaft stärken.
Experten fordern eine stärkere Auseinandersetzung mit der AfD in der politischen Debatte, um klare Positionen gegenüber der Partei zu entwickeln.
Deep dives
Einstufung der AfD als rechtsextrem
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, was bereits zuvor erwartet wurde, da ähnliche Einschätzungen für einige ostdeutsche Landesverbände der Partei vorlagen. Der Zeitpunkt dieser Mitteilung ist jedoch überraschend, da sowohl das Innenministerium als auch das Bundesamt zu diesem Zeitpunkt nicht voll handlungsfähig sind. Ministerin Faeser, die nur geschäftsführend im Amt ist, hat den Schritt am Ende ihrer Amtszeit unternommen, was Fragen zur politischen Motivation aufwirft. Diese Einschätzung der AfD könnte juristische Folgen haben und möglicherweise der Beginn eines Verbotsverfahrens sein, während die Partei bereits mit rechtlichen Schritten reagiert hat.
Reaktion der Wählerschaft
Die Einstufung der AfD wird unterschiedlich interpretiert, insbesondere von ihren eigenen Wählern, die das Signal der Partei als eine Bestätigung ihrer Position deuten könnten. Experten weisen darauf hin, dass etwa 10 Millionen Menschen der AfD ihre Stimme gegeben haben, was darauf hindeutet, dass die AfD als notwendige Alternative zu anderen Parteien wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung könnte die AfD in ihrer Rolle als Opfer des politischen Systems stärken, während sie versucht, sich als die einzige wahre Oppositionspartei zu vermarkten. Diese Entwicklungen könnten die politische Landschaft und die Art und Weise, wie Wähler die Partei sehen, erheblich beeinflussen.
Signal für demokratische Institutionen
Die Entscheidung des Verfassungsschutzes wird als wichtiges Signal für alle Bürger angesehen, da sie zeigt, dass die Institutionen aktiv gegen Extremismus in der Demokratie vorgehen. Insbesondere Menschen, die unter den Angriffen der AfD und deren Vorfeldorganisationen leiden, erhalten dadurch das Gefühl, dass ihre Sicherheitsbedenken ernst genommen werden. Experten betonen die Notwendigkeit, diese institutionellen Maßnahmen zur Verteidigung der Demokratie zu unterstützen und anzuerkennen. Der Verfassungsschutz hat somit einen klaren gesetzlichen Auftrag, gegen Extremismus vorzugehen, um die demokratische Grundordnung zu sichern.
Die Debatte über ein Parteiverbot
Die Möglichkeit eines Verbotsverfahrens gegen die AfD wird erörtert, wobei der grundgesetzliche Rahmen und die hohen Hürden hervorgehoben werden. Juristische Experten äußern Bedenken hinsichtlich der Erfolgschancen eines Verbotsverfahrens, da es an eindeutigen Beweisen fehlen könnte, um die demokratiefeindliche Ausrichtung der gesamten Partei zu belegen. Diese Diskussion betrifft auch die einzelnen Landesverbände der AfD, deren Aktivitäten differenziert betrachtet werden müssen, da nicht alle gleich stark als extremistisch eingestuft werden. Einige Stimmen befürworten die Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung als alternative Maßnahme, um die Einflussmöglichkeiten der AfD einzuschränken.
Politische Auseinandersetzung mit der AfD
Die Experten fordern eine stärkere Auseinandersetzung mit der AfD innerhalb der politischen Debatte, um eine klare Positionierung gegenüber der Partei zu erreichen. Sie betonen, dass politische Mitbewerber mehr in die direkte Kommunikation mit den Wählern gehen sollten, anstatt sich hinter Verboten zu verstecken. Diese Strategie könnte helfen, die Grundlage für eine umfassendere gesellschaftliche Diskussion über die Themen zu schaffen, die Wähler zur AfD treiben. Ein gemeinsames Vorgehen der demokratischen Parteien ist notwendig, um die AfD politisch zu entzaubern und populistisch motivierten Ängsten entgegenzuwirken.
Lange war das Gutachten angekündigt, wenige Tage vor der Wahl des designierten Bundeskanzlers, Friedrich Merz, wurde die Gesamtbewertung öffentlich.
Dass der Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextrem einstuft, bewertet die Presseclub-Runde als Beleg dafür, dass die Abwehrmechanismen unserer Demokratie funktionieren und diese wehrhaft ist. Allerdings geht die Meinung darüber auseinander, ob dadurch fast schon reflexhaft ein Verbotsverfahren auf den Weg gebracht werden sollte.
Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gutachtens wird lebhaft diskutiert. Die einen meinen, dass Innenministerin Faeser sich damit noch schnell ein Denkmal als "antifaschistische Kämpferin" setzten wollte, kurz bevor sie aus dem Amt scheidet. Andere kreiden der scheidenden Innenministerin an, die Einschätzung nicht schon viel früher veröffentlicht zu haben. Einig sind sich alle darin, dass es unklug sei, das Gutachten und die genauen Begründungen unter Verschluss zu halten. Denn dadurch könnte die AfD sich wieder als Opfer stilisieren.
Was sind nun die nächsten Schritten? Darüber herrscht am Tisch wohl die größte Uneinigkeit. Es gibt die Meinung, dass nun ein Verbotsverfahren der einzige richtige Weg sei. Andere finden, dass innerhalb der Landesverbände große Unterschiede vorherrschten und ein Verbot der gesamten Partei daher nicht zu rechtfertigen sei. Der Partei die staatliche Finanzierung zu entziehen, lautet ein anderer Vorschlag – doch auch dagegen gibt es rechtliche Bedenken.
Moderator Jörg Schönenborn diskutiert mit den Gästen Melanie Amann (DER SPIEGEL), Annika Leister (t-online), Ronen Steinke (Süddeutsche Zeitung), Thomas Vorreyer (Märkische Allgemeine Zeitung).
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