In dieser Folge sprechen Karl-Heinz Dellwo, ehemaliger RAF-Terrorist und Dokumentarfilmer, sowie Journalist Günther Wessel über Salvador Allende und die Unidad Popular. Sie beleuchten Allendes Aufstieg, seine Ideen zur sozialen Gerechtigkeit und die Herausforderungen, mit denen die Unidad Popular konfrontiert war. Diethard Küster, der während der Pinochet-Diktatur inhaftiert wurde, berichtet eindringlich von seinen Erlebnissen im Gefängnis und dem Trauma, das das Regime hinterlassen hat. Die Diskussion eröffnet einen bewegenden Einblick in Chiles turbulente Geschichte.
Die Gründung der Unidad Popular 1969 in Chile war eine Reaktion auf wirtschaftliche und soziale Krisen, die tiefgreifende Reformen anstrebten.
Salvador Allendes Wahl zum Präsidenten 1970 stellte einen historischen Moment dar, der demokratische Ansätze zum Sozialismus verkörperte und Hoffnung auf Veränderungen weckte.
Der Militärputsch von 1973 führte zum Ende von Allendes Präsidentschaft und setzte eine lange Diktatur unter Pinochet in Gang, die das Erbe Chiles prägt.
Deep dives
Die Gründung der Unidad Popular
Die Unidad Popular wurde 1969 in Chile gegründet und stellte ein Parteienbündnis dar, das aus verschiedenen linken Gruppierungen bestand. Diese Gründung war eine Reaktion auf die tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Krise des Landes, die durch große Ungleichheiten und Armut geprägt war. In ihrem ersten Programm präsentierte die Unidad Popular einen Plan mit 40 Schritten, um ein gerechteres Chile zu schaffen, einschließlich der Bereitstellung von Milch für alle Kinder und Maßnahmen zur Ehrlichkeit in der Verwaltung. Dies zeigte den klaren Wunsch nach sozialer Veränderung und formte die politische Landschaft in Chile maßgeblich, wodurch die Einheit der Linken gestärkt wurde, um zukunftsorientierte Reformen durchzuführen.
Salvador Allendes Weg zur Präsidentschaft
Salvador Allende, der als ein zentraler Führer der Unidad Popular galt, trat in verschiedenen politischen Wahlen an, bevor er schließlich 1970 Präsident wurde. Sein Erfolg war vor allem auf die Bündelung linker Stimmen und die Unterstützung von Parteien wie den Christdemokraten zurückzuführen. Allende profitierte auch von finanzieller Unterstützung aus dem Ausland, was die politische Durchschlagskraft seiner Kampagne verstärkte. Diese Wahl markierte einen bedeutenden Punkt in der chilenischen Geschichte, da sie einen demokratischen Weg zum Sozialismus verkörperte und die Hoffnung auf tiefgreifende soziale Veränderungen weckte.
Die Herausforderungen der Unidad Popular in der Regierung
Unter Allendes Präsidentschaft sah sich die Unidad Popular großen Herausforderungen gegenüber, während sie versuchte, ihre sozialistischen Reformen umzusetzen. Dazu gehörten die Nationalisierung der Kupferindustrie und soziale Programme zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Chile, wie die kostenfreie Bereitstellung von Milch. Diese Reformen stießen jedoch auf Widerstand von verschiedenen politischen Akteuren, sowohl von der extremen Rechten als auch aus den eigenen Reihen. Dies führte zu wirtschaftlichen Problemen und einer gespaltenen Gesellschaft, die schließlich die Regierung an den Rand des Abgrunds teilte.
Der Militärputsch von 1973
Der Militärputsch am 11. September 1973 stellte das gewaltsame Ende von Allendes Präsidentschaft dar und wurde von General Augusto Pinochet angeführt. Die politische und wirtschaftliche Instabilität lieferte den Hintergrund für den Putsch, der von den USA unterstützt wurde, da sie einen sozialistischen Staat in der unmittelbaren Nachbarschaft befürchteten. Allende wurde gezwungen, Selbstmord zu begehen, was den Übergang zu einer Diktatur einleitete, die über 17 Jahre dauerte. Dieser Putsch hatte verheerende Folgen für die chilenische Gesellschaft und hinterließ tiefgreifende emotionale und soziale Narben, die bis in die Gegenwart reichen.
Das Erbe von Pinochet und Allende
Das Erbe der Pinochet-Diktatur bleibt komplex und gespalten, da Anhänger und Gegner unterschiedliche Erinnerungen und Perspektiven vertreten. Während eine Minderheit Allende und seine Vision von sozialer Gerechtigkeit hochhält, gibt es eine breite Schicht der chilenischen Bevölkerung, die die Verbrechen der Pinochet-Regierung ignoriert oder verdrängt. Aufarbeitung der Geschehnisse ist bis heute ein strittiges Thema, da viele der vom Militärregime begangenen Verbrechen nie bestraft wurden. Diese Diskrepanz in der Erinnerungskultur geht Hand in Hand mit aktuellen politischen Kämpfen um die Einsetzung einer neuen Verfassung, die das Erbe der Diktatur endgültig überwinden soll.
Sie ist die Voraussetzung für den kurzen chilenischen Ausflug in den Sozialismus: die Unidad Popular wird 1969 gegründet. Ihr erster Präsident heißt Salvador Allende – er bleibt der einzige. Auf ihn folgt ein General, kein Politiker.
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Ihr hört in dieser "Eine Stunde History":
00:10:31 - Karl-Heinz Dellwo, ehemaliger RAF-Terrorist, Dokumentarfilmer, Verleger und Gastwirt
00:22:40 - Günther Wessel, Autor einer Allende-Biographie
00:36:10 - Diethard Küster saß mehrere Wochen in den Foltergefängnissen von Augusto Pinochet und berichtet über Verhöre und Misshandlungen.
00:49:08 - Dieter Maier ist Kenner der chilenischen Geschichte und Gegenwart und erläutert, welche Spuren sowohl Allende als auch Pinochet hinterlassen haben.