Globalisierung: Da senkt sich ein neuer Eiserner Vorhang
Mar 7, 2022
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Gabriel Felbermayr, österreichischer Ökonom und Direktor des WIFO, diskutiert die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Er fordert härtere Maßnahmen gegen Russland und analysiert die möglichen Folgen für die deutschen Energiemärkte. Felbermayr warnt vor einer drohenden Rezession in Deutschland, die mit den Corona-Schäden vergleichbar sein könnte, betont jedoch, dass die Bürger nicht frieren müssen. Zudem reflektiert er über seine schockierten Ansichten zur geopolitischen Situation und die Notwendigkeit, die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren.
Die westliche Reaktion auf den Ukrainekrieg mit harten Sanktionen zeigt die tiefgreifenden Auswirkungen der Globalisierung auf die wirtschaftlichen Beziehungen.
Die Isolation Russlands und die Abkopplung von internationalen Märkten könnten zu einer fragmentierten Weltwirtschaft führen, ähnlich dem Eisernen Vorhang.
Die deutsche Wirtschaft könnte eine Rezession erleben, wobei die aktuellen Herausforderungen die Notwendigkeit zur Diversifizierung der Energiequellen verdeutlichen.
Deep dives
Ökonomische Sanktionen gegen Russland
Westliche Länder haben auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine mit drastischen Sanktionen reagiert, die als die härtesten Sanktionen gegen ein großes Land in der Geschichte gelten. Diese Sanktionen beinhalten ein Verbot für Unternehmen wie Apple und Google, Hochtechnologie nach Russland zu liefern, was auch IT-Güter umfasst. Zudem wurde die russische Notenbank von internationalen Geldströmen abgeschnitten, indem ihre Reserven, die größtenteils im Ausland liegen, eingefroren wurden. Detaillierte Maßnahmen wie der Ausschluss von sieben russischen Banken aus dem SWIFT-System sollen die russische Wirtschaft zusätzlich destabilisieren.
Wirtschaftliche Auswirkungen auf Russland
Die Sanktionen haben bereits erhebliche negative Auswirkungen auf die russische Wirtschaft zur Folge, da der Rubel an Wert verliert und bedeutende Unternehmen in Schwierigkeiten geraten. Beispielsweise sind französische und deutsche Firmen wie BP und Volkswagen dazu übergegangen, ihre Geschäfte mit russischen Firmen einzustellen oder die Produktion in Russland auszusetzen. Diese Entwicklungen zeigen, dass trotz der wirtschaftlichen Kleinheit Russlands das Land in viele internationale Handelsbeziehungen verwoben ist. Die Maßnahmen, die so schnell ergriffen wurden, zeigen, wie tiefgreifend die Globalisierung in der letzten Zeit gewirkt hat.
Globalisierungsstruktur in Gefahr
Die aktuelle Situation könnte eine Rückkehr zu einer weniger globalisierten Weltwirtschaft darstellen, wobei der Krieg in der Ukraine als Wendepunkt angesehen wird. Experten warnen, dass durch die gesperrten wirtschaftlichen Verbindungen neue, geschlossene Handelsblöcke entstehen könnten, ähnlich dem früheren Eisernen Vorhang. Diese Fragmentierung im Welthandel könnte die Art und Weise verändern, wie Länder ihre wirtschaftlichen Beziehungen navigieren. Die Herausforderungen, die mit der Rückkehr zur Isolationismus einhergehen, könnten langfristige Folgen für die internationalen Märkte haben.
Bedeutung von strategischen Abhängigkeiten
Die Abhängigkeit von russischen Energieimporten hat das Bewusstsein für strategische Abhängigkeiten in Europa geschärft. Prozessual könnte dies bedeuten, dass Länder beginnen, ernsthafter über ihre Abhängigkeiten nachzudenken und Maßnahmen zur Diversifizierung ihrer Energiequellen zu ergreifen. Diese Veränderungen sind nicht nur kurzfristiger Natur, sondern könnten auch zu einer langfristigen Neuausrichtung der europäischen Energiepolitik führen, um Risiken zu minimieren. In Anbetracht dieser Herausforderungen sind Reihenfolgen wie der European Chips Act entscheidend, um strategische Autonomie zu fördern.
Zukunft der Globalisierung und Freihandel
Die globalisierten Handelsbeziehungen stehen vor einer Neuüberprüfung, da die geopolitischen Spannungen zunehmen und Regierungen ihre Handelspraktiken überdenken. Der Gedanke, dass wirtschaftliche Verflechtungen automatisch zu mehr Frieden und Demokratie führen, bekommt Risse. Der gegenwärtige Konflikt zeigt, dass sich Freihandel und politische Stabilität nicht als selbstverständlich erweisen. Diese Erkenntnisse könnten weitreichende Auswirkungen auf die künftige Gestaltung von internationalen Handelsabkommen und -strategien haben.
Auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine hat der Westen mit einem Finanz- und Wirtschaftskrieg geantwortet, den es in dieser Dimension selten gab. Russlands Wirtschaft wird in rasender Schnelligkeit isoliert und deglobalisiert.
Im Wirtschaftspodcast "Ist das eine Blase?" sprechen die Moderatorinnen Lisa Hegemann und Lisa Nienhaus mit dem ZEIT-Redakteur Thomas Fischermann und dem Handelsökonomen Gabriel Felbermayr über die Folgen des Kriegs für die Energiemärkte, den Welthandel und unseren Wohlstand. Sie fragen: Ist Globalisierung eine Blase?
Felbermayr plädiert dafür, dass der Westen nun noch härter auf den Ukrainekrieg reagieren solle als bislang – und auch den Kauf von russischem Öl und Gas verbietet. Frieren müsse deshalb in Deutschland niemand. "Die Wohnungen werden warm bleiben. Für die, die es sich leisten können", sagt er. Felbermayr erwartet für Deutschland allerdings in der Folge eine Rezession. "Das wäre vermutlich kurzfristig ein so großer Einbruch in der Wirtschaftsleistung, dass es mit den Corona-Schäden vergleichbar wäre, vielleicht sogar noch größer." Der Präsident des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung glaubt aber, dass man die Schäden auch ähnlich abfedern könnte wie in der Pandemie.
Das Verhalten Russlands habe sein Weltbild erschüttert, bekennt er. "Dass ein großes Land, ein WTO-Mitglied, in der Lage ist, ein souveränes Land in Europa zu überfallen, konnte ich mir bislang nicht vorstellen." Das habe enorme Konsequenzen dafür, wie man über Freihandel nachdenke. Eine alte Wahrheit setze sich durch: Sicherheit ist viel wichtiger als Wohlstand.
Im Wirtschaftspodcast "Ist das eine Blase?" sprechen Lisa Nienhaus, Jens Tönnesmann und Lisa Hegemann immer montags über das, was die Welt im Innersten zusammenhält: Geld, Macht, Gerechtigkeit. Immer mit einem Gast – und einem Tier.
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