Marcus Willaschek, Professor für Philosophie der Neuzeit in Frankfurt und Autor von "Kant. Die Revolution des Denkens", beleuchtet Kants Einfluss auf die Philosophie. Er spricht über die grundlegenden Fragen, die Kant prägten, und seinen Aufstieg vom Sattlerkind zum bedeutenden Denker. Willaschek erklärt Kants Ansichten über Metaphysik und den kategorischen Imperativ sowie seinen komplexen Umgang mit der Französischen Revolution. Zudem wird Kants ambivalente Haltung zu Rassentheorien und die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit seinem Erbe diskutiert.
Kants berühmtes Zitat über den bestirnten Himmel und das moralische Gesetz verdeutlicht die wertvolle Verbindung von Rationalität und Emotion in seiner Philosophie.
Die biografischen Hintergründe Kants, einschließlich seiner Handwerkerherkunft und pietistischen Erziehung, sind entscheidend für das Verständnis seiner philosophischen Entwicklung und Sichtweise.
Kants ethische Philosophie, insbesondere der kategorische Imperativ, bleibt relevant und bietet Orientierung in gegenwärtigen politischen und moralischen Fragestellungen.
Deep dives
Kants Pathos und Rationalität
Kant wird oft als rationaler und nüchterner Philosoph beschrieben, doch hinter seinem berühmten Zitat über den bestirnten Himmel und das moralische Gesetz verbirgt sich auch ein deutliches Pathos. Dieses Zitat zeigt, dass Kant nicht nur als Denker, sondern auch als ein begnadeter Schriftsteller agiert, der in der Lage war, sein Publikum emotional zu erreichen. Es wird betont, dass Kant eine faszinierende Fähigkeit besaß, komplexe Gedanken zu formulieren, die sowohl rational als auch berührend waren. Diese Verbindung von Rationalität und Emotion ist ein zentrales Element in Kants Werk, das die Leser auch heute noch anspricht und zum Nachdenken anregt.
Kants lebenslange Entwicklung und Hintergrund
Markus Willaschek erläutert, dass Kants Zugang zur Philosophie stark durch seine Herkunft und seinen Bildungshorizont geprägt war. Aufgewachsen in einer Handwerkerfamilie, war Kants Aufstieg zum Professor in der hierarchischen Gesellschaft Preußens der damaligen Zeit bemerkenswert und basierte auf seiner überragenden Begabung. Zudem wird die Rolle seiner pietistischen Erziehung angesprochen, die ihn zwar prägte, aber von der er sich auch distanzierte, was seine kritische Sichtweise auf gesellschaftliche Normen beeinflusste. Diese biografischen Hintergründe sind entscheidend, um Kants Denken und die Entwicklung seiner philosophischen Ideen zu verstehen.
Die Entstehung der 'Kritik der reinen Vernunft'
Kants philosophische Laufbahn nahm entscheidende Wendungen, die zur Veröffentlichung seiner 'Kritik der reinen Vernunft' führten. Der Verlust seines Vaters und die Verantwortung, die er für seine Geschwister trug, zwangen ihn, sein Studium zeitweise zu unterbrechen, was jedoch seine späteren Arbeiten beeinflusste. Während dieser Zeit entwickelte Kant ein intensives Bedürfnis, die Metaphysik und ihre Grundfragen zu hinterfragen, was als Ausgangspunkt für seine bekanntesten Werke diente. Die 'Kritik der reinen Vernunft' stellt eine grundlegende Innovation dar, da sie die Grenzen des menschlichen Wissens thematisiert und die Bedingungen untersucht, unter denen Wissen entsteht.
Kants Ethik und der kategorische Imperativ
Kants Ethik, verkörpert durch den kategorischen Imperativ, fordert moralisches Handeln basierend auf universellen Prinzipien. Diese Philosophie stellt in den Mittelpunkt, dass niemand moralische Ausnahmen für sich selbst machen kann, sondern die gleichen Prinzipien für alle gelten sollten. Kants Auseinandersetzung mit der Frage, was moralisch richtig ist, zeigt, wie tiefgreifend er die Bedeutung von Aufrichtigkeit und wahrheitsgemäßem Handeln erkannte. Zudem wird in der Diskussion deutlich, dass Kants ethische Auffassungen eng verbunden sind mit den politischen und sozialen Kontexten seiner Zeit.
Kants Erbe und seine Relevanz heute
Im Rahmen der Feierlichkeiten zu Kants 300. Geburtstag wird die Bedeutung seiner Philosophie für gegenwärtige politische und moralische Fragestellungen betont. Heutige Politiker wie Olaf Scholz erkennen Kants Gedanken als Orientierung in Zeiten globaler Konflikte und stellen fest, dass Kants Philosophie weiterhin relevant ist. Kants Ideen zu Recht, moralischer Verantwortung und dem Fortschritt der Menschheit laden dazu ein, unseren Umgang mit einer sich wandelnden Welt kritisch zu überlegen. Trotz der Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, erinnert Kants Erbe daran, dass moralisches Handeln und politisches Handeln eng miteinander verwoben sind und kontinuierlich hinterfragt werden müssen.
"Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir." Als Philosoph mit erhobenem Zeigefinger, als Apostel der Moral und Pflichtneurotiker ist Immanuel Kant verschrien, bekannt ist er als Meister der Vernunft und als Autor komplizierter, fast unverständlicher Texte. Doch in diesem berühmten Zitat aus der "Kritik der praktischen Vernunft" von 1788 steckt mit funkelnder Klarheit und einem Schuss Pathos alles, was Kant sein Leben lang beschäftigt hat. Das sind vor allem vier Fragen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Und: Was ist der Mensch? Kant fand auf diese grundlegenden Fragen Antworten, die weit über seine Zeit hinauswiesen und die Philosophie noch heute beschäftigen.
Für die neue Folge von "Wie war das noch mal?" haben wir uns mit Marcus Willaschek getroffen, Professor für Philosophie der Neuzeit in Frankfurt am Main und Autor des Buchs "Kant. Die Revolution des Denkens", das im vergangenen Jahr erschienen ist. Mit ihm haben wir uns über Kant unterhalten: Wie gelang dem Jungen, der vor 300 Jahren, am 22. April 1724, als viertes Kind einer Familie von Sattlern und Riemern in Königsberg geboren wurde, der Aufstieg zum Professor für Logik und Metaphysik und zum Star-Philosophen seiner (und unserer) Zeit? Was ist eigentlich Metaphysik? Was kann der Mensch nach Kant wissen? Und: Kann man heute noch Universalist sein oder hat die Aufklärung ihre Prinzipien verraten?
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