Ruth Wodak, Sprachwissenschaftlerin und Expertin für rechtspopulistische Diskurse, und Alfred Noll, Jurist und Nationalratsabgeordneter, diskutieren den Einfluss rechtspopulistischer Strategien auf die Politik. Sie analysieren den Aufstieg der FPÖ und die Normalisierung von Schamlosigkeit im Diskurs, angefangen bei Jörg Haider bis zur Finanzkrise 2008. Die beiden Gäste beleuchten die Auswirkungen globaler Krisen auf Österreich, die Kommerzialisierung der Gesellschaft und die Herausforderungen für die parlamentarische Demokratie, während sie auch die Rolle der Medien kritisch hinterfragen.
Die Finanzkrise 2008 schuf ein Klima des Misstrauens gegenüber Institutionen und förderte das Wachstum rechtspopulistischer Bewegungen in Österreich.
Die Normalisierung von schamlosen Äußerungen und der Einfluss von Medien beeinflussen zunehmend die politische Kultur und das Diskursniveau in der Gesellschaft.
Deep dives
Der Einfluss der Finanzkrise auf die politische Landschaft
Die Finanzkrise von 2008 führte zu einer signifikanten politischen Neuorientierung in Österreich und Europa. Anstatt die Verantwortung für die wirtschaftlichen Folgen zu übernehmen, wurden die Kosten auf die breite Bevölkerung abgewälzt, was zunehmende Unsicherheiten und Misstrauen gegenüber den etablierten Institutionen schuf. Diese Entwicklungen begünstigten das Aufkommen rechtspopulistischer Bewegungen, die kapitalisierten auf der Angst vor einem sozialen und wirtschaftlichen Abstieg. Dadurch entstand ein Boden für die politische Agenda der FPÖ und ähnlicher Parteien, die eine klare Narativ gegen Migranten und Eliten formulierten.
Die Normalisierung rechtspopulistischer Diskurse
In den letzten Jahren hat sich eine bemerkenswerte Normalisierung rechtspopulistischer Diskurse vollzogen, die in der Gesellschaft immer mehr akzeptiert werden. Es wird zunehmend gesehen, dass Äußerungen, die früher als inakzeptabel galten, heute einfach hingenommen werden, was das politische Klima erheblich verändert hat. Dies geschieht in einer Atmosphäre, in der politische Akteure oft ohne Konsequenzen lügen können, was zu einer Erosion des Diskurses und der politischen Kultur führt. Diese schamlose Kommunikation wird von vielen als mutig anerkannt, da sie an die Gefühle derjenigen appelliert, die sich nicht ausreichend gehört fühlen.
Monetarisierung, Kommerzialisierung und Prekarisierung der Gesellschaft
Die fortschreitende Monetarisierung und Kommerzialisierung aller Lebensbereiche hat die sozialen Werte in der Gesellschaft stark beeinflusst. Es zählt zunehmend nur noch, was finanziell messbar ist, wodurch andere wichtige gesellschaftliche Aspekte in den Hintergrund gedrängt werden. Diese Entwicklung führt zu einer Prekarisierung des Lebens, was bedeutet, dass die Sicherheit von Arbeitsplätzen und sozialen Rechten zunehmend abzunehmen scheint. Diese gesellschaftlichen Veränderungen sind eng mit der Angst vor Verlusten verknüpft, die bei vielen Menschen ausgeprägt ist, und treiben die Unterstützung für populistische Bewegungen weiter voran.
Medien und der Einfluss auf die politische Kommunikation
Die Rolle der Medien in der politischen Kommunikation ist entscheidend, da sie oft nicht die richtige Balance zwischen Berichterstattung und kritischer Hinterfragung finden. Der öffentliche Rundfunk in Österreich hat Schwierigkeiten, unabhängig zu agieren und wird häufig als Sprachrohr der Regierung wahrgenommen. Dies führt dazu, dass journalistische Standards sinken und eine einseitige Berichterstattung eher zur Norm wird. Der Mangel an qualitativ hochwertigen, unabhängig produzierten Inhalten trägt zur Polarisierung und Fragmentierung der politischen Landschaft bei, da unterschiedliche Perspektiven nicht adäquat vertreten werden.
Wie lässt sich die gesellschaftliche Entwicklung in unserem Land definieren, analysieren und in den Griff bekommen? Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak und der Jurist und Liste Jetzt-Nationalratsabgeordnete Alfred Noll gehen bis zur Zeit des Aufstiegs von Jörg Haider zurück, beschreiben den Bruch, den die Finanzkrise 2008 gebracht haben und suchen einen Ausweg aus der "Normalisierung der Schamlosigkeit".
Diese Episode ist ein Mitschnitt der Veranstaltung "Debattenschmiede", die im Februar im Wiener Schauspielhaus stattfand.