
Alles gesagt?
Doris Dörrie, wie erzählen wir die Geschichte unseres Lebens?
Episode guests
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Quick takeaways
- Doris Dörrie betont die Bedeutung des Schreibens als kreativen Ausdruck, der ihr die Freiheit gibt, authentische Geschichten zu erzählen.
- Der Filmemachprozess wird durch externe Faktoren und strukturelle Hindernisse geprägt, die kreative Entscheidungen oft einschränken können.
- Diskussionen über Gender und Repräsentation unterstreichen die Notwendigkeit, Frauen im Film eine stärkere Stimme zu geben und Quoten einzuführen.
- Dörrie erklärt, wie persönliche Erfahrungen, insbesondere Trauer, ihre Kunst beeinflussen und tiefere menschliche Verbindungen schaffen können.
- Der Einfluss von Reisen auf die persönliche Entwicklung wird hervorgehoben, wobei neue Perspektiven die kreative Arbeit bereichern können.
- Die transformative Kraft der Kunst wird als Schlüssel erkannt, um gesellschaftliche Probleme sichtbar zu machen und Wandel zu initiieren.
Deep dives
Die Bedeutung des Schreibens
Das Schreiben dient als wesentlicher Anker im Leben der Filmemacherin und Autorin, da es ihr die Möglichkeit gibt, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Sie betont, dass die Freiheit des Schreibens im Gegensatz zur finanziellen Einschränkung des Drehbuchschreibens steht, wo jede Zeile Geld kostet. Diese kreative Freiheit ermöglicht es ihr, authentische und unverfälschte Geschichten zu entwickeln, die oft autobiografische Elemente enthalten. Das Schreiben eröffnet einen Raum, in dem sie ihre eigene Identität und die ihrer Charaktere erforschen kann.
Die Herausforderung des Filmemachens
Der Prozess des Filmemachens wird als kompliziert und oft frustrierend beschrieben, da viele externe Faktoren das Ergebnis beeinflussen können. Es wird betont, dass viele kreative Entscheidungen von Produzenten oder Geschäftsführern getroffen werden, die möglicherweise nicht die gleiche visuelle oder emotionale Verbindung zur Geschichte haben. Diese strukturellen Hindernisse und logistischen Herausforderungen können das kreative Potenzial stark einschränken. Ein kleineres Team und digitale Techniken könnten jedoch mehr Freiheit und Flexibilität für kreative Entscheidungen bieten.
Audre Lorde und die Politik der Repräsentation
Die Diskussion über Gender und die männliche Dominanz wird durch Bezugnahmen auf feministische Denkerinnen wie Audre Lorde ergänzt. Die Filmemacherin reflektiert darüber, wie wichtig es ist, Frauen in der Filmbranche eine Stimme zu geben und wie oft ihre Geschichten ignoriert werden. Der Mangel an Repräsentation von Frauen in verschiedenen Medien führt zu einer verzerrten Sicht auf die Realität. Sie betont weiterhin, dass es notwendig ist, eine Quote einzuführen, um Gleichheit und Sichtbarkeit für Frauen im Film zu gewährleisten.
Die Beziehung zwischen Kunst und Leben
Es wird ein tiefes Interesse an der Verbindung zwischen persönlichem Erleben und künstlerischem Schaffen formuliert. Die Filmemacherin diskutiert, wie ihre Erfahrungen, insbesondere Trauer und Verlust, in ihren Werken reflektiert werden. Dadurch wird Kunst zu einem Medium, um mit Schmerzen und Herausforderungen umzugehen und einen Dialog über menschliche Erfahrungen zu eröffnen. Diese Verbindung zwischen Leben und Kunst ermöglicht es, authentische Geschichten zu erzählen, die andere Menschen berühren können.
Erinnerung und Identität
Der Prozess des Schreibens wird als Gedächtnisarbeit angesehen, bei der man sich an persönliche Erfahrungen erinnert und diese transformiert, um sie für andere erlebbar zu machen. Die Filmemacherin reflektiert, wie ihre Identität sich durch Erinnerungen und Geschichten formt und wie wichtig es ist, diese Geschichten zu erzählen. Diese Geschichten sind nicht nur individuell, sondern auch universell, da viele Menschen ähnliche Erlebnisse haben. Das Verweben von Erinnerung und Identität schafft einen starken emotionalen Einfluss in ihrem künstlerischen Schaffen.
Politik und Erwartungsdruck
In einer Erörterung über politischen Druck und Entscheidungsfindung wird die Frage aufgeworfen, wie sich gesellschaftliche Erwartungen auf kreative Prozesse auswirken. Die Filmemacherin diskutiert die Herausforderungen, die mit dem öffentlichen Leben und dem kreativen Schaffen verbunden sind, insbesondere wenn man unter dem Druck steht, bestimmte Erwartungen der Gesellschaft zu erfüllen. Es wird deutlich, dass der Druck, sich konstant zu positionieren oder eine bestimmte Narrative zu bedienen, künstlerische Freiheit einschränkt. In diesem Kontext wird auch der Verlust von Authentizität in der künstlerischen Arbeit angesprochen.
Die Psychologie des Reisens
Die Erlebnisse beim Reisen werden als entscheidend für die persönliche und kreative Entwicklung angesehen. Die Filmemacherin reflektiert über ihre Zeit in Japan und wie die Begegnungen und Erfahrungen dort ihren Blick auf die Welt verändert haben. Besonders die Auseinandersetzung mit einer fremden Kultur hat sie gelehrt, ihre eigene Identität und Wahrnehmung zu hinterfragen. Reisen ermöglicht es, die eigene Komfortzone zu verlassen und neue Perspektiven zu entdecken, die wiederum die künstlerische Arbeit bereichern.
Feminismus und Generationskonflikte
Die Diskussion über Feminismus wird durch die dynamischen Beziehungen zwischen verschiedenen Generationen von Frauen beleuchtet. Die Filmemacherin bringt hervor, dass jüngere Frauen oft mit den feministischen Kämpfen der älteren Generationen konfrontiert sind und dass es wichtig ist, die Errungenschaften und Herausforderungen beider Seiten zu erkennen. Es wird eine Kluft zwischen den Erwartungen der älteren und der jüngeren Generationen sichtbar, die oft zu Missverständnissen und Konflikten führt. In diesem Kontext wird die Bedeutung der Solidarität und des Dialogs zwischen den Generationen betont.
Die Komplexität von Beziehungen
In der Erörterung von zwischenmenschlichen Beziehungen wird die Mehrdimensionalität und Komplexität von Liebe, Verlust und Trauer hervorgehoben. Die Filmemacherin diskutiert, wie Beziehungen durch verschiedene Phasen und Herausforderungen geprägt sind. Ein zentrales Thema ist, wie Verlust und Trauer Verbindungen vertiefen oder verändern können. In diesem Lichte wird die Notwendigkeit von Kommunikation und Verständnis in Beziehungen betont, um die heilende Kraft der Verbindung zwischen Menschen zu fördern.
Kulturelle Identität und Globalisierung
Die Auswirkungen der Globalisierung auf kulturelle Praktiken und Identitäten werden angesprochen, insbesondere in Bezug auf Essen und Traditionen. Die Filmemacherin reflektiert darüber, wie kulinarische Traditionen durch kulturelle Aneignung und Marktveränderungen beeinflusst werden können. Es gibt auch eine Auseinandersetzung damit, wie man das authentische Erbe bewahrt, während man sich gleichzeitig modernen Einflüssen öffnet. Diese Spannung zwischen Tradition und Modernität wird als zentrales Thema in ihrem Schaffen und Denken betrachtet.
Schreiben als Therapeutikum
Abschließend wird die therapeutische Rolle des Schreibens hervorgehoben und wie es als Werkzeug dienen kann, um persönliche Herausforderungen und Emotionen zu verarbeiten. Die Filmemacherin nennt das Schreiben als eine Art von Selbstbehandlung, die Menschen hilft, ihre innere Welt zu reflektieren. Dieses Verständnis, dass Schreiben eine heilsame Wirkung haben kann, ermutigt andere dazu, es ebenfalls als Werkzeug für die Selbstentdeckung zu nutzen. Diese Perspektive bereichert ihr künstlerisches Schaffen und weckt das Interesse an der Kunst des Schreibens.
Kino und Gesellschaft
Die Rolle des Kinos in der Gesellschaft wird als zentral für die kulturelle Identität und die Betrachtung gesellschaftlicher Themen angesehen. Die Filmemacherin diskutiert, wie Filme als Plattform dienen, um gesellschaftliche Probleme und Fragen sichtbar zu machen. Es wird betont, dass Kino nicht nur Unterhaltung ist, sondern auch eine wichtige kulturelle Aussage hat. Filme können die öffentliche Meinung prägen und Diskussionen anstoßen, die über das Kino hinaus wirken.
Der Einfluss von Technologie
Der Einfluss moderner Technologie auf das Filmemachen und die Geschichten, die erzählt werden können, wird als bedeutend erachtet. Die Filmemacherin reflektiert über die Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt, um Geschichten zu erzählen und damit auch Barrieren zu überwinden. Technologie ermöglicht es, Geschichten auf neue und innovative Weise zu präsentieren, die den Zuschauern eine andere Art der Erfahrung bieten. Gleichzeitig birgt sie auch die Gefahr der Entfremdung und der Überflutung mit Informationen.
Kreativität und Experimentierfreude
Die Wichtigkeit von Kreativität und Experimentierfreude im Schaffensprozess wird hervorgehoben, unabhängig vom Medium. Die filminvierte Frau betont, dass es unerlässlich ist, Risiken einzugehen und kreative Grenzen zu überschreiten. Dieses Streben nach Experimentierfreudigkeit führt zu neuen Formen des Geschichtenerzählens und der Kunst. Der Mut zur Kreativität ist entscheidend, um den eigenen Stil und die eigene Stimme zu finden.
Generationswechsel in der Filmindustrie
Der Generationswechsel in der Filmindustrie wird als Möglichkeit gesehen, frische Perspektiven in Geschichten und Erzählformen einzubringen. Die Filmemacherin ist überzeugt, dass jüngere FilmemacherInnen neue Themen und Ansätze erforschen, die für die heutige Gesellschaft relevant sind. Diese Verschiebung wird als Schritt in die richtige Richtung gesehen, um innovative und vielfältige Geschichten zu erzählen. Der Austausch zwischen den Generationen ist entscheidend, um den Dialog über vergangene und zukünftige Filmerlebnisse zu fördern.
Kunst als Katalysator für Veränderung
Die transformative Kraft der Kunst wird als zentrale Grundlage für sozialen und kulturellen Wandel erkannt. Die Filmemacherin glaubt an das Potenzial von Kunst, um Diskussionen anzustoßen und gesellschaftliche Probleme sichtbar zu machen. Diese Kraft der Kunst ist entscheidend, um Perspektiven zu öffnen und auf Missstände aufmerksam zu machen. Kunst kann als Katalysator für Veränderung fungieren und Menschen dazu inspirieren, aktiv zu werden.
Die Filmemacherin, Regisseurin und Autorin Doris Dörrie war bei Alles gesagt? International bekannt wurde sie bereits im Alter von 30 Jahren durch ihren Film "Männer". In den USA drehte sie in den 90er Jahren die Männerkomödie "Ich und Er", in Deutschland etwa "Geld", "Happy Birthday, Türke" und "Keiner liebt mich". 2007 kam Dörries hochgelobter Spielfilm "Kirschblüten - Hanami" ins Kino – über einen Mann, der sich nach dem Tod seiner Frau deren Träumen öffnet, dargestellt von Elmar Wepper.
Doris Dörrie wurde 1955 in Hannover geboren und wuchs mit drei Schwestern in einem liberalen Elternhaus auf. Nach dem Abitur ging sie in die USA, um Schauspielerin zu werden. Nach ihrer Rückkehr studierte sie bis 1978 an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. 1981 machte Dörrie mit der Liebesgeschichte "Dazwischen" ihren ersten großen Fernsehfilm, 1983 folgte ihr erster Kinofilm "Mitten ins Herz", der bei den Filmfestspielen in Venedig lief. 1985 gelang ihr bereits mit ihrem dritten Spielfilm, der Beziehungskomödie "Männer", der internationale Durchbruch. Nach ihrem Erfolg wurde Doris Dörrie lange als die "Männer-Frau" definiert, als die sie auf einem "Spiegel"-Titel gefeiert wurde.
Neben ihrer Karriere als Filmemacherin, Regisseurin und Professorin an der Hochschule für Fernsehen und Film hat sich Dörrie als erfolgreiche Autorin etabliert. 1987 erschien ihr erstes Buch "Liebe, Schmerz und das ganze verdammte Zeug", es folgten verschiedene Erzählbände. Ihre ersten veröffentlichten Kurzgeschichten waren ursprünglich Skizzen für Filme, später inszenierte sie einige ihrer literarischen Arbeiten filmisch.
2000 erschien Dörries erster Roman "Was machen wir jetzt?", 2002 folgte "Das blaue Kleid", in dem sie den überraschenden Tod ihres ersten Mannes bei den Dreharbeiten zu "Bin ich schön?" verarbeitet. Als Opernregisseurin tut sich Dörrie seit 2001 hervor, als ihre "umjubelte, knallbunte" Inszenierung von "Cosí fan tutte" an der Berliner Staatsoper uraufgeführt wurde. Es folgten Inszenierungen von Puccinis "Turandot", "Madame Butterfly" und Mozarts "Don Giovanni". 2005 wurde die Premiere ihrer Inszenierung von Verdis "Rigoletto" an der Bayerischen Staatsoper von Buhrufen begleitet.
Zuletzt erschienen von Dörrie mehrere Bücher: "Die Welt auf dem Teller. Inspirationen aus der Küche", außerdem der Reisebericht "Die Heldin reist" und "Die Reisgöttin: und andere Mitbringsel", wo ihre für die ZEIT verfassten Kolumnen versammelt sind.
Nach 5 Stunden und 57 Minuten beendet Doris Dörrie das Gespräch, denn das kann bei Alles gesagt? nur die Gästin.
Produktion: Pool Artists
Redaktion: Hannah Schraven, Vincent Mank, Sophie Hübner, Sophia Hubel
Gästemanagement: Anna Vahldick
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