Wolfgang Fritz Haug, ehemaliger Professor für Philosophie an der FU Berlin und Experte für Bertolt Brecht, taucht tief in die Philosophie des Dichters ein. Er diskutiert Brechts unvollendetes Werk 'Das Buch der Wendungen' und beleuchtet die Dialektik als Methode zur Gesellschaftsanalyse. Haug erklärt, wie Solidarität über Mitleid hinausgeht und hebt die praktische Philosophie hervor. Zudem wird die Rolle des Individuums in einer klassenlosen Gesellschaft sowie die Kunst, Gefühl und Vernunft im Theater zu verbinden, intensiv erörtert.
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Denken als eingreifende Praxis
Brecht sieht Denken als Praxis, die dem Handeln vorausgeht und durch Dialektik geprägt ist.
Sein Buch der Wendungen baut eine Verbindung zwischen Ethik, Gesellschaftsanalyse und eingreifendem Denken auf.
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Verhaltenslehre statt Moralphilosophie
Brecht will eine Verhaltenslehre für den Marxismus entwickeln, nicht nur allgemeine moralische Normen.
Egoismus soll durch eine geordnete Gesellschaft nützlich für Allgemeinheit werden, nicht bekämpft.
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Offene Dialektik erfordert Eingreifen
Dialektik ist für Brecht ein gesellschaftlicher Prozess des Denkens und Veränderns.
Die Entwicklung ist offen, verlangt aktives Eingreifen und lässt sich nicht als einfache, teleologische Knospe-Rose-Entwicklung verstehen.
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Bertolt Brechts ,Buch der Wendung‘ ist eine unvollendete Sammlung von Fragmenten, die posthum veröffentlicht wurde. Brecht reflektiert darin seine dialektische Methode, die er als ,große Methode‘ bezeichnet, zur Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse. Er greift auf fernöstliche Anekdoten zurück und versucht, die Kämpfe und Niederlagen des Sozialismus produktiv für eine Erneuerung der ,großen Ordnung‘ zu machen. Das Buch stellt den Versuch dar, eine Verhaltenslehre für den Marxismus zu entwickeln, die Fragen nach Denken und Handeln für eine freie Gesellschaft aufwirft. Es hinterfragt die Tugenden, die in einer gerechten und freien Gesellschaft gelebt werden sollten.
Philosophieren mit Brecht und Gramsci
Wolfgang Fritz Haug
»Ich halte nichts von Mitleid, das sich nur in Hilfsbereitschaft und nicht auch in Zorn verwandelt.« Schreibt Brecht in seinem unvollendeten Buch der Wendungen, das posthum 1965 erschien. Brecht reflektiert dabei unter Rückgriff auf fernöstliche Anekdoten seine philosophische Methode der Dialektik. Diese «große Methode» dient ihm zur Analyse der Gesellschaft. Die Klassiker des Marxismus tauchen nur wenig chiffriert auf und Brecht versucht die Kämpfe und Niederlagen des Sozialismus zum Ausgangspunkt einer dialektischen Erneuerung der «großen Ordnung» produktiv zu machen.
«Denken wird definiert, als etwas, das dem Handeln vorausgeht», schreibt der ehemalige Professor für Philosophie Wolfgang Fritz Haug zur Grundlage des Herangehens von Brecht. Das Buch ist der Versuch, für den Marxismus eine Verhaltenslehre zu entwickeln. Wie sollen Menschen denken und sich verhalten, um zu einer freien Gesellschaft zu gelangen? Welche Art von Tugenden sollen sie dann leben, wenn alles leicht, gerecht, frei zugeht?
Zu Gast bei Alex Demirović ist in dieser Folge Wolfgang Fritz Haug. Der 1936 geborene Haug war bis 2001 Professor für Philosophie an der FU Berlin. Neben zahlreichen Klassikern der marxistischen Debatte der letzten Jahrzehnte und der Herausgeberschaft von «Das Argument» lieferte er auch viele Beiträge zur philosophischen Bedeutung von Bertolt Brecht, z.B. «Philosophieren mit Brecht und Gramsci».