Informationsfreiheit: Was muss der Staat uns sagen? (feat. Martin Thür)
Apr 4, 2021
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Martin Thür, ORF/ZiB2-Moderator und Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgerichtshof, diskutiert die Herausforderungen der Informationsfreiheit. Er erklärt, wo die Grenzen zwischen öffentlichem Interesse und privater Sicherheit liegen. Dabei beleuchtet er die Auswirkungen der Veröffentlichung privater Chats in der Politik sowie die Verantwortung der Medien im Umgang mit sensiblen Daten. Thür spricht auch über die Notwendigkeit von Transparenz im Nationalrat und die Herausforderungen bei Informationsfreiheitsanfragen – ein spannender Einblick in den Kampf um Transparenz!
Journalisten haben laut aktueller VfGH-Entscheidung ein Recht auf Informationen, um ihre Rolle als 'Public Watchdogs' in einer Demokratie auszuüben.
Der Konflikt zwischen dem Recht auf Privatsphäre von Politikern und dem öffentlichen Interesse erfordert eine sorgfältige Balance für transparente Governance.
Die langsame Informationsbeschaffung durch Behörden behindert die journalistische Arbeit und führt zu einem Mangel an politischer Transparenz.
Deep dives
Recht auf Informationen für Journalisten
Ein wichtiger Fall zur Informationsfreiheit wurde im Podcast behandelt, bei dem ein Journalist vor dem Verfassungsgerichtshof gegen die Parlamentsdirektion klagte. Das Gericht stellte fest, dass Journalisten, die als 'Public Watchdogs' agieren, ein Recht auf bestimmte Informationen haben, auch nach dem Ausscheiden von Politikern aus dem Amt. Diese Entscheidung bestätigt die wesentliche Rolle der Medien in einer Demokratie, indem sie den Zugang zu Informationen fördern, die für die Öffentlichkeit von Interesse sind. Die Diskussion über den Zugang zu diesen Informationen ist besonders relevant, da sie auch die außerdienstlichen Bezüge von ehemaligen Abgeordneten betrifft, die durch das Gesetz geregelt sind.
Öffentliches Interesse vs. Privatsphäre
Die Episode beleuchtet den Konflikt zwischen dem Recht auf Privatsphäre von Politikern und dem öffentlichen Interesse an bestimmten WhatsApp-Chats, insbesondere im Kontext von Beamtenbestellungen. Ein Beispiel aus der Diskussion war der Fall der ÖBAG, wo die Offenlegung von Kommunikationen diskutiert wurde, während einige argumentierten, dass das Recht auf Privatsphäre für alle gelten sollte. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch entschieden, dass Politiker in ihrem Amtskontext nicht die gleiche Privatsphäre genießen wie Privatpersonen. Hier wird die essentielle Frage aufgeworfen, wie die Balance zwischen dem Schutz von persönlichen Daten und der Notwendigkeit öffentlicher Transparenz gehalten werden kann.
Herausforderungen bei der Informationsbeschaffung
Ein zentraler Punkt des Podcasts war die langsame und komplexe Beschaffung von Informationen durch Journalisten, insbesondere durch widerständige Behörden. Beispielsweise wurde die lange Dauer eines Antrags auf Gehaltsüberprüfung während einer Amtszeit angesprochen, die als unangemessen empfunden wurde. Es wurde auch erörtert, dass viele Behörden oft den gleichen Vorwand nutzen, um Informationen nicht herauszugeben, etwa aufgrund eines vermeintlich hohen Verwaltungsaufwands. Diese Ausreden hindern oft Journalisten daran, ihre Watchdog-Rolle ordnungsgemäß auszuführen, was letztlich zu weniger Transparenz in der Politik führt.
Rolle der Medien in der Informationsgesellschaft
Im Podcast wurde die Verantwortung der Medienbetreiber bei der Verbreitung von Informationen diskutiert, insbesondere bei heiklen Themen wie Gehaltszahlungen von Abgeordneten. Es wurde betont, dass Medien nicht nur Berichte erstatten, sondern auch darauf achten sollten, welche Aspekte tatsächlich relevant für die öffentliche Debatte sind. Die Episode verweist auf den Unterschied zwischen den Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die unter die Lupe genommen werden und jenen, die weniger öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Diese Differenzierung in der Berichterstattung ist entscheidend, um eine ausgewogene und faire Informationsverbreitung zu gewährleisten.
Zukunft der Transparenz in Österreich
Der Podcast schließt mit Überlegungen zur zukünftigen Transparenz in Österreich und der Verwaltung. Es wurde angesprochen, dass die aktuellen Gesetze und ihre Anwendung auf dem Prüfstand stehen und Verbesserungen in der Berichterstattung und Informationsfreiheit nötig sind. Auch die Möglichkeit, dass durch einen Anstieg an Anfragen eine hyperinflationäre Anfragekultur entstehen könnte, wurde thematisiert. Letztlich wird die Hoffnung geäußert, dass eine heranwachsende Kultur der Transparenz auch in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird.
Wie viel dürfen, ja müssen Bürger und Journalisten vom Staat erfahren? Wo hört das öffentliche Interesse auf, wo fängt die Privatsphäre an? Darüber haben wir anhand einer aktuellen VFGH-Entscheidung mit dem ORF/ZiB2-Moderator Martin Thür (er war der Beschwerdeführer) gesprochen.