Hannes Leidinger, Historiker am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, spricht über die turbulente Gründung der Ersten Republik Österreich. Er beleuchtet, wie politische Unsicherheit und soziale Krisen die Menschen prägten. Der Nervenkitzel des Frauenwahlrechts und der Aufbruch zu mehr Rechten stehen im Kontrast zu wachsender politischer Gewalt und wirtschaftlichen Turbulenzen. Leidinger erklärt die tiefgreifenden Veränderungen und Spannungen, die die Gesellschaft in dieser kritischen Zeit formten und bis heute nachwirken.
Die Einführung des Frauenwahlrechts 1919 stellte einen bedeutenden Fortschritt in der Gleichstellung und sozialen Gesetzgebung der Ersten Republik dar.
Politische Unruhen und gewaltsame Auseinandersetzungen prägten die Anfangsjahre der Republik und erschwerten den Umgang mit unterschiedlichen ideologischen Strömungen.
Deep dives
Die Gründung der Republik Deutsch-Österreich
Im November 1918 wurde Österreich zur Republik Deutsch-Österreich erklärt, was nicht von allen als positiv wahrgenommen wurde. Während die Sozialdemokratie Hoffnungen auf Fortschritt hegte, fühlte sich ein großer Teil der Bevölkerung, insbesondere aus den konservativen Kreisen, unsicher über die Veränderungen. Viele hatten noch nostalgische Erinnerungen an die Monarchie und konnten sich nicht mit dem neuen republikanischen System identifizieren. Die Vorstellung, dass das neue Österreich eine Lebensfähigkeit habe, war unterdessen nicht unproblematisch, da viele weiterhin von einem Anschluss an ein größeres deutsches Reich träumten.
Frauenwahlrecht und soziale Gesetzgebung
Die Einführung des Frauenwahlrechts im Februar 1919 markiert einen bedeutenden Schritt in der politischen und sozialen Gesetzgebung der neuen Republik. Vor 1918 hatten Frauen kaum Mitspracherecht, doch die neue Nationalversammlung förderte die Gleichstellung und die Schaffung sozialer Sicherheitsnetze. Maßnahmen wie die Einführung der Arbeitslosenversicherung und der Betriebsräte wurden auf den Weg gebracht, um die Zukunft zu gestalten und die Rechte von Arbeitnehmenden zu stärken. Diese Entwicklungen fanden jedoch vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Unsicherheiten und revolutionärer Tendenzen in Europa statt, was den Prozess komplizierte.
Herausforderungen und Polarisierungen der neuen Republik
Die erste Zeit der Republik war von politischer Unruhe und Gewalt geprägt, was den Umgang mit unterschiedlichen ideologischen Strömungen erschwerte. Der Einfluss radikaler sozialistischer Bewegungen sorgte für Ängste und führte teilweise zu gewaltsamen Aufständen. Während sich verschiedene politische Lager zusammenschlossen, um eine sowjetische Entwicklung zu verhindern, begannen gleichzeitig ernsthafte Auseinandersetzungen über grundlegende Fragen der Staatsverfassung und Gesellschaft. Diese Herausforderungen schufen ein instabiles Klima, das bis in die 1920er Jahre andauerte und die politische Landschaft prägen sollte.
Eine polarisierte Gesellschaft, eine Regierung die sich kaum auf etwas einigen kann. Der Kaiser ist weg, Österreich als kleiner „Rest“ vom ehemaligen Großreich wird von seiner Bevölkerung als nicht lebensfähig erachtet. Die Erste Republik Österreich hat wirklich keinen leichten Start. Doch passiert hier auch viel Gutes. Erstmals dürfen Frauen wählen, Arbeitende bekommen mehr Rechte und die ersten Gewerkschaften entstehen. Doch schon jetzt setzt die politische Gewalt ein und kostet Menschenleben und dann folgen Hunger und Seuchen. Mariella Gittler unterhält sich mit Historiker Hannes Leidinger vom Zeitgeschichte Institut der Universität Wien und dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Grund- und Menschenrechte.
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