Sternengeschichten

Florian Freistetter
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May 30, 2025 • 10min

Sternengeschichten Folge 653: Beryllium, Bor und die kosmischen Teilchenbeschleuniger

Wo kommen die Elemente her? 653 Die chemischen Elemente Bor und Beryllium tauchen in unserem Alltag nicht sonderlich oft auf. Sollte man zum Beispiel Bor einmal zu Gesicht bekommen, ist es vermutlich ein unscheinbares braunes Pulver. Es wird manchmal in Waschmittel verwendet oder in Pflanzenschutzmitteln - aber im Gegensatz zu Elementen wie Sauerstoff oder Eisen ist es nicht sonderlich prominent. Das selbe gilt für das Leichtmetall Beryllium. Wer nicht zufällig einen Gammastrahlendetektor oder einen Kernreaktor zuhause rumstehen hat, wird kaum auf Beryllium treffen. Aber aus astronomische Sicht sind diese beiden chemischen Elemente definitiv spannend. Ich habe hier im Podcast ja immer wieder Mal über die Entstehung der Elemente gesprochen. Die beiden einfachsten Atome, Wasserstoff und Helium, sind direkt beim Urknall selbst entstanden. Andere, für uns Menschen wichtige Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff oder Kohlenstoff werden durch Kernfusion im Inneren von Sternen gebildet. Wieder andere, wie Gold oder Silber, entstehen durch die hochenergetischen Prozesse bei Supernova-Explosionen oder der Kollision von Sternen. Manche, wie Radium oder Polonium entstehen, wenn andere Elemente radioaktiv zerfallen. Man könnte darüber streiten, was der wahre Ursprung solcher Elemente ist: Radium zum Beispiel bildet sich, wenn radioaktives Uran zerfällt. Uran selbst aber entsteht vor allem, wenn zwei Neutronensterne kollidieren. Und dann gibt es noch jede Menge Elemente, die wir nur kennen, weil wir sie selbst in unseren Teilchenbeschleunigern hergestellt haben. Schaut man sich alle uns bekannten chemischen Elemente an, kann man für jedes davon den Prozess identifizieren, der am meisten zu seiner Existenz beigetragen hat. Helium zum Beispiel wird auch bei der Kernfusion im Inneren von Sternen produziert. Die absolute Mehrheit des Heliums im Universum stammt aber direkt vom Urknall. Aluminium wird im Inneren von großen Sternen gebildet, kann aber zum Teil auch bei Supernova-Explosionen entstehen. Für jedes Element gibt es einen dominierenden Prozess und die möglichen Prozesse habe ich vorhin aufgezählt. Zwei chemische Elemente tanzen aber aus der Reihe. Sie entstehen auf einem ganz speziellen Weg, der sich von den anderen Methoden unterscheidet. Es handelt sich natürlich um Bor und Beryllium und diese beiden Elemente verdanken ihre Existenz den kosmischen Teilchenbeschleunigern. Und damit sind natürlich keine Maschinen gemeint, die irgendwelche Aliens gebaut haben. Ok, ich kann jetzt nicht ausschließen, dass es so etwas nicht gibt - aber das ist definitiv nicht das Thema dieser Folge. Teilchenbeschleuniger, die hier wir auf der Erde gebaut haben, sind genau das, wonach sie klingen: Maschinen, in denen Atome oder subatomare Teilchen sehr stark beschleunigt werden. Dann bringt man diese Teilchen dazu, miteinander zu kollidieren und bei diesen Kollisionen können alle möglichen Sachen passieren. Aus der dabei freiwerdenden Energie können neue Teilchen entstehen und idealerweise sind es welche, die wir bisher noch nicht entdeckt haben. Teilchen können aber auch umgewandelt werden. Man kann zum Beispiel durch passenden Kollisionen dafür sorgen, dass ein paar der Bausteine eines Atomkerns aus diesem Kern quasi herausgeschlagen und entfernt werden. Protonen sind genau solche Bausteine und die Anzahl der Protonen bestimmt, um welches chemische Element es sich handelt. Wasserstoff hat immer ein Proton im Kern, Helium immer genau zwei, Lithium immer drei, Beryllium hat vier Protonen und Bor hat fünf. Und so weiter: Bei 82 Protonen im Kern kriegen wir das Element Blei und wenn wir im Teilchenbeschleuniger drei dieser Protonen rauswerfen, dann landen wir bei einem Kern mit 79 Protonen, was nichts anderes als das chemische Element Gold darstellt. Oder anders gesagt: Wir können tatsächlich Blei in Gold verwandeln, aber natürlich nur in enorm geringen Mengen und absurd viel Aufwand. Reich wird man dadurch nicht, aber es demonstriert das Prinzip um das es hier geht: Lässt man Atomkerne ausreichend schnell aufeinanderprallen, kann man aus einem chemischen Element ein anderes herstellen. Wo sind jetzt aber die Teilchenbeschleuniger im Weltall? Das ist einfach, davon habe ich in den vergangenen Folgen der Sternengeschichten schon oft erzählt. Jeder Stern leuchtet nicht einfach nur so vor sich hin, sondern schleudert auch ständig Teilchen aus den äußeren Schichten seiner Atmosphäre ins All. Auch andere astronomische Phänomene, wie zum Beispiel Supernova-Explosionen oder das, was in der Umgebung schwarzer Löcher passiert, können Teilchen enorm stark beschleunigen. Überall im All sausen diese Teilchen durch die Gegend und wir nennen das die "kosmische Strahlung", von der ich in Folge 317 ausführlich erzählt habe. Die Teilchen der kosmischen Strahlung sind teilweise mit sehr viel mehr Wucht unterwegs als wir selbst in unseren besten Beschleunigern auf der Erde erzeugen können. Und wenn sie unterwegs auf irgendwas treffen, dann passiert genau das, was ich vorhin beschrieben habe: chemische Elemente können sich ineinander umwandeln. Dieser Prozess wird "Spallation" genannt und die von der kosmischen Strahlung verursachte Spallation ist genau der Prozess, dem wir die Existenz von Bor und Beryllium im Universum zu verdanken haben. Der Großteil der kosmischen Strahlung besteht aus Protonen, die ja nichts anderes als die Kerne von Wasserstoffatomen sind, dem häufigsten Element im Universum. So ein Proton kann jetzt zum Beispiel auf die Erdatmosphäre treffen und wenn es mit den dortigen Stickstoff- oder Sauerstoffatomen kollidiert, kann Bor entstehen, dass dann mit dem Regen auf den Erdboden gelangt. Solche Kollisionen können aber natürlich auch im Weltall passieren. Hier läuft aber vermutlich ein Prozess ab, der eher umgekehrt ist und deswegen auch "reverse Spallation" genannt wird. Denn das Weltall ist zwar sehr leer, aber nicht komplett. Zwischen den Sternen gibt es das interstellare Medium, von dem ich in Folge 79 mehr erzählt habe. Das heißt, auch überall im Raum zwischen den Sternen sind Atome und Moleküle, aber eben wieder vor allem Wasserstoff. Wenn wir Bor oder Beryllium durch Spallation herstellen wollen, müssen wir aber Teilchen der kosmischen Strahlung auf Atome schießen, die schwerer als Bor oder Beryllium sind. Sowas wie Stickstoff, Sauerstoff oder Kohlenstoff, wovon wir in der Atmosphäre der Erde jede Menge haben, im interstellaren Raum aber eher wenig. Aber wir wissen ja, dass Atome wie Kohlenstoff, Sauerstoff oder Stickstoff im Inneren von großen Sternen erzeugt werden. Und wenn diese großen Sterne dann ihr Leben beenden, tun sie das mit einer großen Explosion. Bei so einer Supernova werden diese Atome dann auch mit hoher Geschwindigkeit durchs All geschleudert und können dort dann auf die Wasserstoff- und Heliumkerne im interstellaren Medium treffen. Das Resultat ist das selbe wie vorhin: Bei der Kollision entstehen Bor und Beryllium, nur dass hier jetzt eben die schweren Teilchen auf die leichten abgefeuert werden - deswegen auch die Bezeichnung "reverse Spallation". Wasserstoff und Helium gab es ja schon von Anfang an, direkt nach dem Urknall. Die ersten Sterne, die daraus entstanden sind, waren alle tendenziell groß und massereich und deswegen einerseits in der Lage, Elemente wie Kohlenstoff oder Sauerstoff durch Kernfusion zu produzieren. Andererseits leben solche massereichen Sterne aber auch nicht lange; sie sind also vergleichsweise schnell zu Supernovae geworden. In der Kindheit des Universums gab es also beste Bedingungen für jede Menge Kollisionen, bei denen Bor und Beryllium entstehen konnten. Und auch heute laufen diese Prozesse natürlich immer noch überall ab, denn Supernova-Explosionen sind zwar nicht mehr so häufig, aber sie passieren immer noch ständig im Universum. Beryllium und Bor sind vergleichsweise seltene Elemente auf der Erde. Aber das liegt eben genau an diesem sehr speziellen Prozess, der diese Elemente erzeugt hat. Der Großteil des Bor und Berylliums das wir hier bei uns finden, ist im Weltall entstanden, durch die Kollisionen zwischen Teilchen der kosmischen Strahlung und lange bevor sich das Sonnensystem gebildet hat. Ich finde so einen Blick auf das Universum extrem spannend. Angefangen hat alles vor fast 14 Milliarden Jahren, mit jeder Menge Wasserstoff und ein bisschen Helium. Aber dann haben sich daraus Sterne gebildet und die Sterne haben aus Wasserstoff und Helium neue Elemente gemacht, die es vorher nicht gegeben hat. Die Sterne sind explodiert, ihre Überreste sind kollidiert, die kosmische Strahlung hat die interstellare Materie bombardiert, Atome sind radioaktiv zerfallen und am Ende haben wir ein Universum mit einer enormen Vielfalt an chemischen Elementen und erst durch diese Vielfalt konnte so etwas wie Leben und wir Menschen überhaupt erst entstehen. Zu sagen, dass Leben das ist, was passiert, wenn man Wasserstoff einfach nur lange genug sich selbst überlässt, ist nicht ganz korrekt. Aber es ist auch nicht weit von der Wahrheit entfernt.
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May 23, 2025 • 11min

Sternengeschichten Folge 652: Planetenparade - Alle in einer Reihe

Spektakel oder Katastrophe? Sternengeschichten Folge 652: Planetenparade - Alle in einer Reihe "Seltene Planetenkonstellation". "Himmelsspektakel". "Kosmisches Schauspiel". "Ein Fest für Sterngucker". Aber auch "Weltuntergang" oder "Untergangsomen". Mit all diesen Begriffen ist in der Vergangenheit etwas beschrieben worden, was eigentlich nichts oder nur sehr wenig von dem ist, was man sich darunter vorstellt. Es geht um eine sogenannte "Planetenreihe", "Planetenparade" oder auch "Planetenprozession". Und man meint damit, dass alle oder zumindest viele der Planeten unseres Sonnensystems in einer Reihe stehen. Aber da fängt die Sache ja schon an. Was soll es bedeuten, wenn die Planeten in einer Reihe stehen? Oder anders gesagt: Meinen wir damit, dass die Planeten alle nebeneinander stehen oder hintereinander? Denn es kommt natürlich auf den Blickwinkel an. Fangen wir mal mit dem "nebeneinander" an. Wenn wir hier von der Erde aus zum Himmel blicken, dann würde das bedeuten, dass wir die Planeten gleichzeitig und nebeneinander aufgereiht am Himmel sehen können. Und wenn das so ist: Ist das ein besonderes Ereignis? Das kommt drauf an. Es ist definitiv nicht besonders, dass die Planeten alle entlang einer Linie am Himmel aufgereiht sind. Das muss so sein, sie können nicht anders. Die Planeten bewegen sich ja nicht völlig willkürlich um die Sonne. Sie laufen entlang von elliptischen Umlaufbahnen und diese Bahnen liegen alle mehr oder weniger in der selben Ebene; und das gilt auch für die Erde. Gut, es gibt ein paar kleine Abweichung, aber die sind wirklich nur klein und wir ignorieren sie vorerst. Wenn wir also mehrere Planeten auf einmal beobachten können, dann können die nicht beliebig über den Himmel verteilt sein. Zumindest nicht beliebig in alle Richtungen. Alle Planeten müssen sich zwingend in der Nähe der Ekliptik befinden. Und das ist, wie ich ja schon in einigen Folgen erklärt habe, die an den Himmel projizierte scheinbare Bahn der Sonne. Oder anders herum gesagt: Die an den Himmel projizierte Ebene, in der sich die Erde um die Sonne bewegt. Je nach Jahreszeit und je nachdem, von welcher geografischen Position aus wir beobachten, kann die Ekliptik hoch über den Himmel verlaufen oder nahe am Horizont stehen. Aber weil das die Ebene ist, in der sich die Erde und alle anderen Planeten bewegen, müssen die Planeten eben auch immer irgendwo auf oder in unmittelbarer Nähe dieser Linie sein. Sie können dabei natürlich immer noch weit voneinander entfernt sein, je nachdem wie die relative Stellung von Erde, Sonne und Planet gerade ist. Aber man muss sich nicht wundern, wenn zum Beispiel gerade Mars, Jupiter und Saturn gleichzeitig zu sehen sind und man eine Linie durch alle drei Positionen am Himmel ziehen kann. Es muss so sein und diese Linie zeigt uns dann gleichzeitig auch, wie die Ekliptikebene gerade aus unserer Sicht am Himmel orientiert ist. Dass die Planeten in einer Reihe stehen ist also ganz normal. Aber meistens sind immer nur ein, zwei oder drei Planeten auf einmal zu sehen. Dass man vier Planeten zur selben Zeit am Nachthimmel beobachten kann, kommt schon etwas seltener vor, nur alle paar Jahre. Auf fünf Planeten zur selben Zeit muss man schon ein paar Jahrzehnte warten und noch mehr sieht man dann noch seltener. Wobei auch das mit dem "sehen" nicht so eindeutig ist. Ohne Teleskop können wir ja nur Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sehen. Für Uranus und Neptun brauchen wir optische Hilfsmittel. Und ob wir dann zum Beispiel auch den kleinen und schwach leuchtenden Merkur erkennen können, ist auch nicht immer sicher. Der sonnennächste Planet muss sich am Himmel ja auch zwangsläufig immer irgendwo in der Nähe der Sonne befinden. Wenn man ihn beobachten kann, dann also nur kurz nach Sonnenuntergang oder kurz vor Sonnenaufgang und immer nur in der Nähe des Horizonts. Wenn da gerade Berge im Weg stehen oder man sich mitten in der Stadt befindet, wo statt Berge Häuser den Weg verstellen und noch dazu die künstlichen Lichter alles überstrahlen: Dann wird es schwer, den Merkur zu sehen, selbst wenn er gerade Teil der Parade ist. Anfang 2025 gab es zum Beispiel eine der seltenen Planetenparaden mit sieben Planeten. Mit dabei waren aber Uranus und Neptun, das heißt ohne Hilfsmittel konnte man nur Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sehen. Oder, je nach Beobachtungsbedingungen auch nur die letzten vier. So eine Planetenreihe ist auch kein singuläres Ereignis. Das heißt, es ist nicht so, dass es genau einen Moment gibt, in dem die Planeten alle gleichzeitig am Himmel stehen und wenn der vorbei ist, ist es aus. Die Planeten springen ja nicht wild durchs Sonnensystem, sie laufen entlang ihrer Bahnen. Zuerst sind ein paar von ihnen gleichzeitig am Himmel, dann kommen ein paar andere dazu, die sich in der Zwischenzeit weit genug bewegt haben, und wenn sie sichtbar sind, dann dauert es typischerweise ein paar Wochen, bis sich alle wieder so weit auseinander bewegt haben, um nicht mehr zur selben Zeit sichtbar zu sein. Jetzt schauen wir aber mal, was passiert, wenn wir den Blickwinkel verändern. Wir schauen jetzt nicht mehr von der Erde zum Himmel, sondern quasi von "oben" auf das Sonnensystem. Und wir stellen uns vor, dass wir jetzt alle Planeten in einer Reihe sehen. Also so, wie man sie auf den üblichen Diagrammen in den Lehrbüchern sieht, wenn das Sonnensystem vorgestellt werden soll. Ganz auf der einen Seite ist die Sonne, daneben steht Merkur, dann Venus, dann die Erde, dann Mars, und so weiter. Wie würde so eine Planetenreihe von der Erde aussehen? Deutlich weniger spektakulär. Stellen wir uns vor, die Planeten wären wirklich alle exakt in einer Linie. Dann wären zuerst einmal Merkur und Venus auf der einen Seite der Erde und die restlichen fünf auf der anderen. Oder anders gesagt: Wir können gar nicht alle auf einmal zur selben Zeit vom selben Ort aus sehen. Und wir würden auch nicht zwei beziehungsweise fünf Planeten am Himmel sehen. Sondern nur die Venus oder den Mars. Wenn der Jupiter exakt hinter dem Mars steht und der Saturn exakt hinter dem Jupiter, und so weiter, dann verdecken sich alle gegenseitig und wir sehen nur einen hellen Punkt. Was natürlich vermutlich auch ein interessanter Anblick wäre - aber deutlich weniger spektakulär als es klingt. Zum Glück passiert das nicht so oft, aber dazu kommen wir später noch. Was stattdessen immer wieder mal passiert, sind Planeten, die fast hintereinander stehen. Oder, aus unserer Sicht von der Erde aus, Planeten, die am Himmel sehr nahe beieinander zu sehen sind. Und das ist dann ein durchaus beeindrucker Anblick, wenn man zum Beispiel den hell rot leuchtenden Mars direkt neben dem noch heller leuchtenden Jupiter beobachten kann. Solche sogenannten "Konjunktionen" zwischen zwei oder manchmal auch drei Himmelskörpern gibt es zum Glück immer wieder mal zu sehen. Aber auf eine echte Planetenreihe müssen wir lange warten. Rein statistisch passiert es nur alle 340 Millionen Jahre, dass alle acht Planeten eine Reihe mit der Sonne bilden. Und wenn sich dabei alle Planeten auf der selben Seite der Sonne befinden sollen, muss man sogar 180 Billionen Jahre warten - was ungefähr 10.000 mal länger ist als das aktuelle Alter des Universums. Und wenn man dann so lange gewartet hat, wird es trotzdem noch eine unordentliche Reihe sein. Denn, wie ich anfangs gesagt habe, die Planeten bewegen sich zwar fast genau in der selben Ebene um die Sonne, aber eben nicht exakt. Der eine Planet wird dann also ein bisschen über der Ebene der Erdbahn stehen, der andere ein bisschen drunter, und so weiter. Die Reihe wird also eher eine Wellenlinie sein. Will man wirklich eine exakt gerade Linie die man durch die Position der Planeten im Sonnensystem ziehen kann, dann passiert so etwas im Durchschnitt alle 86 Septillionen Jahre. Das ist eine 86 mit 45 Nullen hintendran und eine so große Zahl, dass sich niemand etwas darunter vorstellen kann. Die Erde und die restlichen Planeten, die Sonne, die Milchstraße, die restlichen Sterne: All das wird in 86 Septilliarden Jahren schon längst nicht mehr existieren… Die Planeten des Sonnensystems werden also niemals eine exakt gerade Linie bilden. Und selbst wenn sie es tun würden, müsste man sich übrigens keine Sorgen machen. Es ist ja immer wieder mal behauptet worden, dass so eine Konstellation beziehungsweise auch die häufiger auftretenden Planetenreihen von denen ich vorher gesprochen habe, irgendeine katastrophale Wirkung auf die Erde haben. Dass dann zum Beispiel durch diese Aufreihung der Planeten eine so starke Gravitationskraft auf die Erde wirken würde, so dass sie auseinander gerissen wird. Dass das Unsinn ist, kann man sich aber leicht klar machen. Wir können ja ausrechnen, wie stark die Gravitationskräfte der anderen Planeten sind und das, was wir hier auf der Erde spüren, ist vernachlässigbar. Die Planeten sind einfach zu weit weg. Abgesehen von der Sonne ist hier auf der Erde nur der Mond von Bedeutung, dessen Anziehungskraft wir ja vor allem über die Gezeiten spüren. Die Gezeitenkräfte aller anderen Himmelskörper zusammen kann aber maximal 2 Prozent der Kraft ausmachen, die wir vom Mond spüren. Und auch diese 2 Prozent können wir ignorieren. Denn der Mond ist ja mal ein wenig näher und mal ein bisschen weiter weg von der Erde. Allein dadurch ändert sich die Kraft die wir spüren um 25 Prozent. Das, was die anderen Planeten tun, fällt also nicht ins Gewicht. Was nicht bedeutet, dass es gar keinen Einfluss gibt. Wir wissen, dass die Anziehungskraft der anderen Planeten, vor allem die von Jupiter und Venus, kleinste Störungen in der Bewegung der Erde verursacht. Das spielt sich aber über Zeiträume von vielen zehn- bis hunderttausend Jahren ab. Über diese Zeiträumen kann die Erdbahn sich so verändern, dass wir dann Eis- oder Warmzeiten haben. Dieses Phänomen nennt man die "Milankovic-Zyklen" und ich habe in Folge 55 ausführlich davon gesprochen. Es hat aber auch nichts damit zu tun, ob die Planeten jetzt in einer Reihe stehen oder nicht. Es ist immer toll, wenn man einen Planeten des Sonnensystems am Nachthimmel beobachten kann. Und noch toller ist es, wenn man gleich mehrere unserer Nachbarn beobachten kann. So einen Anblick sollte man genießen und nicht mit reißerischen Schlagzeilen entwerten.
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May 16, 2025 • 10min

Sternengeschichten Folge 651: Von-Neumann-Sonden und die maschinelle Besiedelung der Galaxis

Per Roboter durch die Galaxis Sternengeschichten Folge 651: Von-Neumann-Sonden und die maschinelle Besiedelung der Galaxis Warum sehen wir - abseits der Erde - nirgendwo Spuren von Leben? Das ist erstens eine spannende Frage und zweitens eine sehr grundlegende, die uns Menschen immer schon interessiert hat. Ich habe darüber in den Folgen 410 und 515 der Sternengeschichten schon ausführlich gesprochen und auch erklärt, dass es jede Menge Gründe gibt, warum wir bis jetzt keine Spuren von Leben entdeckt haben. Wenn es um Leben allgemein geht, also irgendwelche Mikroorganismen, Algen, Pflanzen, und so weiter, dann sind wir gerade erst dabei, die notwendigen technischen und wissenschaftlichen Kenntnisse zu entwicklen, um so etwas nachweisen zu können, wenn es diese Art von Leben irgendwo anders gibt. Und intelligentes Leben ist wieder eine völlig andere Geschichte. Wir haben keine Ahnung, wie und warum und wie oft und wie schnell sich intelligentes Leben entwickeln kann und was "intelligentes Leben" überhaupt wissenschaftlich exakt definiert sein soll. Und dann wissen wir ja auch, dass es im Weltall sehr, sehr leer ist. Und der Raum zwischen den Sternen ist sehr, sehr groß. Es dauert dementsprechend sehr, sehr lange, wenn Lebewesen zwischen den Sternen hin und her reisen wollen und vermutlich länger, als irgendeine Art von Leben einfach so überleben kann. Aber was ist mit Maschinen? Wir Menschen bauen schon seit längerer Zeit Maschinen, die ins All fliegen und wir haben schon diverse Himmelskörper im Sonnensystem mit diesen Maschinen besucht. Wir haben Maschinen gebaut, die irgendwann das Sonnensystem verlassen werden, wie zum Beispiel die beiden Voyager-Raumsonden, die schon seit den 1970er Jahren im All unterwegs sind. Wir werden solche Maschinen höchstwahrscheinlich auch in Zukunft bauen und es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir irgendwann auch Sonden konstruieren, die gezielt auf den Weg zu anderen Sternen geschickt werden. Und wenn wir das können UND wenn wir mal davon ausgehen, dass es doch noch irgendwo anders intelligentes Leben gibt, dann stellt sich die Frage: Warum haben wir noch nie eine Alien-Raumsonde gesehen, die von anderswo ins Sonnensystem gekommen ist? Auch hier gibt es ein paar naheliegende Antworten. Die erste ist die übliche: Das Universum ist halt wirklich sehr, sehr groß. Vielleicht fliegen die Dinger anderswo eh dauernd durch die Gegend, nur bei uns ist noch keine angekommen. Vielleicht haben wir sie auch einfach übersehen. Vielleicht fliegt irgendwo in den äußeren Bereichen des Sonnensystems so eine Sonde rum, die wir halt noch nicht entdeckt haben. Selbst das Sonnensystem ist viel zu groß und zu leer, als das wir alles untersuchen und jedes Objekt dort kennen können. Oder die Aliens haben keine Lust auf Weltraumforschung. Sollte letzteres zutreffen, können wir wenig tun. Dann müssten wir schon selbst losfliegen und alle Sterne absuchen und damit ist in naher und auch ferner Zukunft eher nicht zu rechnen. Aber die Größe und Leere des Universums muss nicht unbedingt ein Hindernis sein. Wenn es nicht die Lebewesen selbst sind, die durchs All fliegen, sondern nur ihre Maschinen, dann spielen Zeit und Raum keine so große Rolle mehr. Einer Maschine ist es egal, wenn die Reise lange dauert. In den 1960er Jahren hat der australische Wissenschaftler Robert Bracewell zum Beispiel überlegt, dass man interstellare "Nachrichten-Sonden" bauen könnte. Das heißt: Wir bauen eine Raumsonde und schicken sie zu irgendeinem Stern. Dort schaut die Sonde, ob es intelligentes Leben gibt. Gibt es keines, dann wartet sie einfach, bis vielleicht irgendwann eine außerirdische Zivilisation entsteht. So oder so: Sobald da Aliens sind, schickt die Sonde eine Botschaft, wartet auf die Antwort der Aliens und sendet die zurück zur Erde. Das kann zwar dauern, aber technisch und wissenschaftlich ist so etwas durchaus möglich. Und wenn es für uns möglich ist, warum nicht auch für die Aliens? Warum haben wir noch nie so eine "Bracewell-Sonde", wie das Konzept mittlerweile genannt wird, gesehen? Die Antwort lautet: Keine Ahnung. Aber ein Grund könnte der Aufwand sein. Es gibt viele Sterne und man müsste viele Sonden losschicken, wenn man eine reale Chance auf eine Antwort haben will. Es ist kaum vorstellbar, dass wir Menschen auch nur eine Bracewell-Sonde bauen, gar nicht zu reden von der Anzahl an Sonden, die nötig wären, um auch nur einen Bruchteil der hunderten von Milliarden Sternen abzudecken, die in unserer Milchstraße existieren. Aber vielleicht ist es gar nicht nötig, so viele Sonden zu bauen? Womit wir jetzt bei dem wären, was im Titel dieser Folge steht: Den Von-Neumann-Sonden. Sie sind nach dem Mathematiker John von Neumann benannt, der sie aber gar nicht erfunden hat. Von Neumann hat sich unter anderem mit der Informatik beschäftigt. Oder besser gesagt: Er war einer der Menschen, die diese Wissenschaft ab den 1940er Jahren überhaupt erst entwickelt haben. Von Neumann ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Computer heute so funktionieren, wie sie es tun. Und im Jahr 1953 hat er auch eine Theorie selbstreproduzierender Automaten entwickelt. Das ganze ist erst 1966, 9 Jahre nach seinem Tod, veröffentlicht worden und ein ziemlich komplizierter Aufsatz. Das sich Lebewesen selbst replizieren können, wissen wir. Unsere ganze Biologie basiert darauf, dass Moleküle wie die DNA Kopien von sich selbst herstellen können. Wie das auch ein künstlicher Roboter tun könnte, hat John von Neumann in seiner Theorie erklärt. Das ganze war aber, wie gesagt, so kompliziert, dass es mit damaligen Mittel nicht umsetzbar gewesen wäre. Heute haben wir die Theorie ein bisschen weiterentwickelt und zumindest im Computer können wir simple Maschinen programmieren, die sich tatsächlich selbst kopieren und quasi fortpflanzen. Reale Roboter oder Maschinen zu bauen, die Kopien von sich selbst herstellen: Das können wir allerdings immer noch nicht. Aber genau darauf basiert die Idee des amerikanischen Physikers Robert Freitas, die er im Jahr 1980 veröffentlicht hat. Man könnte doch eine Raumsonde bauen und sie zu einem anderen Sternensystem schicken. Dort kann die Sonde erstens schauen, ob es irgendwo Aliens gibt. Und zweitens ein paar Kopien von sich selbst anfertigen. Rohstoffe sollte es genug geben; auch bei anderen Sternen wird es ja zum Beispiel Asteroiden geben, die voll mit allen Ressourcen sind, die man braucht, wenn man irgendwas bauen will. Die neuen Sonden fliegen dann zu anderen Sternen und wiederholen den Vorgang. Auf diese Weise kriegt man ein exponentielles Wachstum. Aus einer Sonde werden zwei, daraus werden vier, dann acht, dann sechszehn, und so weiter. Wenn sich so eine Sonde nur alle 100 Jahre verdoppelt, dann braucht es keine 10.000 Jahre, bis ein paar Quintillionen solcher "Von-Neumann-Sonden" durch die Milchstraße fliegen. Das sind ungefähr 10 Trillionen mal mehr Sonden, als es Sterne in der Milchstraße gibt. Und man müsste dafür nur eine einzige Sonde bauen! Es braucht nur eine Zivilisation, die so ein Projekt startet, damit wir überall solche Sonden sehen könnten. Tun wir aber nicht. Auch dafür gibt es Gründe. Sehen wir mal vom offensichtlichen Grund ab, nämlich dass es keine anderen intelligenten Lebewesen in der Milchstraße gibt, dann sind die Aliens vielleicht auf die Idee gekommen, dass so eine selbstreplizierende Raumsonde auch gefährlich sein könnte. Denn was, wenn sie sich die Rohstoffe für ihre Kopien von einem schon bewohnten Planeten holt? Was wäre zum Beispiel, wenn so ein Ding ins Sonnensystem fliegt und einfach die Internationale Raumstation auseinander nimmt? Oder was, wenn die Sonde nicht nur 2, sondern 200, 2000 oder 2 Millionen Kopien von sich selbst anfertigt? Vielleicht ist beim langen Flug durchs All irgendwas mit der Programmierung durcheinander gekommen… Dann hätten wir einen maschinellen Heuschreckenschwarm, der unter Umständen ganze Planeten auseinander nimmt, um sich zu reproduzieren. Und nur weil man einer Maschine sagt, sie solle sich selbst kopieren, muss sie das ja noch lange nicht schaffen. Bei jeder Kopie gibt es kleinste Fehler. Fehler, die sich bei den folgenden Kopien fortpflanzen und immer größer werden, bis die Maschine irgendwann nicht mehr funktioniert. Das Problem könnte man nur lösen, wenn man die Maschinen auf einem wirklich fundamentalen Level aufbaut. Sie müssten sich selbst Atom für Atom replizieren, um Fehler weitestgehend ausschließen zu können. Aber wie man so was anstellt: Davon haben wir absolut keine Ahnung. Das heißt nicht, das es unmöglich ist. Aber es könnte schwer genug sein, so dass die Aliens lieber andere Sachen machen als Von-Neumann-Sonden zu bauen. In der Science-Fiction ist das Konzept natürlich dankbar aufgegriffen und in allen möglichen Variaten behandelt worden. Ob so etwas auch in der Realität möglich ist, wird sich zeigen. Entweder dadurch, dass wir selbst eine Von-Neumann-Sonde bauen. Oder wenn doch noch mal eine von ihnen bei uns im Sonnensystem auftauchen sollte…
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May 9, 2025 • 15min

Sternengeschichten Folge 650: Albert Einstein, das CCD und die moderne Astrofotografie

Licht und Strom: Tolle Kombination Sternengeschichten Folge 650: Albert Einstein, das CCD und die moderne Astrofotografie Im Jahr 1905 hat Albert Einstein über die Natur des Lichts nachgedacht. Im Jahr 1969 wollten ein kanadischer und ein amerikanischer Physiker einen besseren Computerspeicher entwickeln. Zusammen haben diese drei nicht nur drei Nobelpreise bekommen, sondern auch die Astronomie und bis heute unseren Alltag revolutioniert. Die Geschichte beginnt aber in der Vergangenheit und zwar im Jahr 1839. Damals hat der französische Physiker Alexandre Edmond Becquerel festgestellt, dass zwischen zwei Elektroden eine elektrische Spannung entsteht, wenn eine davon mit Licht bestrahlt wird. Was da genau abgeht, konnte er allerdings nicht erklären. 1887 hat der deutsche Physiker Heinrich Hertz ein ähnliches Phänomen bei Experimenten mit ultravioletten Licht gefunden. Erstmals systematisch untersucht hat die Angelegenheit ab 1899 der deutsche Physiker Philipp Lenard. In seinen Experimenten hat er festgestellt, dass Licht tatsächlich Elektronen aus Metallen herauslösen kann. Und das ist ja tatsächlich sehr erstaunlich: Man beleuchtet ein Stück Metall und aus dem Metall kommen Elektronen raus. Es entsteht ein elektrischer Strom, denn Strom ist ja nichts anderes als Elektronen, die sich bewegen. Es ist nicht verwunderlich, dass die Elektronen aus dem Metall kommen; diese Elementarteilchen bilden ja die Hülle eines jeden Atoms. Da sind also genug vorhanden. Aber warum werden sie aus dem Metall gelöst, wenn Licht darauf fällt? Eine erste Idee liegt nahe: Im Licht steckt ja Energie und wenn sich diese Energie vom Licht auf die Elektronen überträgt, dann können die sich mit Hilfe dieser Energie von der Bindung an den Atomkern lösen und sich frei bewegen. Das klingt logisch, aber die Experimente von Lenard haben noch mehr gezeigt. Nämlich dass die kinetische Energie der Elektronen unabhängig von der Intensität des Lichts ist. Was heißt das? Die kinetische Energie ist die Energie, die in der Bewegung des Elektrons steckt. Und eigentlich sollte man ja erwarten, dass die umso größer ist, je mehr Licht auf das Metall fällt. Mehr Licht überträgt mehr Energie auf die Elektronen und dann sollte auch mehr Energie in ihrer Bewegung stecken. Tut es aber nicht. Mehr Licht sorgt nur für mehr Elektronen, aber ihre Bewegungsenergie ändert sich nicht. Die hängt stattdessen von der Frequenz des Lichts ab, also von seiner Farbe. Dieses Verhalten war damals ein großes Rätsel. Denn damals ging man davon aus, dass Licht eine elektromagnetische Welle ist. Und die Energie einer Welle hängt von ihrer Amplitude ab, also wie weit sie - vereinfacht gesagt - nach oben und nach unten schwingt. Und die Energie einer Welle hängt ganz explizit nicht von ihrer Frequenz ab, die ja angibt, wie oft die Welle in einem bestimmten Zeitraum auf und ab schwingt. Die Amplitude ist ein Maß für die Intensität des Lichts, die Frequenz für die Farbe. Eigentlich sollte man also erwarten, dass eine Lichtwelle mit hoher Intensität, also einer großen Amplitude und mehr Energie auch mehr Energie auf die Elektronen überträgt und es egal ist, welche Frequenz beziehungsweise Farbe sie hat. Die Experimente von Philipp Lenard haben aber genau das Gegenteil gezeigt. Gelöst hat dieses Rätsel dann Albert Einstein. Er hat im Jahr 1905 einen Artikel veröffentlicht, mit dem Titel "Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt". Klingt etwas nichtssagend, aber dort schreibt Einstein folgenden revolutionären Satz: "Es scheint mir nun in der Tat, daß die Beobachtung über die […] Photolumineszenz, die Erzeugung von Kathodenstrahlen durch ultraviolettes Licht und andere die Erzeugung beziehungsweise Verwandlung des Lichtes betreffende Erscheinungsgruppen besser verständlich scheinen unter der Annahme, daß die Energie des Lichtes diskontinuierlich im Raume verteilt sei. Nach der hier ins Auge zu fassenden Annahme ist bei Ausbreitung eines von einem Punkte ausgehenden Lichtstrahls die Energie nicht kontinuierlich auf größer und größer werdende Räume verteilt, sondern es besteht dieselbe aus einer endlichen Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten, welche sich bewegen, ohne sich zu teilen und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können." Einstein sagt also, dass die Energie im Licht in kleinen Paketen steckt, die nicht weiter geteilt werden können. Er sagt im Wesentlichen: Licht besteht aus einzelnen Lichtquanten, also aus "Stücken" von Energie, die selbst nicht mehr kleiner werden können. Ok, wer sich in Wissenschaftsgeschichte auskennt, wird wissen, dass ein paar Jahre vorher, nämlich im Jahr 1900, der deutsche Physiker Max Planck die "Quantenhypothese" aufgestellt hat. Planck hatte festgestellt, dass man ein bestimmtes Verhalten von Licht nur dann korrekt beschreiben kann, wenn man davon ausgeht, dass die Energie im Licht nur in bestimmten, kleinstmöglichen Energiepaketen vorliegen kann, die er Quanten genannt hat. Planck hat das aber im Wesentlichen für einen Rechentrick gehalten und ist lange Zeit nicht davon ausgegangen, dass sich Licht wirklich so verhält. Albert Einstein aber, und genau deswegen ist seine Arbeit so revolutionär, hat genau das behauptet. Er hat gesagt, dass Licht tatsächlich aus diesen Quanten besteht. Oder anders gesagt: Einstein hat die jahrhundertelang vorherrschende Meinung in Frage gestellt, dass Licht eine kontinuierliche Welle ist. Laut Einstein besteht Licht aus Lichtquanten, die wir heute Photonen nennen. Und die Energie eines Photons hängt von der Frequenz des Lichts ab, beziehungsweise der Farbe. Damit wird auch verständlich, was Lenard in seinen Experimenten gemessen hat. Damit man ein Elektron aus dem Metall herauslösen kann, braucht es eine gewisse Mindestenergie. Man muss also Licht mit der richtigen Frequenz nutzen, damit das geht, denn nur dann haben die Quanten auch die korrekte Energie. Denn das Elektron kann nicht beliebig viel Energie mit dem Licht austauschen. Entweder die Energie im Lichtquant ist groß genug - dann wird das Elektron frei. Oder sie ist nicht groß genug und dann passiert gar nichts. Und dann hilft es auch nichts, wenn man die Lichtintensität erhöht und immer mehr und mehr Quanten auf das Elektron einprasseln. Es kann die Quanten nicht "sammeln" bis es genug davon hat. Einsteins theoretische Erklärung des Phänomens, das wir heute den "photoelektrischen Effekt" nennen, hat sehr gut funktioniert. Trotzdem haben viele gezögert, sie anzuerkennen. Denn man wollte sich nicht von der Vorstellung von Licht als Welle lösen; Licht, das aus "Teilchen" besteht, war den meisten zu revolutionär. Heute wissen wir, dass Licht weder eine Welle, noch ein Teilchen ist sondern eine Auswirkung von Quantenfeldern, wie ich in Folge 247 ausführlich erklärt habe. Aber damals gab es ja quasi noch keine Quantentheorie im modernen Sinn. Die hat erst mit der Arbeit von Max Planck und so richtig erst mit dieser Arbeit von Albert Einstein begonnen. Und deswegen haben die beiden auch zu Recht den Physik-Nobelpreis dafür bekommen. Sie mussten zwar ein bisschen warten, bis sich die Quantenmechanik in der Wissenschaft durchgesetzt hat. Planck hat ihn 1918 bekommen und Albert Einstein erst im Jahr 1921. Aber besser spät, als gar nicht (und es lohnt sich vielleicht auch noch mal extra darauf hinzuweisen, das Einstein seinen Nobelpreis eben tatsächlich für seine Arbeit zur Quantenmechanik bekommen hat, nicht für die Entwicklung der Relativitätstheorie, für die er in der Öffentlichkeit viel bekannter ist). Albert Einstein war ein theoretischer Physiker der die Natur verstehen wollte. Willard Boyle und George Smith waren ebenfalls Physiker, aber eher an Anwendungen orientiert. Im Jahr 1969 haben beide in den Bell Labs gearbeitet, der Forschungsabteilung der amerikanischen Telefongesellschaft AT&T. Willard Boyle war damals Chef der Abteilung für Halbleiterforschung und Smith sein Mitarbeiter. Damals hat man sich intensiv mit Magnetblasenspeicher beschäftigt, einer frühen Form um auf Computern Daten zu speichern. Die Bell Labs wollten Forschungsgelder von der Abteilung für Halbleiter abziehen, es sei denn, sie wären in der Lage, selbst eine ausreichend gute Speichertechnologie auf anderer Basis zu entwickeln. Also setzten sich Boyle und Smith hin und erfanden, im Wesentlichen im Laufe eines Nachmittags, das, was wir heute CCD nennen. Die Details so eines charge-coupled device sind dennoch komplex. Aber im Prinzip funktioniert dieses Ding ganz einfach. Man kann es sich als zweidimensionales Gitter vorstellen. An jedem Gitterpunkt sitzt ein elektronisches Bauteil, das Elektronen speichern kann. Je nachdem, wie viele es sind, sitzt also in jedem Gitterpunkt eine unterschiedlich große elektrische Ladung. Mit diesen Ladungen kann man Informationen speichern und genau das wollten Boyle und Smith ja haben. Man könnte jetzt mit irgendeinem passenden Messinstrument Gitterpunkt für Gitterpunkt durchgehen und so Stück für Stück die Ladung und damit den Speicher auslesen. Aber das wäre mühsam, und es geht auch einfacher. Man kann - und ich gehe auch hier jetzt nicht auf die technischen Details ein - die Ladungen einfach von Gitterpunkt zu Gitterpunkt verschieben. Dann fällt - sehr vereinfacht gesagt - am Ende des Gitters zuerst die Ladung aus dem ersten Gitterpunkt der entsprechenden Reihe raus und kann gemessen werden. Dann schiebt man weiter und es kommt die Ladung aus dem nächsten Gitterpunkt, und so weiter. Das geht viel schneller und am Ende kann man aus so einem Ding eine elektrische Spannung auslesen, die sich verändert, je nachdem wie viele Elektronen in den Gitterpunkten waren. Boyle und Smith ist aber sehr schnell klar geworden, dass man so ein Konzept nicht nur als simplen Speicher verwenden kann. Man kann an jeden Gitterpunkt auch ein Bauteil setzen, das Licht in elektrischen Strom umwandeln kann. Und wie macht dieses Bauteil das? Durch den photoelektrischen Effekt, den Albert Einstein mehr als 60 Jahre vorher als erster erklären konnte. Diese Bauteile nennt man Fotodioden und die waren damals schon erfunden. Aber man konnte sie eben nur erfinden, weil Jahrzehnte vorher Albert Einstein den photoelektrischen Effekt erklärt hat! Zusammengefasst hatten Boyle und Smith nun also ein Gerät, bei dem Licht auf einen zweidimensionalen Sensor fällt. Je nach Intensität des Lichts sammeln sich in den Gitterpunkten unterschiedlich starke Ladungen an und die können elektronisch so ausgelesen werden, um das danach entsprechend rekonstruieren zu können. Das, was vorher analog war - also die Information darüber, wie viel Licht an bestimmten Stellen des Sensors auftritt, war jetzt digital verfügbar. Und das war auf eine andere Art wie bei Einstein aber ebenso eine Revolution! Bis dahin hat man Bilder chemisch gespeichert. Man hat Platten oder Filmstreifen mit passenden Chemikalien bestrichen, die unterschiedlich stark auf Licht reagieren, je nach der Intensität des Lichts. Diese Fotografie ist natürlich selbst eine revolutionäre Erfindung, aber mit dem charge-coupled-device ist die Fotografie digital geworden. Es hat ein bisschen gedauert, bis die Technik so weit ausgereift war, um der klassischen analogen Fotografie ernsthaft Konkurrenz zu machen. Man braucht dafür ja zum Beispiel entsprechend große Sensoren um ein ausreichend großes Bildfeld zu haben. Und dann sind da noch jede Menge andere kleinere und größere praktische Probleme. Aber das Militär war zum Beispiel sehr schnell begeistert davon. Mit CCD-Technik kann man wunderbar Satelliten bestücken und digitale Bilder der Erde aus dem All machen. Bilder, die nicht erst entwickelt werden müssen sondern direkt elektronisch zur Erde übertragen werden können. Das ist ideal für Spionagesatelliten und deswegen hat das Militär die Entwicklung der CCDs auch massiv gefördert. Ab den 1980er Jahren ist die Technik aber auch langsam in die zivilen Bereiche gekommen. In der Astronomie hat man immer öfter mit CCD-Kameras gearbeitet und auch die Digitalkameras für den privaten Gebrauch habe sich entwickelt. Heute ist die CCD-Kamera aus der Astronomie nicht mehr wegzudenken. Es gibt, außer im Hobby-Bereich, keine analoge Astrofotografie mehr. Alles funktioniert digital. Bei den Digitalkameras haben sich mittlerweile Techniken entwickelt, die ein bisschen anders funktionieren als die klassischen CCDs, aber die Arbeit von Boyle und Smith hat die Welt und die Wissenschaft dennoch bis heute maßgeblich beeinflusst und die beiden sind dafür zu Recht im Jahr 2009 mit den Physik-Nobelpreis ausgezeichnet worden. Was mit Albert Einstein angefangen hat, ist heute aber längst noch nicht zu Ende. Es gibt noch jede Menge die wir nicht verstehen, wenn es um die Lichtquanten geht. Es lohnt sich, auch heute noch über das Licht nachzudenken. Was dabei herauskommt, lässt sich schwer vorhersagen. Aber sicher ist: Am Ende wird es uns alle beeinflussen.
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May 2, 2025 • 11min

Sternengeschichten Folge 649: Der Finsternisflug der Concorde

Mit Überschall in die Dunkelheit Sternengeschichten Folge 649: Der Finsternisflug der Concorde Am 30. Juni 1973 ist das Überschallflugzeug Concorde zu einem ganz besonderen Flug aufgebrochen. Das Ziel war die Beobachtung eines astronomischen Phänomens und man wollte es auf eine Weise beobachten, wie es noch nie zuvor beobachtet worden war. An diesem Tag hat es einen totale Sonnenfinsternis gegeben. Der Schatten des Mondes, der sich am Vormittag vor die Sonne geschoben hat, ist zuerst im südamerikanischen Guyana auf die Erde getroffen und dann über den Atlantik gewandert bevor er über Mauretanien, Mali, Niger, Tschad, Sudan, Uganda und Kenia gezogen und schließlich über dem indischen Ozean wieder verschwunden ist. Am längsten hat man die Verfinsterung der Sonne in Niger beobachten können, dort hat die sogenannte Totalität mehr als sieben Minuten gedauert, was außerordentlich lange für eine totale Sonnenfinsternis ist. Die nächste Totalität, die länger als sieben Minuten dauern wird, werden wir erst wieder im Jahr 2150 beobachten können. Aber trotzdem waren diese sieben Minuten ein paar Leuten nicht lange genug. Im Mai 1972 hat der französische Astronom Pierre Léna Kontakt mit André Turcat aufgenommen. Denn Turcat war der Pilot, der am 2. März 1969 das erste Mal die Concorde geflogen hat. Und die Concorde war ein britisch-französisches Projekt zur Entwicklung eines Überschallflugzeugs für den Linienverkehr. Damals war dieser Linienverkehr zwar noch nicht aufgenommen worden, aber man hatte schon diverse Testflüge absolviert. Die Idee von Léna war eigentlich recht simpel: Wir können eine Sonnenfinsternis vom Erdboden aus ja nur deswegen so vergleichsweise kurz beobachten, weil sich der Schatten des Mondes so enorm schnell bewegt. Und er bewegt sich deswegen so enorm schnell, weil der Schatten natürlich genau so schnell ist, wie der Mond auf seiner Umlaufbahn um die Erde. Der Mond bewegt sich mit über 3500 Kilometer pro Stunde, aber die Erde dreht sich ja auch um ihre Achse und auch das tut sie nicht langsam. Wie schnell sich der Mondschatten jetzt genau bewegt hängt davon, auf welcher geografischen Breite man sich befindet, wie der Pfad des Schattens genau verläuft, und so weiter - aber er ist auf jeden Fall immer sehr schnell; es sind auf jeden Fall immer mehr als 1500 Kilometer pro Stunde. Die Höchstgeschwindigkeit einer Concorde liegt aber bei etwas mehr als Mach 2. Also zweifache Schallgeschwindigkeit, was ungefähr 2200 Kilometer pro Stunde sind. Oder anders gesagt: Wenn man eine Concorde in den Pfad der Totalität steuert, kann man quasi mit dem Schatten des Mondes mitfliegen. Vom Flugzeug aus kann man die verdunkelte Sonne sehr viel länger sehen als vom Erdboden aus und hat dann natürlich auch sehr viel mehr Zeit, um wissenschaftliche Messungen anzustellen. Die Idee war einfach, die Umsetzung aber deutlich schwieriger. Nur weil man eine gute Idee hat, kriegt man nicht einfach so ein Überschallflugzeug für die Forschung zur Verfügung gestellt. Turcat war auf jeden Fall gleich begeistert und hat diese Begeisterung zu seinen Vorgesetzen bei Aérospatiale getragen, der Fluggesellschaft, die die französischen Concorde betrieben hat. Dort hat man mal provisorisch zugesagt und sogar noch zugesagt, die Kosten zu übernehmen. Immerhin wäre so ein spezieller Flug ja auch eine gute Werbung für die Concorde… Aber eine definitive Zusage wollte man erst später geben. Pierre Léna hat trotzdem schon angefangen, die Sache vorzubereiten. Denn wenn man echte Wissenschaft betreiben will, kann man sich nicht einfach ins Flugzeug setzen und aus dem Fenster schauen. Man braucht Messinstrumente und die müssen erstens ins Flugzeug passen, sie müssen zweitens die Erschütterungen beim Start aushalten und dann müssen sie drittens auch noch in der Lage sein, das zu beobachten, was man beobachten will. Und da hat es ein kleines Problem gegeben. Aus Sicht des Flugzeugs auf seinem Weg über Afrika hat sich die verfinsterte Sonne im Zenit befunden, also genau darüber. Aber ein Flugzeug hat normalerweise keine Fenster in der Decke. Die Fenster sind seitlich, aber von dort aus hätte man die Sonnenfinsternis nicht sehen können. Also mussten neue Fenster in der Decke installiert werden… Pierre Léna hat auch angefangen, andere Forscher zu diesem speziellen Flug einzuladen. Eine Concorde kann zwar nicht so viele Menschen transportieren wie ein normales Flugzeug, aber wenn nur André Turcat und Pierre Léna mitgeflogen wären, wäre das schon eine ziemliche Platzverschwendung gewesen. Am Ende wurden Teams vom französischen Institut für Astrophysik, den amerikanischen Kitt Peak National Observatory und dem Los Alamos National Observatory, der englischen Queen Mary Universität London und der Uni Aberdeen in Schottland eingeladen. Es sollten fünf unterschiedliche Experimente durchgeführt werden. Pierre Léna selbst war vor allem an der sogenannten "F-Korona" interessiert. Die Korona ist die äußerste Atmosphärenschicht der Sonne, die wir von der Erde aus nur während einer Sonnenfinsternis beobachten können. Sie ist zwar sehr ausgedehnt, ihre Helligkeit ist aber nicht sehr groß. Das heißt, normalerweise wird sie vom Rest des Sonnenlichts überstrahlt, nur wenn der Mond den Großteil dieses Lichts abschirmt, können wir das Leuchten der Korona sehen. Und die "F-Korona" ist der Teil der Korona, der von Staub erzeugt wird, der die Sonne umgibt. Das Sonnenlicht wird am Staub gestreut und aus seiner Analyse kann man dann zum Beispiel Rückschlüsse auf die Herkunft des Staubes ziehen. Der wird unter anderem von Kometen verursacht, die in Sonnennähe zerbrechen und je genauer man die Strukturen im Licht der F-Korona versteht, desto mehr können wir auch die entsprechenden Prozesse verstehen. An der Queen Mary Universität war man mehr an den innersten Bereichen der Korona interessiert, das Los Alamos National Observatory wollte das Infrarotlicht der Sonnenkorona beobachten, was vom Erdboden aus gar nicht geht, egal wie lange eine Sonnenfinsternis dauert, denn die Infrarotstrahlung aus dem All wird von der Atmosphäre blockiert und man muss ins All oder zumindest so weit nach oben, wie man mit einem Flugzeug kommt, wenn man sie beobachten will. Das Kitt Peak National Observatory wollte sich die Chromosphäre der Sonne anschauen, eine weitere der äußeren Atmosphärenschichten, und herausfinden, wie sich die verschiedenen Bereiche dieser Schicht unterscheiden. Und die Uni Aberdeen hat sich das diffuse Leuchten des Himmels angesehen, das entsteht, wenn die Atome der Luft durch die Energie der Sonne angeregt werden und dann Strahlung abgeben. Was sie dann natürlich auf eine andere Art tun als vorher, wenn eine Sonnenfinsternis stattfindet. Jede Menge Arbeit also und keine Zeit, um den Flug zu genießen. Aber würde der überhaupt stattfinden! Ja, würde er! Die Zusage der Fluggesellschaft kam zwar erst im Februar 1973, aber zum Glück war alles gut vorbereitet. Die umgebaute Concorde 001, also genau der Prototyp mit dem Turcat den ersten Flug einer Concorce überhaupt absolviert hat, stand bereit und um exakt 10:08 Ortszeit ging der Flug los, von Las Palmas auf Gran Canaria. Am Steuer saßen André Turcat und sein Kopilot Jean Dabo und über Mauretanien, bei einer Flughöhe von über 17 Kilometern und mit einer Geschwindigkeit von knapp über Mach 2 traf man auf den Schatten des Mondes. Die Experimente starteten und alle waren beschäftigt bis die Concorde im Tschad landete. Dazwischen hat sich das Flugzeug 74 Minuten lang im Schatten des Mondes befunden, es war die längste Sonnenfinsternis die irgendjemand bis dahin beobachten konnte. Und hat sich das alles gelohnt. Na ja. Die Ergebnisse der Experimente sind in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht worden. Aber sie haben keinen sonderlich großen Einfluss auf die astronomische Forschung gehabt. Es ist nichts revolutionäres entdeckt worden, nichts, was die Wissenschaft in eine dramatisch neue oder überraschende Richtung gebracht hat. Pierre Léna hat das später so zusammengefasst: "[Die Experimente] spielten ihre Rolle im normalen Fortschreiten des wissenschaftlichen Wissens, aber es muss gesagt werden, dass es keine außergewöhnlichen Ergebnisse gab. Alle fünf Experimente waren erfolgreich, aber keines von ihnen revolutionierte unser Verständnis der Korona". Tja. Aber Wissenschaft kann halt nicht immer alles über den Haufen werfen. Es war eine spektakuläre Expedition und die Menschen an Bord haben die Sonne länger verfinstert gesehen als alle anderen zuvor. Aber wenn es diesen Finsternisflug der Concorde nicht gegegen hätte, hätte die Wissenschaft vermutlich genau so weiterfunktioniert wie sie es mit den Experimenten getan hat. Aber wie gesagt: So ist Wissenschaft; man weiß vorher nicht was rauskommt und deswegen muss man es probieren. Die Verfolgung der Sonnenfinsternis im Juni 1973 mit einer Concorde war einzigartig. Und sie wird einzigartig bleiben. Abgesehen davon, dass die Concorde seit dem Jahr 2003 nicht mehr fliegt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch kein anderes Überschallflugzeug mehr zur Beobachtung einer Sonnenfinsternis eingesetzt werden. Zumindest nicht aus wissenschaftlichen Gründen. Von der Erde aus haben wir mehr oder weniger alles erforscht, was sich während einer Sonnenfinsternis sinnvollerweise erforschen lässt. Um Informationen über die Korona und der anderen äußeren Schichten der Sonnenatmosphäre zu gewinnen haben wir mittlerweile andere Möglichkeiten. 1995 flog zum Beispiel das Weltraumteleskop SOHO ins All. Diese Mission der Europäischen Weltraumagentur ist explizit dafür gemacht, die Sonne und vor allem ihre Korona zu messen und das jederzeit, nicht nur wenn eine Finsternis stattfindet. Wir haben jede Menge andere Teleskope im All, die die Sonne im Blick haben. Und wenn es hier auf der Erde wieder eine Sonnenfinsternis zu sehen gibt, müssen wir uns nicht um Wissenschaft kümmern, sondern können dieses Naturschauspiel einfach nur genießen.
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Apr 25, 2025 • 17min

Sternengeschichten Folge 648: Das Oh-My-God-Teilchen

Zu viel unbekannte Energie Sternengeschichten Folge 648: Das Oh-My-God-Teilchen Das "Oh-My-God-Teilchen" war wahrscheinlich ein Proton, das am 15. Oktober 1991 über der Wüste im amerikanischen Bundesstaat Utah beobachtet worden ist. Und es mag seltsam erscheinen, dass man einem subatomaren Teilchen einen eigenen Namen gibt. Immerhin gibt es ja mehr als genug von den Dingern; mehr als man zählen kann und mehr als man sich vorstellen kann. Und noch seltsamer mag es erscheinen, eine ganze Podcastfolge über ein einzelnes Proton zu machen. Aber so ist die Astronomie eben: Sie ist die Wissenschaft des ganzen Universums. Sie erforscht den Kosmos in seiner Gesamtheit und alles, was sich darin befindet. Wir nutzen jede Informationsquelle, die sich uns bietet und manchmal kann man auch von einem einzelnen Proton jede Menge lernen. Fangen wir mal mit den Grundlagen an. Die bestehen in diesem Fall aus der kosmischen Strahlung, über die ich in den Folgen 317 und 318 der Sternengeschichten ausführlich gesprochen habe. Die kurze Zusammenfassung lautet so: Überall im Weltall passieren Dinge, bei denen diverse Teilchen durch die Gegend geschleudert werden. In den meisten Fällen sind es Sterne, die ja nicht nur leuchten, sondern auch ständig Teilchen aus den äußersten Schichten ihrer Atmosphären verlieren. Die elektromagnetischen Vorgänge im heißen Gas der Sterne sorgen dafür, dass immer wieder Teilchen aus ihnen davon geschleudert werden. Aber auch wenn ein Stern bei einer Supernova explodiert, schleudert er jede Menge Teilchen durch die Gegend. Das selbe passiert, wenn Materie mit hoher Geschwindigkeit um ein schwarzes Loch wirbelt, und so weiter. Kurz gesagt: Das All ist voll mit Teilchen, die durch die Gegend sausen und das nennen wir die "kosmische Strahlung". Der überwiegende Teil dieser Strahlung - fast 90 Prozent - besteht aus den Kernen von Wasserstoffatomen, was nicht überraschend ist, denn Wasserstoff ist ja das häufigste Element im Kosmos. Das zweithäufigste Element ist Helium und deswegen besteht der Rest der kosmischen Strahlung aus den Kernen von Heliumatomen und ein paar Kerne schwerere Elemente sind auch ab und zu zu finden. Und es sind übrigens deswegen die Kerne der Atome, weil die Elektronen, die ja die Hülle der Atome bilden, bei den Vorgängen die die kosmische Strahlung produzieren, quasi vom Atomkern abgerissen werden (oder sowieso schon vorher vom Atomkern abgerissen worden sind). Ein Atomkern besteht - je nach chemischen Element - aus unterschiedlich vielen Protonen und Neutronen. Beim Wasserstoff wird der Kern nur von einem einzigen Proton gebildet und deswegen besteht auch die kosmische Strahlung vorrangig aus Protonen. Das ist soweit alles noch normal. Beziehungsweise eigentlich nicht. Eigentlich ist es höchst erstaunlich, wenn man sich klar macht, dass ständig Protonen überall durchs Weltall sausen. Und der österreichische Physiker Victor Franz Hess hat 1936 zu Recht den Physik-Nobelpreis für den Nachweis der kosmischen Strahlung bekommen. Die Strahlung ist auch definitiv wichtig. Sie liefert uns jede Menge Informationen über das, was da draußen im All vorgeht. Denn die Teilchen schlendern da ja nicht gemählich durchs All, sie sind mit enormen Geschwindigkeiten unterwegs. Und können deswegen auch durchaus relevante Mengen an Energie haben. Und wenn sie mit etwas zusammenstoßen, dann passiert das, für das wir hier auf der Erde enorm komplexe Maschinen bauen. Wir bauen riesige Teilchenbeschleuniger, um Teilchen auf hohe Geschwindigkeit und miteinander zur Kollision bringen zu können. Wir wollen wissen, was mit der Energie passiert, die bei den Zusammenstößen frei wird; aus ihr können dann zum Beispiel neue Teilchen entstehen und wenn wir Glück haben auch welche, die wir noch nicht kennen. So ein Zusammenstoß kann aber auch eine Kernspaltung auslösen. Oder anders gesagt: Wenn man ein Proton nur fest genug auf einen Atomkern schießt, kann das Atom auseinanderbrechen und es entstehen neue chemische Elemente. Am oberen Ende der Atmosphäre passiert das dauernd: Kosmische Strahlung trifft auf die Atome der Luft. Die brechen auseinander und dabei werden Neutronen freigesetzt. Die können dann zum Beispiel auf Stickstoffatome treffen und dann wird aus dem Stickstoffatom das radioaktive Kohlenstoffatom mit der Bezeichnung C-14. Dieser radioaktiven Kohlenstoff ist - in sehr geringen Mengen - überall. In jeder Pflanze, jedem Tier, jedem Mensch - alles was Kohlenstoff enthält, enthält auch eine geringe Menge an C-14. Da er radioaktiv ist, zerfällt er im Laufe der Zeit, aber die kosmische Strahlung liefert ja immer neues C-14 nach. Erst wenn ein Lebewesen stirbt, wird kein neues C-14 mehr eingebaut und das kann man nutzen, um zum Beispiel das Alter eines archäologischen Fundstücks zu bestimmen, in dem man einfach misst, wie viel C-14 noch da ist. Diese Radiokarbonmethode ist aber nur eines von sehr viel mehr Beispielen, wie die kosmische Strahlung uns wichtige Daten liefert. Wenn wir Meteoriten untersuchen, können wir bestimmen, wie lange sie durchs All geflogen sind, weil die während der ganzen Zeit von kosmische Strahlung bombardiert worden sind. Die kosmische Strahlung der Sonne hilft uns dabei zu verstehen, was in ihrem Inneren passiert, und so weiter. Die kosmische Strahlung ist natürlich auch eine Gefahr für uns. Nicht so sehr am Erdboden, da schützt uns unser Atmosphäre ziemlich gut. Aber auf jeden Fall, wenn wir uns längere Zeit im Weltall aufhalten - oder auch nur zu oft und zu lange hoch in der Luft mit einem Flugzeug fliegen. Es ist also, kurz gesagt, absolut verständlich, wenn die Wissenschaft sich sehr viel Mühe gibt, die kosmische Strahlung zu erforschen. Das kann man entweder direkt im All mit entsprechenden Detektoren machen. Oder aber auch vom Erdboden aus. Bis dahin gelangt, wie ich gerade erklärt habe, die kosmische Strahlung zwar meistens nicht, weil sie zuvor mit irgendwelchen Teilchen der Atmosphäre kollidiert. Aber wenn das passiert, dann gibt es sogenannte "Teilchenschauer". Stickstoff- und Sauerstoffatome zerbrechen - oder, um das auch mal gesagt zu haben: Es findet "Spallation" statt, wie der Prozess in der Wissenschaft offiziell heißt. Es werden Neutronen frei, Protonen; es bilden sich Pionen - das sind Teilchen, die nur ein paar Sekundenbruchteile stabil sind, bis sie wieder zerfallen und wenn sie das tun, wird Energie in Form von Licht frei und es entstehen andere Teilchen, zum Beispiel Elektronen und Myonen, die - vereinfacht gesagt - wie Elektronen sind, nur mehr Masse haben und ebenfalls nur ein paar Sekundenbruchteile stabil sind, bevor auch sie wieder in weitere Teilchen zerfallen. Ein einziges Teilchen der kosmischen Strahlung das am oberen Ende der Erdatmosphäre auf ein Atom der Luft trifft, kann so einen ganzen Schauer aus anderen Teilchen auslösen, die wieder andere Teilchen erzeugen, und so weiter. Das Teilchen der kosmischen Strahlung selbst können wir vom Erdboden aus dann nicht mehr registrieren. Aber die ganzen anderen Teilchen, die im Schauer produziert worden sind und wir können auch die kurzen Lichtblitze sehen, die entstehen, wenn bei den Zerfällen Energie frei wird. Natürlich nur mit entsprechenden Messinstrumenten, aber es geht. Und wenn wir es richtig anstellen, dann können wir aus der Energie des Lichts und der Zusammensetzung des Schauers bestimmen, wie viel Energie das ursprüngliche Teilchen der kosmischen Strahlung gehabt hat. Je mehr Energie es hat, desto schneller ist es unterwegs. Und desto mehr Wumms hat es auch bei einer Kollision. Hier spielt die berühmteste Erkenntnis von Albert Einstein eine Rolle: E=mc². Energie ist Masse mal Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Ein einzelnes Proton hat nicht viel Masse. Aber ein Proton mit sehr viel Energie kann genau so viel Wumms haben wie ein Objekt mit sehr viel mehr Masse. Und damit auch einen anderen Teilchenschauer auslösen als eines mit weniger Energie. Und genau da wird es interessant. Denn die Energie hat das Proton ja nicht von irgendwoher. Die Energie stammt von dem Prozess, der es überhaupt erst zur kosmischen Strahlung gemacht hat, es also ins All geschleudert hat. Die Teilchen die von unserer Sonne kommen haben vergleichsweise wenig Energie. Stammt ein Proton von einer Supernova-Explosion, dann hat es schon mehr Energie und wird es vielleicht sogar vom gigantischen supermassereichen schwarzen Loch im Zentrum einer fernen Galaxie auf den Weg gebracht, dann kann es sehr viel mehr Energie haben. Wenn wir wissen, wie viel Energie so ein Teilchen hat, dann haben wir auch eine gute Idee, wo es her kommt und wie es produziert worden ist. Hier auf der Erde kommt natürlich der überwiegende Teil der kosmischen Strahlung von der Sonne. Aber ein - sehr kleiner, aber vorhandener - Teil der kosmischen Strahlung kommt von außerhalb des Sonnensystems, sogar von außerhalb der Milchstraße. Das sind die Teilchen die die höchste Energie haben. Aber die Energie eines Teilchens kann nicht beliebig hoch sein. Viel Energie heißt ja, eine hohe Geschwindigkeit. Oder andersrum: Wird ein Proton enorm stark beschleunigt, dann hat es zwangsläufig auch eine hohe Energie. Das ist an sich noch kein Problem. Aber stellen wir uns mal so ein Teilchen vor, dass da irgendwo fern im All enorm stark beschleunigt wird und beginnt, durch den leeren Raum zu sausen. Der aber natürlich nicht leer ist, denn da sind ja überall Lichtteilchen der kosmischen Hintergrundstrahlung. Das ist etwas anderes als die kosmische Strahlung, und die Details könnt ihr in Folge 316 nachhören. Aber die Hintergrundstrahlung ist das, was - sehr vereinfacht gesagt - an Energie vom Urknall übrig geblieben ist. Diese Energie, in Form von Lichtteilchen, ist überall im Universum zu finden und normalerweise wäre es kein Problem für die Protonen der kosmischen Strahlung, wenn da ein paar Lichtteilchen in der Gegend rumschwirren. Es kann aber zum Problem werden, wenn das Proton zu schnell unterwegs ist. Um das im Detail zu erklären, bräuchte man sehr viel Zeit, das hat nämlich einerseits mit der Quantenmechanik zu tun, andererseits auch mit der Relativitätstheorie. Es kommt ja immer darauf an, aus welcher Sicht man die Sache betrachtet. Aus Sicht des Protons sind es die Teilchen der Hintergrundstrahlung, die sich auf es zubewegen. Und was passiert mit Licht, das sich schnell von einem Beobachter weg oder in dem Fall auf den Beobachter, also das Proton, zubewegt? Seine Frequenz verschiebt sich, das ist das, was wir als Dopplereffekt kennen. Das Proton sieht also Lichtteilchen mit enorm viel Energie, und das hat Konsequenzen. Wie gesagt, in Wahrheit ist das alles sehr viel komplexer, aber belassen wir es mal dabei: Wenn sich ein Teilchen der kosmischen Strahlung enorm schnell bewegt, dann kann es auf eine Art mit den Lichtteilchen zusammenstoßen, die sonst nicht passieren kann. Bei diesen hochenergetischen Kollisionen verliert das Proton dann relevante Mengen an Energie (und ändert auch die Richtung). Oder anders gesagt: Teilchen mit geringer Energie kommen relativ unbeschadet durch die kosmische Hintergrundstrahlung. Teilchen mit hoher Energie kollidieren mit ihr und verlieren Energie, so dass sie dann auch eine geringe Energie haben. Und nochmal anders gesagt: Das bedeutet, dass es eine gewisse theoretische Obergrenze gibt, für die Energie eines Teilchens der kosmischen Strahlung, die wir beobachten können. Das nennt man den GZK-Cutoff, nach den Physikern Kenneth Greisen, Georgi Sazepin und Wadim Kusmin, die das in den 1960er Jahren ausgerechnet haben. Es ist keine harte physikalische Grenze, das ganze hängt ja davon ab, wie lange die Teilchen unterwegs sind. Sollte zum Beispiel die Sonne ein Proton mit enorm hoher Energie raushauen, dann hat das auf dem kurzen Weg zur Erde kaum Möglichkeit mit der Hintergrundstrahlung zu kollidieren. Aber die Sonne kann halt auch nicht beliebig hochenergetische Protonen produzieren; dazu braucht es andere Prozesse, die aber eben wieder nur weit entfernt, bei großen schwarzen Löchern und so weiter passieren. Und von dort aus ist der Weg länger bis zu uns. Ab circa einer Distanz von 100 Millionen Lichtjahren ist es quasi ausgeschlossen, dass die kosmische Strahlung kollisionsfrei zu uns kommt. So, uns jetzt sind wir endlich wieder beim 15. Oktober 1991 in der Wüste von Utah. Da hat die "Fly's Eye Camera", einen Teilchenschauer detektiert, der auf ein Teilchen der kosmischen Strahlung mit wirklich viel Energie hindeutet. Also WIRKLICH viel Energie. Wenn man davon ausgeht, dass es sich um ein Proton gehandelt hat, was ja extrem wahrscheinlich ist, dann muss es eine Energie von 320 Exa-Elektronenvolt gehabt haben. Da kann man sich nicht viel vorstellen, aber das bedeutet zum Beispiel, dass es mit 99, 999 999 999 999 999 999 999 51 Prozent der Lichtgeschwindigkeit unterwegs war. Die Masse, die so einer Energie entspricht ist die eines Bakteriums. Nur dass ein Bakterium absurd viel größer als ein einzelnes Proton ist! Rechnet man die Exa-Elektronenvolt in Joule um, dann hat das Proton eine Energie von 51 Joule, was nicht viel klingt, aber der Bewegungsenergie entspricht, die ein Golfball bei einer Geschwindigkeit von 170 km/h hat. Nur das eben kein Golfball war, sondern ein einzelnes Proton! Die normale kosmische Strahlung hat Energien, die zehn Milliarden Mal geringer ist. Vor allem aber liegt die Energie dieses Teilchens vom 15. Oktober 1991 über dem GZK-Cutoff, sowas sollte es also eigentlich nicht geben. Es ist also verständlich, dass dieses spezielle Teilchen nicht mehr einfach nur "Teilchen" genannt wird, sondern einen Namen bekommen hat. Und zwar "Oh My God Particle", weil ein Mitglied des Forschungsteams spontan "Oh my God", also quasi "Ach du meine Güte" gerufen hat, als man die Energie berechnet hat. So oder so: Dieser Name hat sich durchgesetzt und wird mittlerweile auch in der Wissenschaft verwendet. Aber noch viel spannender als der Name ist ja die Frage: Wo kommt das Ding her und warum hat es so viel Energie? Und die Antwort darauf lautet leider: Das wissen wir nicht. In der Richtung des Himmels, aus der es gekommen ist, gibt es nicht wirklich etwas, was so was produzieren könnte. Das müsste dann schon das aktive Zentrum einer fernen Galaxie sein, also ein richtig gewaltiges schwarzes Loch im Zentrum so einer Galaxie, das jede Menge Material aus seiner Umgebung durch die Gegend schleudert. Und es müsste gleichzeitig eine aktive Galaxie sein, die wir bisher noch nicht beobachtet haben. Es könnte aber auch ein Hinweis auf einen neuen Aspekt der Physik sein, den wir noch nicht kennen. Vielleicht verstehen wir das erst, wenn wir eine Theorie der Quantengravitation haben, also auch die Gravitation nicht nur durch die Relativitätstheorie erklären können, sondern auch durch die Quantenmechanik. Vielleicht gibt es da draußen auch astrophysikalische Prozesse, die wir noch nicht kennen und ab und zu schleudert da etwas enorm schnelle Protonen durch die Gegend. Dieses etwas ist dann vielleicht nicht in einer fernen Galaxie sondern etwas näher, so dass das Teilchen nicht so viel Energie auf dem Weg verliert. Vielleicht ist es auch etwas ganz anderes. Das Universum ist halt wirklich sehr groß. Und auch nur ein einzelnes Teilchen darin zu verstehen, kann enorm schwer sein.
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Apr 18, 2025 • 16min

Sternengeschichten Folge 647: Marie Tharp, die Plattentektonik und die Berge im Ozean

Und sie bewegt sich doch (im Inneren) Sternengeschichten Folge 647: Marie Tharp, die Plattentektonik und die Berge im Ozean Unsere Erde ist ein einzigartiger Planet. Es ist der einzige uns bekannte Planet, auf dem es Leben und sogar intelligentes Leben gibt. Es ist der einzige uns bekannte Planet, auf dem Leben überhaupt möglich ist. Das wird sich mit Sicherheit in Zukunft ändern; wir werden Planeten bei anderen Sternen finden, die zumindest in der Theorie ebenfalls lebensfreundliche Bedingungen bieten. Aber auch jetzt schon können wir aus dem, was wir über die Ursachen für die Lebensfreundlichkeit der Erde wissen, Rückschlüsse darüber ziehen, wie häufig solche erdähnlichen und lebensfreundlichen Planeten im Universum sind: Nämlich nicht sehr häufig. Auch wenn anderswo im Universum einige "zweite Erden" sein mögen: Unsere Erde bleibt ein besonderer Ort. Und einer der vielen Gründe, der die Erde so lebensfreundlich, so besonders macht, ist die Tatsache, dass hier Plattentektonik existiert. Dass das so ist, wissen wir noch gar nicht so lange, wie man denken würde. Und DASS wir es wissen, haben wir auch der Arbeit der amerikanischen Geologin Marie Tharp zu verdanken. Mit "Plattentektonik" bezeichnet die Wissenschaft das Phänomen, dass die äußerste Schicht der Erde nicht eine einzige, durchgängige Kugelschale ist. Sondern aus vielen großen und kleinen Stücken besteht, den Kontinentalplatten. Durch die Dynamik im Inneren der Erde bewegen sich diese Platten und das Resultat sind Erdbeben, Vulkanausbrüche, die Bildung von Gebirgen, und so weiter. Die Bewegung der Kontinentalplatten ist aber auch mit ein Grund, warum die Erde überhaupt lebensfreundlich für uns. Die Details würden in dieser Folge zu weit führen, aber die Plattentektonik ist zum Beispiel wichtig, um das Klima zu stabilisieren. Vulkanismus bringt CO2 aus dem Erdinneren in die Atmosphäre, das dann im Gestein gebunden wird, das wiederum durch das Absinken der Kontinentalplatten ins Erdinnere zurück kommt. Dieser langfristige CO2-Kreislauf ist wichtig, um die Erde lebensfreundlich zu halten; die Bildung von Kontinenten und ihr Auseinanderbrechen hat jede Menge unterschiedliche Lebensräume geschaffen, die Evolution beeinflusst, Nährstoffe und Chemikalien recycelt, und so weiter. Ohne Plattentektonik wäre die Erde nicht der Planet, der sie ist und wir würden mit Sicherheit nicht auf ihr leben. Wenn wir wissen wollen, was Planeten lebensfreundlich macht und wo wir sinnvollerweise anderswo im Universum mit Leben rechnen können, dann müssen wir uns auch mit der Plattentektonik beschäftigen. Und das macht die Geologie ja auch sehr intensiv. Das macht die Geophysik, das macht die Astro-Biologie, und so weiter. Aber bevor all diese Forschung stattfinden hat können, hat man erst einmal darauf kommen müssen, dass so etwas wie Plattentektonik überhaupt existiert. Und das mit der Plattentektonik hat übrigens nicht Alfred Wegener erfunden, wie man vielleicht glauben könnte. Wegener, der deutsche Meteorologe hat im Jahr 1915 seine Theorie der Kontinentaldrift veröffentlicht. Darin hat er festgestellt, dass die Umrisse der Kontinente ähnlich aussehen, so ähnlich, dass das eigentlich kein Zufall sein kann. Heute weit voneinander entfernte Kontinente wie Afrika und Südamerika waren früher nicht getrennt, so Wegener. Sondern alle Teil eines riesigen Kontinents, der irgendwann auseinander gebrochen ist. Die Bruchstücke sind dann auseinander gedriftet, bis die Erde dann so ausgesehen hat, wie sie heute aussieht. Das Problem war nur: Alfred Wegener konnte nicht sagen, warum das alles passiert und welcher Mechanismus dafür sorgt, das Kontinente auseinanderbrechen und voneinander weg driften. Und unter anderem deswegen hat sich diese Idee auch nicht durchgesetzt. Solche Mechanismen wurden dann aber bald entwickelt, zum Beispiel vom österreichischen Geologen Otto Ampferer. Er stellte sich das Innere der Erde dynamisch vor, mit Strömen aus geschmolzenen Gestein, die zur Bewegung der Kontinentalplatten führen. Auch andere entwickelten ähnliche Ideen, aber trotzdem hat sich diese Theorie der Plattentektonik nicht wirklich durchsetzen können. In der Geologie war die Mehrheit immer noch vom "Fixismus" überzeugt, also der Ansicht, dass sich die Kontinente eben nicht bewegen. Wenn, dann gibt es höchstens ein bisschen Bewegung in vertikaler Richtung, dh. die Erdkruste kann sich zum Beispiel aufwölben. Gebirge und ähnliches sind entstanden, weil sich die Erde im Laufe der Zeit abgekühlt hat und dabei geschrumpft ist. Dabei ist die Kruste ein bisschen zerbrochen, hat sich ein bisschen verschoben, und so weiter. Aber die enorme Dynamik, die im Inneren der Erde abläuft und an der Erdoberfläche für die Bewegung von Kontinenten sorgt, für Erdbeben und Vulkanausbrüche und so weiter: Die hat man abgelehnt. Das war so bis in die 1960er Jahre; erst durch die Arbeit der amerikanischen Geologin Marie Tharp ist - buchstäblich - Bewegung in die Sache gekommen. Marie Tharp wurde am 30. Juli 1920 geboren. Ihre Mutter war Lehrerin für Deutsch und Latein, ihr Vater ein Gutachter für das Landwirtschaftsministerium, der deswegen durch die ganze USA gezogen ist, um Böden zu kartieren. Seine Familie ist ihm gefolgt und Marie hat ihm bei der Arbeit geholfen und so schon von Kindheit an gelernt, wie man Karten erstellt. Ihr Vater hat ihr auch gesagt, dass sie im Leben nach einer Arbeit suchen soll, die sie gerne hat. Während ihres Studiums an der Universität Ohio ist Marie das aber schwer gefallen. Sie hat ihr Hauptfach ständig geändert, mal Englisch, mal Musik, mal Mathematik, aber als Frau hatte man damals nicht viele Möglichkeiten: Lehrerin, Sekretärin und Krankenschwester waren die Optionen für Marie Tharp und nichts davon hat ihr Spaß gemacht. Aber dann, im Jahr 1941, hat Japan den amerikanischen Stützpunkt Pearl Harbor angegriffen, die USA sind in den zweiten Weltkrieg eingetreten und auf einmal gab es jede Menge Jobs, die niemand mehr machen konnte, weil die Männer alle im Krieg waren. Also mussten die Frauen die Lücken füllen und eine dieser Lücken fand Marie Tharp in der Geologie. Mit einem Studium der Geologie könne man, so die Werbung der Uni, danach einen Job in der Erdölindustrie kriegen. Also studierte Tharp Geologie und bekam einen Job bei einer Ölfirma. Aber der hat ihr auch nicht so wirklich großen Spaß gemacht. Also ging sie nach New York, um dort nach größeren Herausforderungen zu suchen. Im Amerikanischen Museum für Naturgeschichte, wo sie es zuerst versucht hat, hat sie die nicht gefunden. Aber dafür an der Columbia Universität. Dort arbeitete der Geophysiker William Maurice Ewing, der durchaus überrascht von ihrer vielseitigen Ausbildung war. Aber nicht beeindruckt genug, um sie auch entsprechend einzusetzen. Er hat sie als Zeichnerin eingestellt, die basierend auf den Daten der Geologen Karten und ähnliches erstellt. Im Laufe der Zeit waren es dann aber vor allem die Daten eines Geologen, die sie fast ausschließlich bearbeitet hat: Bruce Heezen, der fast gleichzeitig mit Marie Tharp an der Universität Colombia zu arbeiten anfing. Und nein, das wird jetzt keine Liebesgeschichte; Tharp und Heezen haben tatsächlich nur zusammengearbeitet, nicht mehr. Und was haben die beiden so gearbeitet? Sie haben Daten gesammelt und ausgewertet. Oder besser gesagt: Heezen hat Daten gesammelt, denn die Daten um die es geht, sind Tiefenmessungen der Ozeane. Dafür muss man mit einem Schiff übers Meer fahren, und das durfte Tharp nicht, weil sie eine Frau war. Ihr Job war es, aus den Daten von Heezen und jeder Menge Messungen anderer Leute herauzufinden, wie der Grund des Ozeans aussieht. Damals dachte man noch, dass da nicht viel zu sehen ist. Am Grund der Meere ist mehr oder weniger eine Ebene, ohne besondere Eigenschaften. Ok, hier und da gibt es ein paar Aufwölbungen, ein paar Gebirge, wenn man so will. Das bisschen an Daten, dass man bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gesammelt hatte, haben zum Beispiel gezeigt, dass sich da mitten durch den Atlantik, von Nord nach Süd, eine Zone zieht, wo der Ozean nicht ganz so tief ist. Aber unter dem Wasser sollte es definitiv nicht aussehen wie am Land. Die Auswertung der Daten war gar nicht so einfach. Ein Schiff konnte damals nur per Echolot die Tiefe messen. Und auch nur die Tiefe an genau dem einen Punkt, an dem man eben gerade misst. Ein Schallsignal wird durchs Wasser geschickt und dann wartet man, bis es wieder zurück kommt. Aus der Zeit die es dauert, bis der Schall am Ozeanboden reflektiert wird, kann man dann die Tiefe bestimmen. Tharp hatte also Unmengen solcher Einzelmessungen, verteilt über das Meer, immer dort wo die Schiffe gerade lang gefahren sind. Aber irgendwann hatte sie einen Schwung mehr oder weniger komplette Profile an Messungen, einmal quer über den Atlantik, von Ost nach West. Sechs Stück insgesamt, also vereinfacht gesagt, sechs Linien, die anzeigen, wie tief der Atlantik entlang dieser sechs Linien ist. Dort hat sie dann das gesehen, was man schon wusste: Nämlich dass sich in der Mitte eine Erhebung befindet. Sie hat aber auch entdeckt, dass in der Mitte des Gebirges eine Art tiefes Tal ist. Das war neu. Marie Tharp war überzeugt, dass es sich um einen Grabenbruch handelt. Heezen hielt das für Quatsch und hat die Sache mit dem Grabenbruch als "girl Talk" bezeichnet, also als "Frauengeschwätz". Um den Grund für diese Ablehnung zu verstehen, muss man wissen, was es bedeutet, wenn da wirklich ein Grabenbruch wäre. So ein Grabenbruch ist im Wesentlichen eine tiefe Spalte, die dort entsteht, wo die Erdkruste gedehnt wird. Und was kann die Erdkruste dehnen? Plattentektonik, war Tharp überzeugt. Dort, wo neues Material, wo Magma aus dem Inneren der Erde nach oben steigt, muss ein Riss entstehen, der die links und rechts davon gelegenen Platten auseinanderschiebt. So entsteht ein Grabenbruch und wenn sich sowas im Atlantik befindet, dann wäre das ein starker Beleg dafür, dass Plattentektonik tatsächlich existiert. Heezen war aber, so wie fast alle in der Geologie damals, Anhänger des Fixismus und hat alles abgelehnt, was nach Plattentektonik aussah. So oder so: Die beiden haben weiter Daten gesammelt und Karten gezeichnet. Sie durften aber keine exakten Karten mit Höhenlinien zeichnen. Beziehungsweise durften sie das schon, aber die hat die amerikanische Navy als geheim eingestuft, also konnten sie nicht veröffentlich werden. Also haben Tharp und Heezen angefangen, physiographische Karten zu zeichnen. Das sind Karten, die die Erdoberfläche so zeigen, wie sie zum Beispiel aus einem tief fliegenden Flugzeug aussieht. Also Karten, die die physischen Eigenschaften der Landschaft zeigen, wo man Erhebungen erkennt, und auch die Landschaftsformen und Strukturen. Solche Karten kennt man aus jedem Atlas; es sind die Karten, auf denen man sofort die Gebirge, Wälder und Wüsten sieht und die sich nicht mit den politischen Grenzen der Länder aufhalten. In der Zwischenzeit hatte Tharp auch Gesellschaft im Büro bekommen. Howard Foster, dessen Aufgabe es war, Daten von tausenden Erdbeben in Karten einzuzeichnen. Dabei bemerkten die beiden, dass sich die Erdbeben genau dort ereignen, wo Tharp in ihren Karten die Grabenbrüche lokalisiert hat. Mittlerweile war auch Heezen überzeugt von den Grabenbrüchen und der Plattentektonik und die Übereinstimmung mit den Erdbeben war ein weitere Beleg dafür, dass die Plattentektonik real ist. 1956 wurde die erste Karte des Atlantiks der beiden veröffentlicht, aber die Arbeit war noch lange nicht vorbei. Noch mehr Daten wurden eingearbeitet, aus dem Mittelmeer, dem indischen Ozean, und so weiter. Außerdem gab es Streit zwischen Bruce Heezen und William Maurice Ewing, dem Chef der Abteilung. Ewing konnte Heezen nicht rauswerfen, weil der eine unkündbare Stelle an der Uni gehabt hat. Also wurde stattdessen und ungerechterweise einfach Marie Tharp gefeuert. Aber Heezen hatte noch Forschungsgelder von der Navy, mit denen er Tharp bezahlen konnte, die jetzt eben nicht mehr an der Uni sondern von zuhause aus gearbeitet hat. Die schönste Karte des Meeresbodens wurde 1975 veröffentlicht: Das National Geographic Magazin hatte sie in Auftrag gegeben und dafür eine Zusammenarbeit von Tharp und Heezen mit Heinrich Berann angeregt. Der österreichische Grafiker hatte einen ganze eigenen Stil entwickelt, Panoromakarten der österreichischen Alpen zu zeichnen - und wer schon mal in Österreich Skifahren war und sich die Karten mit der Übersicht über die Pisten angesehen hat, hat dort genau diesen Stil gesehen - der nicht nur wissenschaftlich sondern auch künstlerisch eindrucksvoll war. Die fertige Karte sieht auch heute noch beeindruckend in ihrer Ästhetik aus, auch wenn wir mittlerweile natürlich sehr viel mehr wissen als damals. Aber all die Karten, die Marie Tharp gemeinsam mit Bruce Heezen und später mit Heinrich Berann gezeichnet und veröffentlicht hat, haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich im Laufe der 1960er Jahre die Meinung der wissenschaftlichen Gemeinschaft geändert hat. Heute zweifelt kaum noch jemand daran, dass Plattentektonik stattfindet. Marie Tharp hat das später so beschrieben: "Ich denke, unsere Karten haben zu einer Revolution im geologischen Denken beigetragen, die in gewisser Weise mit der kopernikanischen Revolution vergleichbar ist. Wissenschaftler*innen und die breite Öffentlichkeit erhielten erstmals ein relativ realistisches Bild eines riesigen Teils des Planeten, den sie selbst nie sehen konnten. Die Karten wurden breit rezipiert und weit verbreitet. Sie brachten die Theorie der Kontinentaldrift in den Bereich rationaler Spekulation. Man konnte den weltumspannenden mittelatlantischen Rücken sehen – und erkennen, dass er mit Erdbeben zusammenfiel. Die Grenzen der Platten wurden sichtbar, was rasch zur umfassenderen Theorie der Plattentektonik führte." Und heute wissen wir auch, welche wichtige Rolle Marie Tharp dabei gespielt hat. Damals ist der Ruhm im Wesentlichen Bruce Heezen zugefallen und die Arbeit von Tharp wurde ignoriert. Aber auch darüber ist sie nicht unglücklich gewesen. 1999, 7 Jahre vor ihrem Tod am 23. August 2006 hat sie einen Artikel über ihr Leben und ihre Arbeit mit folgenden Worten beendet: "Ich habe den Großteil meiner wissenschaftlichen Laufbahn im Hintergrund gearbeitet, aber ich hege absolut keinen Groll. Ich fand, ich hatte großes Glück, einen so interessanten Beruf zu haben. Die Entdeckung des Grabenbruchs und des mittelozeanischen Rückens, der sich über 40.000 Meilen um die ganze Welt zieht – das war etwas Bedeutendes. So etwas kann man nur einmal entdecken. Größer als das kann man auf diesem Planeten nichts finden."
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Apr 15, 2025 • 3min

Sternengeschichten LIVE in Eschweiler und München und ein Hörbuch

Kommt zur Live Show Sternengeschichten LIVE in Eschweiler und München und ein Hörbuch Hallo liebe Hörerinnen und Hörer, Ich hab euch im Dezember schon mal außerhalb der üblichen Folgen Bescheid gesagt, dass es im Jahr 2025 eine Sternengeschichten Live Show geben wird. Und genau so ist es! Die ersten Premieren sind erfolgreich absolviert und die die Show ist soweit gediehen und verfeinert, dass sie - wie ich völlig objektiv sagen kann - wirklich toll ist! Es gibt spannende Geschichten über Astronomie, natürlich. Aber es gibt auch ein paar Experimente; ich zeige, wie die Astronomie die Welt retten kann, wenn es mal nötig wird. Ich zeige euch, wie das Universum schmeckt und es gibt bei jeder Show eine exklusive Sternengeschichte, die nur an diesem einem Abend zu hören sein wird und bei jeder Show wird es natürliche eine andere Geschichte sein. Die nächsten Shows finden am 26. Mai in Eschweiler und am 4. Juni in München statt und es gibt noch ein paar Karten. Die findet ihr unter sternengeschichten.live, genau so wie Karten für die weiteren Shows die dann ab Herbst überall in Deutschland stattfinden werden. Und wenn es noch keine Show an einem Ort in eurer Nähe gibt, dann wird sich das sicherlich ab 2026 ändern. Ich würde mich sehr freuen, euch bei den Auftritten zu sehen! Das ist das beste an diesen Shows - endlich sehe ich auch mal, wer den Podcast so hört! Beim letzten Mal habe ich außerdem noch erwähnt, dass im März 2025 das "Sternengeschichten" Hörbuch erscheinen wird. Auch das ist mittlerweile passiert. 50 Geschichten aus dem Podcast, gekürzt, erweitert, modifiziert, und so weiter, damit es einen roten Faden gibt, plus ein paar ganz neue Geschichten, die es nicht im Podcast gegeben hat und alles natürlich neu aufgenommen. Das ganze gibt es als Hörbuch überall dort zu hören, wo man Hörbücher hören will; ihr könnt es aber auch als echtes, physisches Objekt kaufen, d.h. als mp3-CD, mit einem schönen Booklet, Bildern, usw, das man unabhängig vom Internet hören kann. Und das war es auch schon wieder. Ich freu mich, wenn wir uns bei einer meiner Liveshows sehen werden. Ich freu mich vor allem, wenn ihr weiterhin den Podcast hört und ihn so gerne hört, wie ihr ihn bisher gehört habt. Viel Spaß mit den kommenden Folgen Bis bald, im Podcast oder Live! Tickets für die Sternengeschichten-Liveshow: https://sternengeschichten.live/ Hörbuch "Sternengeschichten": https://www.penguin.de/buecher/florian-freistetter-sternengeschichten/hoerbuch-mp3-cd/9783844553062 Wer die Sternengeschichten finanziell unterstützen möchte, kann das hier tun: Mit PayPal (https://www.paypal.me/florianfreistetter), Patreon (https://www.patreon.com/sternengeschichten) oder Steady (https://steadyhq.com/sternengeschichten)
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Apr 11, 2025 • 10min

Sternengeschichten Folge 646: Coatlicue - die Mutter der Sonne

Solare Ahnenforschung Sternengeschichten Folge 646: Coatlicue - die Mutter der Sonne Wie ist die Sonne entstanden? Die kurze Version und die, die man fast immer irgendwo zu hören bekommt geht so: Zuerst war da eine große kosmische Wolke aus Gas und diese Wolke ist dann irgendwann kollabiert, zum Beispiel weil sich in der Nähe ein Stern vorbei bewegt hat oder ein älterer Stern in der Umgebung explodiert ist. Das hat das Gleichgewicht der Wolke gestört und sie ist unter ihrem eigenen Gewicht in sich zusammengefallen. Das Gas hat sich verdichtet, so sehr, dass irgendwann die Kernfusion eingesetzt hat und ein Stern entstanden ist. Und diese Erklärung ist nicht falsch. Aber sie lässt sehr viel aus und sehr viel davon ist sehr interessant. Zwischen dem Kollaps der Wolke und der fertigen Sonne passiert noch jede Menge, auf das möchte ich heute aber nicht eingehen - über diese Prozesse habe ich auch schon in jeder Menge anderer Folgen gesprochen. Heute geht es um das, was vor dem Kollaps der Wolke passiert ist beziehungsweise um das, was dazu geführt hat, dass die Wolke kollabiert ist. Es geht also um Dinge, die vor der Geburt der Sonne passiert sind, also gewissermaßen um die Vorfahren unserer Sonne. Zuerst aber müssen wir eine Angelegenheit klären: Wie um Himmels Willen soll man so etwas erforschen? Das ist alles ja schon Milliarden Jahre her. Wir können ja nicht in der Zeit zurück reisen und wir können nicht einmal in der Zeit zurück schauen, was in der Astronomie ja tatsächlich geht. Aber auch nur, wenn wir gleichzeitig in die Ferne schauen. Wenn wir Objekte betrachten, deren Licht Milliarden Jahre zu uns gebraucht hat, dann sehen wir sie auch so, wie sie vor Milliarden von Jahren ausgesehen haben. Aber das geht bei der Sonne nicht. Die ist ja keine Milliarden Lichtjahre entfernt sondern direkt hier, bei uns. Also: Wie wollen wir rausfinden, was in der Vergangenheit passiert. Das ist nicht einfach, aber nicht unmöglich. Denn die Vergangenheit hat Spuren hinterlassen, zum Beispiel in Form von sogenannten kurzlebigen Radionukleiden. So bezeichnet man radioaktive Elemente, deren Halbwertszeit weniger als 100 Millionen Jahren beträgt. Die werden überall im Universum bei diversen astrophysikalischen Prozessen erzeugt und sind daher auch überall. Und weil das Zeug überall ist, war es auch in der Wolke aus der die Sonne entstanden ist. Und wir finden diese Elemente auch heute noch in den Meteoriten, die ja die Überbleibsel aus der Zeit der Entstehung des Sonnensystems sind. Sie sind das Material, aus dem keine Planeten entstanden sind; das nicht Teil der Sonne geworden ist und wir können aus der Untersuchung der Meteoriten Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Wolke ziehen, aus der Sonne und Sonnensystem entstanden ist. Wir finden in den Meteoriten zum Beispiel das Element Iridium 129 und wir finden es in ziemlich genau der Menge, in der es auch überall sonst in der Milchstraße zu finden ist. Das ist wenig überraschend; das ist genau das, was man erwarten würde. Es gibt aber andere Elemente, bei denen das nicht so ist. Aluminium 26 zum Beispiel oder Eisen 60. Von denen finden wir mehr, als man erwarten würde. Das bedeutet, dass das nicht einfach Material ist, das halt einfach schon da war, als das Sonnensystem entstanden ist, weil diese Elemente halt überall in der Milchstraße zu finden sind. Das bedeutet, dass Elemente wie Aluminium 26 oder Eisen 60 nicht allzu lange vor der Geburt der Sonne nochmal lokal entstanden sind. Oder anders gesagt: Bevor die kosmische Wolke zur Sonne kollabiert ist, müssen Prozesse abgelaufen sein, die nochmal frisches Aluminium 26 und Eisen 60 produziert haben. Was sind das für Prozesse? Wir wissen, dass diese Elemente zum Beispiel bei Supernova-Explosionen gebildet werden können, also dann, wenn ein massereicher Stern sein Leben explosiv beendet, nachdem in seinem Inneren die Kernfusion aufgehört hat. Und lange Zeit war das auch die übliche Erklärung: Eine Supernova hat in der Umgebung der kosmischen Wolke stattgefunden und dort die ganzen kurzlebigen Radionukleide reingepustet. Das ist nicht unrealistisch, aber wenn man das alles im Detail durchrechnet, dann gibt es Probleme. Um die beobachteten Mengen an Aluminium 26 und Eisen 60 in die kosmische Wolke zu bringen, müsste so eine Supernova in so geringer Entfernung zur Wolke stattfinden, dass dadurch die Entstehung neuer Sterne massiv behindert wird. Weil so eine Supernova-Explosion kann zwar den Kollaps einer Wolke und damit die Sternentstehung auslösen. Findet sie zu nah an der Wolke statt, kann sie aber auch, vereinfacht gesagt, das Gas der Wolke so aufheizen und in der Gegend verteilen, so dass keine Sterne daraus entstehen können. Das ganze muss also anders stattgefunden haben und bevor wir uns anschauen, wie das ausgesehen haben könnte, müssen wir noch einen wichtigen Punkt klären. Ich habe bis jetzt immer gesagt: Die Wolke kollabiert und daraus entsteht die Sonne. Und das ist auch richtig, aber es entsteht nicht nur die Sonne. Diese Wolken sind riesig und aus ihrem Kollaps entsteht weit mehr als nur ein Stern. Die Sonne hat hunderte oder tausende Geschwister; aus dem Kollaps sind jede Menge Sterne entstanden. Das ist wichtig, wenn wir verstehen wollen, wie das damals alles abgelaufen ist. Angefangen hat alles mit einer Riesenmolekülwolke, also einer enorm großen kosmischen Wolke, die vor allem aus Wasserstoff besteht. Und "enorm groß" heißt hier, dass die Wolke durchaus ein paar hundert Lichtjahre groß gewesen sein kann. Dort entstehen jede Menge massereiche Sterne, die so heiß brennen, dass sie schon nach ein paar Millionen Jahren ihren Brennstoff für die Kernfusion aufgebraucht haben und als Supernovae explodieren. Dabei produzieren diese Sterne unter anderem jede Menge Eisen 60, dass sich in der Umgebung verteilt. Gleichzeitig regen die Supernova-Explosionen die Entstehung neuer Sterne an, weil sie weiteres Gas der Wolke zum kollabieren bringen. Es entsteht ein Sternhaufen, also jede Menge eng benachtbarte Sterne von denen mindestens einer wirklich groß ist, also eine Masse hat, die größer als die 32fache Masse der Sonne ist. So ein großer Stern hat auch einen massiven Sternwind, dass heißt, er schleudert ständig Material aus seinen äußeren Schichten hinaus ins All. Und zu dem Material, dass solche großen Sterne ständig hinaus ins All pusten, gehört auch Aluminium 26. Gleichzeitig sorgen die Sternwinde dafür, dass das Wasserstoffgas in der Wolke verdichtet wird. Wir haben nun also in der Umgebung dieser Riesensterne schalenartige Strukturen aus verdichteten Wasserstoff, in denen sich einerseits das Eisen 60 von den Sternen vom Anfang befindet und andererseits das Aluminium 26 aus den Sternwinden der großen Sterne, die danach gekommen sind. Und aus diesen verdichteten Bereichen entstehen nun noch einmal neue Sterne, und einer davon ist unsere Sonne. Man kann das alles entsprechend im Computer modellieren und schauen, wie viele Sterne jeweils entstehen müssen, wann wie viele Sterne zur Supernova werden müssen, wie viele große Sterne mit Sternwind es braucht, und so weiter und dann prüfen, welche Konfiguration am besten geeignet ist, um die beobachteten Mengen an Eisen 60 und Aluminium 26 im Sonnensystem zu erklären. Das Ergebnis sieht dann so aus: Die Sonne ist, wenn man so will, die Enkelin eines Sternenkomplexes aus ein paar zehntausend massereichen Sternen. Sie ist die Tochter eines sehr massereichen Sterns, der Teil eines Sternhaufens war, der um die 1200 Sterne beinhaltet hat. Und die Sonne selbst ist gemeinsam mit ungefähr 600 Geschwistern entstanden. Und natürlich hat man sich auch schon einen Namen für die "Mutter der Sonne" überlegt, also diesen Stern mit mehr als 32 Sonnenmassen, der mit seinem Sternwind das Aluminium 26 erzeugt hat, das wir heute in den Meteoriten beobachten und das Wasserstoffgas so verdichtet hat, dass daraus später die Sonne mit ihren Geschwistern entstehen hat können. Matthieu Gounelle und Georges Meynet, die beiden Forscher die dieses Modell entwickelt haben, haben ihm den Namen "Coatlicue". Wörtlich übersetzt bedeutet das "Die mit dem Schlangenrock" und es ist der Name einer aztekischen Göttin. Einer Göttin, die unter anderem die Mutter des aztekischen Sonnengottes ist. Die Mutter unserer Sonne existiert allerdings nicht mehr. Coatlicue ist schon vor Milliarden von Jahren als Supernova explodiert. So große Sterne leben nicht lange, weil die Kernfusion in ihrem Inneren so enorm schnell abläuft. Aber ihre kleine Tochter, die Sonne, hat zum Glück ein viel längeres Leben vor sich.
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Apr 4, 2025 • 13min

Sternengeschichten Folge 645: Das Wassermannzeitalter

Von Himmelsmechanik zur Astrologie Sternengeschichten Folge 645: Das Wassermannzeitalter "This is the dawning of the Age of Aquarius". Diese Textzeile aus einem Lied des bekannten Musicals "Hair" haben vermutlich die meisten schon mal gehört. Genau so wie den Begriff "Wassermannzeitalter", die deutsche Übersetzung von "Age of Aquarius". Und man muss nicht sonderlich viel Ahnung haben, um zu erkennen, dass es dabei um Astrologie geht, immerhin heißt es ja auch im Text des Liedes zum Beispiel "wenn der Mond im siebten Haus steht und Jupiter sich an Mars ausrichtet, dann wird Friede die Planeten leiten". Und keine Sorge - ich werde hier jetzt keine Podcastfolge über ein Hippie-Musical aus dem Jahr 1968 machen. Aber die Sache mit dem Wassermannzeitalter taucht auch außerhalb der Musiktheater immer wieder auf und hat, trotz der Astrologie, einen wissenschaftlichen Hintergrund. Wenn wir wissen wollen, was es mit dem Wassermannzeitalter auf sich hat, müssen wir zuerst klären, was der Frühlingspunkt ist. Den Begriff habe ich schon in diversen Folgen immer wieder erwähnt, weil es sich um ein durchaus grundlegendes Konzept in der Astronomie handelt. Stellen wir uns dazu die Erde vor. Die Erdkugel hat einen Äquator und wir können uns vorstellen, dass wir diesen Äquator auf den Himmel projizieren. Dann läuft, parallel zum Äquator der Erde eine Linie einmal rund um den Himmel und diese Linie ist der Himmelsäquator. Er teilt den Himmel in einen nördlichen und einen südlichen Bereich und das ist es auch, was gemeint ist, wenn man zum Beispiel sagt, dass Cassiopeia oder der große Bär Sternbilder am Nordhimmel sind oder das Kreuz des Südens sich am Südhimmel befindet. Wir wissen außerdem, dass sich die Erde um die Sonne bewegt. Von der Erde aus betrachtet erscheint es uns aber natürlich so, als würde sich die Sonne bewegen und die Erde stillstehen. Und mit "Bewegung der Sonne" meine ich jetzt nicht, dass die Sonne morgens über dem Horizont aufgeht, bis Mittags am Himmel immer weiter nach oben wandert und dann am Abend wieder hinter dem Horizont verschwindet. Diese scheinbare Bewegung ist das Resultat der Tatsache, dass sich die Erde einmal pro Tag um ihre Achse dreht. Es geht um etwas anderes: Wir können zwar keine Sterne sehen, wenn die Sonne am Himmel steht, aber sie sind natürlich trotzdem da. Stellen wir uns jetzt vor, wir messen jeden Tag die Position der Sonne am Himmel, immer zum selben Zeitpunkt, zum Beispiel genau zu Mittag. Würden wir diese Position in einen Karte des Himmels eintragen, dann würden wir merken, dass sich die Sterne im Hintergrund im Laufe der Zeit langsam verändern. Das ist auch logisch, weil sich der Blickwinkel verändert, unter dem wir die Sonne betrachten. Stellen wir uns vor, wir machen einen Spaziergang, einmal um ein kleines Dorf rundherum. In der Mitte des Dorfes steht eine Kirche, das ist die Sonne. Wir selbst sind die Erde und so wie die Erde sich um die Sonne bewegt, bewegen wir uns einmal rund um das Dorf mit dem Kirchturm. Wenn wir alle paar Minuten Rast machen und zum Kirchturm schauen, werden wir bemerken, dass sich der Hintergrund ändert, weil sich unsere Position geändert hat. Genau so ändern sich die Sterne, die wir im Hintergrund der Sonne sehen könnten, wenn wir sie jeden Tag beobachten. Das ist alles noch recht einfach zu verstehen, sowohl beim Spaziergang als auch bei der Sonne. Und wenn wir jetzt eine Linie in unsere Sternkarte zeichnen, die die scheinbare Position der Sonne im Laufe eines Jahres vor dem Hintergrund der Sterne angibt, dann ist das die sogenannte "Ekliptik". Sie läuft, wie der Himmelsäquator, einmal um den ganzen Himmel rundherum. Die Eklitik zeigt uns die scheinbare Bahn der Sonne an, die sie in einem Jahr zurück legt, beziehungsweise ist die auf den Himmel projizierte Bahnebene, in der sich die Erde um die Sonne bewegt. Wenn wir das alles machen, also einmal die Ekliptik in die Karte einzeichnen und dann auch noch den Himmelsäquator, dann werden wir merken, dass beide Linien nicht übereinstimmen. Das würden sie nur dann tun, wenn die Erdachse exakt senkrecht auf die Ebene der Erdbahn steht. Das tut sie aber nicht: Die Rotationsachse der Erde ist um gut 23,5 Grad aus der Senkrechten gekippt. Und deswegen ist auch der Himmelsäquator um genau diese 23,5 Grad gegenüber der Ekliptik gekippt. Und DAS bedeutet: Es gibt nur zwei Punkte, in denen sich diese beiden Kreise schneiden. Diese beiden Punkte sind etwas besonderes. Erinnern wir uns: Die Ekliptik gibt uns die scheinbare Position der Sonne am Himmel der Erde an. Eine Hälfte des Jahres bewegt sich die Sonne in dem Teil der Ekliptik, der sich über der Linie des Himmelsäquators befindet; in der anderen Hälfte des Jahres auf dem Teil, der unter dem Himmelsäquator verläuft. Wenn wir die Sonne über dem Himmelsäquator sehen, dann ist sie auch lange zu sehen; die Tage dauern lange; länger als die Nacht und wir haben Sommer. Im anderen Fall ist es umgekehrt und es ist Winter. Aber wenn sich die Sonne genau in den Schnittpunkten zwischen Himmelsäquator und Ekliptik befindet, dann sind Tag und Nacht exakt gleich lang. Diese beiden Tagen im Jahr, wo das passiert, markieren den Anfang des Frühlings und den Anfang des Herbst. Und den einen Punkt, wo die Sonne von unterhalb des Himmelsäquators kommt, nennen wir den Frühlingspunkt, weil es der Tag ist, an dem der astronomische Frühling beginnt. Diesen Punkt haben wir in der Astronomie außerdem als Nullpunkt eines der wichtigen Himmelskoordinatensystem gewählt. Wir brauchen da ja Koordinaten, die unabhängig von der Bewegung und der Rotation der Erde sind, ansonsten würden sich die Koordinaten der Sterne andauernd verändern. Also definiert man ein Koordinatensystem, das sich mit der Erde mitbewegt und der Frühlingspunkt ist da ein super Nullpunkt. Nur dass der Frühlingspunkt nicht wirklich ein Nullpunkt ist. Wo genau sich der Frühlingspunkt befindet, hängt davon ab, in welche Richtung die Erdachse zeigt. Die ist zwar immer um genau 23,5 Grad aus der Senkrechten geneigt, beziehungsweise verändert sich dieser Wert nur wenig. Aber die Richtung am Himmel in die die geneigte Achse zeigt, ist nicht fix. Das hat schon der griechische Gelehrte Hipparch vor mehr als 2000 Jahren festgestellt, als er alte Koordinatenangaben von Sternen aus der Zeit der Babylonier mit seinen eigenen, neueren Messungen verglichen hat. Heute wissen wir, dass er recht gehabt hat: Die Erdachse dreht sich: Der Punkt auf den sie am Himmel zeigt, verändert sich im Lauf der Zeit. Aktuell zeigt die Erdachse mit ihrem nördlichen Ende fast genau in Richtung des Polarsterns. Aber in der Vergangenheit hat sie anderswo hin gezeigt und in Zukunft wird sie anderswohin zeigen. Der Punkt auf den sie zeigt, beschreibt einen kleinen Kreis am Himmel. Und wenn man jetzt eine gute Vorstellungskraft hat - oder sich entsprechende Bilder im Internet ansieht - kann man erkennen, was das für Auswirkungen hat. Wenn sich die Ausrichtung der Erdachse verändert, verändert sich auch der Ort, an dem die Ekliptik und der Himmelsäquator einander schneiden. Oder anders gesagt: Während der Punkt an den die Erdachse am Himmel zeigt einen kompletten Kreis durchläuft, läuft auch der Frühlingspunkt einmal um den ganzen Himmel herum. Wie gesagt: Das ist alles echte Astronomie; das wissen wir seit der Zeit von Hipparch; wir wissen heute auch, warum die Erdachse das macht (das liegt daran, dass die Erde keine exakte Kugelform hat und an der Anziehungskraft des Mondes) und wir wissen, dass es circa 25.800 Jahre lang dauert, bis der Frühlingspunkt einmal um den Himmel gelaufen ist. Wir müssen das berücksichtigen, wenn wir Positionsangaben in der Astronomie machen und ältere Koordinatenangaben entsprechend umrechnen, wenn wir sie mit aktuellen Daten vergleichen. Mit Astrologie hat das alles noch nichts zu tun. Die kommt erst ins Spiel, wenn man sich ansieht, wo am Himmel der Frühlingspunkt zu bestimmten Zeiten zu sehen ist. Wenn wir zum Beispiel nachsehen, wo sich Himmelsäquator und Ekliptik zur Zeit schneiden, dann tun sie das dort, wo wir auch das Sternbild der Fische sehen können. Früher, in der Antike, war das aber nicht so. Damals hat sich der Frühlingspunkt im Sternbild des Widders befunden. Anders gesagt: Wenn heute der Frühling (auf der Nordhalbkugel) beginnt, sehen wir die Sonne vor dem Hintergrund der Sterne, die das Sternbild Fische bilden; damals war zur selben Zeit im Hintergrund das Sternbild des Widders zu sehen. Und in Zukunft wird sich der Hintergrund natürlich wieder ändern; ich habe ja gerade vorhin erklärt, dass der Frühlingspunkt einmal in 25.800 Jahren um den ganzen Himmel herum läuft. Das nächste Sternbild, in dem wir den Frühlingspunkt beobachten werden könne, ist das des Wassermanns. Und DAS ist es, was die Astrologie mit diesen Zeitaltern meint. Das Wassermannzeitalter beginnt, wenn der Frühlingspunkt das Sternbild der Fische verlässt und ins Sternbild des Wassermanns eintritt. Und was passiert dann? Nichts natürlich - aber Astrologie und Esoterik haben natürlich jede Menge obskure Vorstellungen. Das Zeitalter der Fische sagen sie zum Beispiel, hat begonnen, als sich das Christentum vor gut 2000 Jahren etabliert hat; immerhin ist ja der Fisch auch das Zeichen der Christen. Das Wassermannzeitalter wird dann einen neuen radikalen Wandel des menschlichen Denkens bringen; Materialismus wird enden, alles wird spiritueller, freier, und so weiter. Das Zeitalter des Monotheismus ist vorbei, der Mensch wird wieder im Mittelpunkt stehen, aber in seiner spirituellen-göttlichen Form. Und so weiter - man kann da jede Menge Interpretationen finden. Und wann ist es so weit? Tja - das ist das Problem. Das lässt sich nicht sagen. Denn dafür müssten sich alle einig darüber sein, wo die Grenzen der Sternbilder am Himmel liegen. Nimmt man die von der Astronomie offiziell definierten Grenzen, dann wird das Wassermannzeitalter irgendwann um das Jahr 2600 beginnen. Das findet die Astrologie aber doof, die hat ja sowieso ihre eigenen Sternbilder, die nichts mit den realen Sternbildern zu tun haben. Und je nachdem, welcher astrologischen Schule man anhängt, kann man das Wassermannzeitalter schon früher oder später beginnen lassen. Vielleicht kommt es Mitte des 22. Jahrhunderts. Vielleicht erst 2200 oder überhaupt erst im Jahr 3600. Oder vielleicht hat es auch schon längst begonnen. Je nachdem, wo man fragt, hat es nämlich schon 2008, 1997, 1962, 1950 oder 1900 begonnen. Wie gesagt: Aus astronomischer Sicht ist es nicht weiter bemerkenswert, wenn sich die Position des Frühlingspunktes verschiebt. Das ist normal, das macht der Frühlingspunkt seit es die Erde gibt. Die Erde bewegt sich um die Sonne, die Erdachse bewegt sich und deswegen sehen wir immer einen anderen Sternenhintergrund, wenn wir am Himmel in Richtung Frühlingspunkt schauen. Dass wir irgendwann angefangen haben, diese zufällig verteilten Hintergrundsternen zu Figure zu ordnen, ist wieder eine ganz andere Sache. Der Frühlingspunkt kann nichts dafür, dass er mal vor dieser und mal vor jener Figur zu sehen ist.

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