#297 "Der Drang nach Aufrüstung folgt dem Geist von Angst und Panik"
Mar 26, 2025
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Alexander Lurz, promovierter Historiker und Experte für Frieden und Abrüstung bei Greenpeace, diskutiert die alarmierende Aufrüstung in Europa. Er argumentiert, dass die bestehenden Rüstungspläne nicht notwendig sind, um Russland abzuschrecken und dass sie stattdessen Europa schaden könnten. Ein zentraler Punkt ist die angstgetriebene Debatte über Sicherheit und Militarisierung, während Lurz auf die Notwendigkeit einer kritischen Neubewertung der militärischen Strategie und einer stärkeren Betonung des Klimaschutzes hinweist.
Die Aufrüstung in Europa, als Reaktion auf angebliche Bedrohungen durch Russland, wird von Experten als übertrieben und gefährlich eingeschätzt.
Die schnelle Zustimmung zu höheren Militärausgaben beschränkt demokratische Prozesse und hindert die Öffentlichkeit an einer umfassenden Diskussion über Sicherheit.
Investitionen in soziale Stabilität und Klimaschutz sind essenziell, um echte Sicherheit zu gewährleisten, anstatt sich ausschließlich auf militärische Mittel zu verlassen.
Deep dives
Aufrüstung und die Bedrohung durch Russland
Die Diskussion über die aktuelle Aufrüstung in Deutschland und Europa zeigt, dass viele der geplanten Maßnahmen als übertrieben eingeschätzt werden. Experten argumentieren, dass die militärischen Bedrohungen durch Russland nicht in dem Maße bestehen, wie es die politische Rhetorik vermittelt. Die europäisch NATO-Staaten sind inzwischen Russland militärisch überlegen, was die Notwendigkeit einer massiven Aufrüstung infrage stellt. Es wird befürchtet, dass dieser Aufrüstungsdrang nicht nur finanzielle Belastungen zur Folge hat, sondern auch gesellschaftliche Unsicherheiten in Deutschland und darüber hinaus verstärkt.
Demokratische Entscheidungsprozesse
Die Entscheidung zur Aufrüstung sei in einer sehr kurzen Zeitspanne getroffen worden, was den demokratischen Entscheidungsprozess stark einschränke. Die schnelle Zustimmung zur Schuldenbremse und zu massiven Rüstungsausgaben lasse wenig Raum für tiefgreifende öffentliche Debatten. Diese Eile könnte dazu führen, dass die Bürger nicht ausreichend in den Prozess einbezogen werden, was die Akzeptanz und das Verständnis für die Maßnahmen beeinträchtigt. Die Notwendigkeit einer transparenten und gut informierten Diskussion könnte so in den Hintergrund gedrängt werden.
Langfristige Auswirkungen der Aufrüstung
Die massiven Aufrüstungsausgaben werden nicht nur das Militär betreffen, sondern auch andere gesellschaftliche Bereiche wie das Klima und den Sozialstaat. Finanzielle Mittel, die für die Aufrüstung zur Verfügung stehen, werden wahrscheinlich auf Kosten von Bildung, Gesundheitsversorgung und internationaler Entwicklungspolitik gehen. Dies könnte zu größeren sozialen Spannungen und Verteilungskämpfen innerhalb Deutschlands führen. Es wird argumentiert, dass eine Investition in soziale und wirtschaftliche Stabilität letztendlich effektiver zur Sicherheit beiträgt als militärische Aufrüstung.
Globale Rüstungsspirale
Ein Anstieg der Rüstungsausgaben weltweit führt zu einer besorgniserregenden Tendenz hin zu einer globalen Rüstungsspirale. Mehr Waffen führen nicht zwangsläufig zu mehr Sicherheit, sondern können die Gefahr von Konflikten eher erhöhen, da alle Akteure versuchen, sich militärisch zu behaupten. Dieses enge Verständnis von Sicherheit, das sich ausschließlich auf militärische Fähigkeiten konzentriert, kann andere, wichtigere Dimensionen menschlicher Sicherheit vernachlässigen. Eine friedliche und nachhaltige Gesellschaft erfordert, dass Grundbedürfnisse wie Bildung und Gesundheit für alle Menschen erfüllt werden.
Die Rolle Europas in der Weltpolitik
Die aktuelle geopolitische Situation erfordert eine Neubewertung von Europas Rolle in der Welt. Anstatt sich ausschließlich auf militärische Lösungen zu konzentrieren, könnte Europa auch diplomatische und völkerrechtliche Ansätze verstärkt in den Vordergrund rücken, um nachhaltige Lösungen für aktuelle Konflikte zu finden. Eine eigenständige europäische Außen- und Sicherheitspolitik könnte langfristig stabilere und friedlichere internationale Beziehungen fördern. Die Betonung sollte auf einem breiten Sicherheitsverständnis liegen, das auch soziale und wirtschaftliche Aspekte mit einbezieht.
Alexander Lurz, Experte für Frieden und Abrüstung, über Europas Aufrüstungspläne
Deutschland rüstet auf. Mit Stimmen von Union, SPD und Grünen werden Militärausgaben fast komplett von den Regeln der Schuldenbremse ausgenommen. Die massive Aufrüstung ist in dieser Form zur Abschreckung Russlands nicht nötig und wird Europa schaden, ist Alexander Lurz von Greenpeace überzeugt. Eine Studie, die der Experte für Abrüstung und Frieden mitverfasst hat, kommt zum Schluss, dass die europäischen Nato-Staaten Russland militärisch bereits überlegen sind. Im Dissens Podcast spricht er über eine angstgetriebene Debatte, die Folgen der reflexhaften Hochrüstung für Klimaschutz und Soziales sowie einen anderen Begriff von Sicherheit.
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Alexander Lurz. Jahrgang 2974, ist promovierter Historiker und arbeitet bei Greenpeace als Experte für Abrüstung und Frieden. Er ist Mitverfasser der Studie “Wann ist Genug genug”, die das militärische Kräfteverhältnis zwischen Russland und der Nato beschreibt.