
carls zukunft der woche
Wir bringen die Zukunft ins Gespräch. Inspirierend, überraschend, anregend, belebend. Jede Woche hat Zukunftsforscher Michael Carl bemerkenswerte Menschen zu Gast: Expert:innen, Innovator:innen, Gründer:innen, die alle ein Stück unserer Zukunft prägen. So entsteht Stück für Stück ein lebendiges Bild einer wahrscheinlichen und attraktiven Zukunft.
Mehr über Zukunft, Michael Carl und unser Institut auf https://carls-zukunft.de
Latest episodes

Oct 5, 2023 • 42min
#175 Carla Glassl – Carbon Capture, was sonst?!
Wir haben letztlich keine Wahl. Natürlich müssen wir den CO2-Ausstoß auf Null bringen. Natürlich muss das schnell gehen. Aber um eines kommen wir nicht umhin: Das CO2, das sich bereits in der Atmosphäre befindet, zu reduzieren. Sagt Carla Glassl. Die Molekularbiologin und Datenspezialistin ist eine der Gründerinnen von Ucaneo. Das Berliner Startup entwickelt Technologien, um CO2 aus der Luft abzuscheiden. Carla argumentiert: Wir müssen. Wir können auch, mehrere Technologien stehen bereit. Wir werden über Kosten und Aufwand sprechen müssen. Dafür gibt es einen entscheidenden Hebel, den CO2-Preis. Sobald dieser in einer angemessenen Höhe angesetzt ist, steht auch das Geschäftsmodell. Das gängige Problem von CO2-Abscheidung: Der Maßstab. Bisherige Lösungen sind ok, aber vor allem viel zu klein, um im globalen Maßstab irgendeinen Unterschied zu machen. Ucaneo strebt nach mehr. 0,5 Gigatonnen CO2 will das Startup bis 2030 aus der Luft nehmen. Das entspricht dem Lebensgewicht aller Menschen heute zusammen. Um dieses Ziel realistisch erreichen zu können, setzt Carla auf dezentrale Lösungen. Ucaneo strebt Container an, die seriell produziert werden können, einer nach dem anderen. Der Prozess wird anfänglich noch nicht sehr effizient sein. Das dezentrale Vorgehen bietet aber gerade die Chance, unterwegs zu lernen. Auch wenn die Webseite von Ucaneo nicht nicht wirklich informativ ist, erhält das Startup laufend Anfragen von Unternehmen der chemischen und produzierenden Industrie. War lange Erdgas gesetzt als Kohlenstoffquelle für Produkte aller Arten, beginnt hier ein Wettbewerb: Wer kann ausreichend Kohlenstoff bereit stellen? Wie gesagt: Wir haben letztlich keine Wahl. Sagt Carla. Zu Gast: Carla Glassl, Molekularbiologin und Datenspezialistin, eine der Gründerinnen von Ucaneo

Sep 28, 2023 • 49min
#174 Andrea Vetter - Degrowth: Was kommt nach dem Wachstum?
Müssen wir eigentlich vor einem ausbleibenden Wachstum Angst haben? Einer Rezession, also dem Rückgang des Bruttoinlandsprodukt BIP? Der Chor der medialen Lautsprecher scheint stets einsatzbereit. Der Wirtschaft geht es schlecht, das Wachstum lahmt - das scheint der schlimmste aller möglichen Zustände zu sein. Andrea entgegnet: Ganz im Gegenteil, wenn wir vor etwas Angst haben müssen, dann vor immer mehr Wachstum. Andrea Vetter befasst sich schon seit zehn Jahren mit dem Thema Postwachstum. Sie sagt: Wenn wir alles immer weiter wachsen lassen, fahren wir alles an die Wand. Natürlich: Unter heutigen Bedingungen führt eine Rezession dazu, dass es insbesondere diejenigen schwer haben, die ohnehin kämpfen müssen. Das alleine, so Andrea, taugt aber nicht als Argument, weiter am Zielbild Wachstum festzuhalten. Wachstum ist trügerisch. Eine Gesellschaft, die sich vorrangig auf die Steigerung des BIP konzentriert, gibt sich quasi ständig selbst das Versprechen: “Morgen wird es uns besser gehen. Klage nicht, arbeite!“. Morgen nicht eingelöst? Na, dann müssen wir uns vielleicht mehr anstrengen, dann übermorgen...Spannend: Das BIP war ursprünglich ein Maß für die Kriegswirtschaft, später für die Bemessung der Mitgliedsbeiträge der Vereinten Nationen. Als Maßstab für Glück und Wohlstand einer Gesellschaft taugt es nicht und sollte es auch nie taugen. Dennoch nutzen wir es dafür, obwohl wir jeden Tag sehen, dass Wachstum und Wohlstand nicht Hand in Hand gehen. Jedenfalls nicht für alle in der Gesellschaft. Worauf aber sollen wir uns fokussieren, wenn schon nicht das schön einfache BIP? Andrea argumentiert, dass wir keinen neuen Indikator brauchen, schon gar nicht nur einen einzigen. Sie zeichnet stattdessen eine Gesellschaft, in der Menschen miteinander aushandeln, was sie möchten und was ihnen gut tut. Anstrengend? Ja. Aber, so Andrea, weit weniger anstrengend als das Hamsterrad der Wachstumsgesellschaft.Zu Gast: Dr. Andrea Vetter schreibt, forscht, erzählt, organisiert, lehrt und macht Apfelmus für einen sozial-ökologischen Wandel; häufig für, mit und im Haus des Wandels (Steinhöfel, Ostbrandenburg), für die Zeitschrift Oya und im Beirat des Konzeptwerk Neue Ökonomie (Leipzig).Bücher von Andrea: https://www.junius-verlag.de/Programm/Zur-Einfuehrung/Degrowth-Postwachstum-zur-Einfuehrung.htmlhttps://www.versobooks.com/en-gb/products/2620-the-future-is-degrowthhttps://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5354-0/konviviale-technik/?number=978-3-8394-5354-4Alle Links und Medien aus dem Gespräch:Beutel statt Held: https://think-oya.de/buch/am-anfang-war-der-beutel.htmlZur "imperialen Lebensweise": https://aufkostenanderer.org/Plattform, mit vielen Ideen, wo jede einzelne Person jetzt anfangen kann: https://waswirtunkoennen.jetzt/Tausende Geschichten, Portraits und Reportagen über Menschen und Orte, die kooperativ leben und wirtschaften: https://oya-online.de/Buch von Eva von Redecker - BleibefreiheitDie Folge mit Marcel Fratzscher: Wohlstand statt Wachstum

Sep 21, 2023 • 37min
#173 Fabian Eckert – RECUP: Noch mal voll machen bitte!
320.000 Einwegbecher, nur in Deutschland, nur Coffee to go. Pro Stunde. Jede Stunde. Macht im Jahr knapp 3 Milliarden. Plus Essen, plus dine in, plus Kaltgetränke, plus … Verpackungen für Essen und Trinken können wir. Gerade einmal ein Prozent davon sind inzwischen Mehrwegbecher. Fabian Eckert, einer der Gründer von Recup erwartet: Bis Ende des Jahrzehnts wird diese Quote auf 40% steigen. Mehr nicht? Antwort: Es dauert.Dabei ist die Lage leicht beschrieben: Auch wenn Mehrwegbecher wie bei Recup ebenfalls aus Plastik sind, gereinigt, transportiert und ggf. ersetzt werden müssen, spätestens nach zehn Einsätzen lohnt es sich für die Umweltbilanz. Das Erstaunliche ist: Auch wirtschaftlich ist Mehrweg für Cafes & co attraktiver. Fabian sagt: Wer heute noch auf Einweg setzt, investiert direkt in die Produktion von Müll. Praktischer Hinweis: Wer in seinem Lieblingscafé künftig Mehrwegbecher sehen will, muss dem Gastronomen seiner Vorliebe nur vorrechnen, wie sich ein Mehrwegsystem quasi unmittelbar rechnet.Als Fabian die Idee an der Uni entwickelt hat, hielt sein Professor sie noch für zu klein. Ihn aber ließ das Thema nicht los. Durch Zufall hat eine Münchner Politikerin ihn mit seinem heutigen Mitgründer zusammengebracht. Sie hatten beide am selben Tag mit der Politikerin telefoniert, um ihr Thema stark zu machen. Stattdessen bekamen sie zur Antwort: Ihr solltet mal miteinander reden. Das taten sie. Und dann haben sie Klinken geputzt. Erst in Rosenheim, inzwischen bundesweit. Und Fabian sagt: Heute herrscht eine völlig andere Awareness für das Thema vor als noch vor zwei, drei Jahren.Recup leistet Pionierarbeit und bereitet den Markt. Und wenn eines Tages ein Großer der Branche umschwenkt, den Markt schluckt und Recup verdrängt? Dann laden Fabian und Team zu einem großen Fest, denn ihr Ziel ist erreicht.Der Mehrweg-Podcast mit Fabian Eckert von Recup. Nach Gebrauch bitte reinigen und zurückgeben.Zu Gast: Fabian Eckert, Gründer und Geschäftsführer von RECUP

Sep 14, 2023 • 40min
#172 Mario Buchinger – Erfolg ist auch Gift
Die Physik hält sich nicht an Mehrheiten. Auch nicht an kulturelle Überzeugungen. Da kann Ulf „911“ Poschardt noch so markig schreiben, einen Elektromotor im Auto könne jeder bauen, nur der Verbrenner sei Hochkultur. Mario Buchinger nennt das „Toxische Destruktivität“. Der Natur ist eine solche Haltung schlicht egal. Mario analysiert: Die deutsche Autoindustrie hat sich über Jahre auf ihren Erfolgen ausgeruht - und schlimmer noch: Sie hat die ausgelacht, die es anders gemacht haben. Das rächt sich jetzt, denn eine spätere Transformation wird immer teurer. Erfolg ist auch Gift. Mario treibt Veränderung. Dabei trägt er drei Herzen in der Brust: Mario ist Musiker, Naturwissenschaftler und Unternehmer. Was springt zuerst an, wenn es um Veränderung geht? Der Musiker. Veränderung ist kreativ, ist Gestaltung. Und um das Offensichtliche auch noch aufzuschreiben: Transformation ist positiv. Wir stellen möglicherweise auch die falschen Fragen. Warum streiten wir über Akzeptanz für Klimaschutz und nicht um Akzeptanz für fossile Modelle? Die fossile Lobby jedenfalls tut derzeit alles, um die nötige Transformation zu bremsen. Mario sagt: Die Lobbyisten der fossilen Industrie wissen genau, was sie tun. Und sie lügen. Zwar haben sich die Lügen geändert; aus der platten Leugnung der Klimakrise sind heute Botschaften über angebliche Wundertechnologien geworden. CCS wird CO2 aus der Atmosphäre binden, efuels, Wasserstoff. Die verheißungsvollen Versprechen der Wundertechnologien suggerieren: Du musst dein Leben nicht verändern. Das macht die Botschaft so attraktiv. Gleichzeitig hält es die beschäftigt, die - so wie Mario und Michael - daran arbeiten, evidenzbasiert die Grundlagen und Rahmenbedingungen von Transformation zu klären. Sollen wir insgesamt positiv in die Zukunft schauen? Mario sagt: Die Transformation ist möglich, aber gefährdet. Es reicht nicht, auf die Überzeugungstäter zu setzen. Wir müssen zeigen, dass Transformation hin zu einer nachhaltigen und klimagerechten Wirtschaft sich lohnt. Es rechnet sich wirtschaftlich, monetär und es bildet sich ein Wettbewerbsvorteil: Transformation und Veränderung sind Innovationstreiber.Ob die Transformation in Europa gelingt, wird vor allem eine Frage des Tempos sein. China, Südkorea, Japan, selbst die USA erneuern sich gerade in einem ganz anderen Tempo als Europa. Die Frage unseres Wohlstand ist also nicht der Erhalt - sondern der Wandel. Wer da immer noch im gestern klebt, behindert den Wohlstand von heute und morgen. Zu Gast: Dr. Mario Buchinger, Physiker, Spezialist für Veränderungsfähigkeit, Musiker, Autor, Gründer & Eigentümer von Buchinger|KuduzDer RestartThinking-Podcast von Buchinger|Kuduz

Sep 7, 2023 • 44min
#171 Jan Bredack von Veganz – Gedruckte Hafermilch und andere Innovationen
Ein DIN A4-Umschlag im Briefkasten, darin ein paar Blätter Hafermilch. Wasser dazu, kurz in den Mixer - jeder Bogen gibt einen halben Liter Biomilch bester Qualität. Konservierungsstoffe? Fehlanzeige, wozu auch? Veganz treibt die nächste große Revolution der Ernährung voran: Nahrungsmittel ohne Wasser. Wenn - egal welche - Milch rund 90% Wasser enthält, warum sollten wir dieses Wasser verarbeiten, transportieren, lagern und im Einzelhandel damit die Regale und Einkaufswagen füllen? Und wenn das mit Milch geht, warum dann nicht auch mit Fleisch? Auch das Produkt ist bereits im Handel: 500g veganer Fleischersatz trocken, gibt 1,5 kg beste Fleisch- und Proteinqualität für sehr kleines Geld.Jan Bredack ist Kopf und Gründer von Veganz. Das Team tritt an, das Thema Nahrung im großen Maßstab neu aufzustellen. Jan argumentiert: Ernährung ist für knapp ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich; ein Mehrfaches des Themas Mobilität zum Beispiel. Wer wirkungsvoll an das Klima ran will, kommt um die Ernährung nicht herum.Ein Problem dabei: Die Datenlage. Solange wir im Supermarkt einzig erfahren, woher die Tomaten, Gurken, Trauben kommen, erhalten wir regelmäßig ein schiefes Bild. Veganz treibt das Gegenbild: Alle relevanten Informationen erheben, sortieren und an die Verbraucher:innen weitergeben. Das ist in Teilen Pionierarbeit, diese Daten zu erheben und aufzubereiten. Jan ist allerdings überzeugt: Auch die etablierten Großunternehmen der Branche verfügen über alle klimarelevanten Daten. Sie geben sie nur nicht weiter. Transparenz würde auch zu Fragen führen: Warum erzeugen wir Tomaten dort, wo es zwar Sonne, aber kaum Wasser gibt? Etc.Veganz sucht aktiv nach Optionen, Proteine verträglicher und effizienter zu erzeugen. Gemeinsam mit einem Fraunhofer Institut haben sie eine „Schwarze Halle“ entwickelt. Ein Bau ohne Fenster, der in beliebigem Umfeld - ob Wüste oder Frost - hoch effizient und hoch reine Proteine erzeugen kann. Wo sich die ganzen Indoor-Farming-Startups der vergangenen Jahre an Salat und Kräutern versucht haben, zielt Veganz auf Erbse und erzielt ein vielfaches der Erntemengen, die auf Feldern möglich sind. Start in Kürze.Zu Gast: Jan Bredack, Kopf und Gründer von VeganzDie beiden Folgen, die Michael im Podcast erwähnt, sind:-> Folge 161 Jeremy Bartosiak-Jentys – The end of sugar is nigh-> Folge 144 Marina Lommel - Personalisierte Ernährung: Heißhunger auf Daten

Aug 31, 2023 • 49min
#170 Martin Doppelbauer – Mit E-Autos lassen wir nichts anbrennen
Hier ist die Zukunft zur Abwechslung einmal völlig klar: Der PKW der Zukunft ist elektrisch und er nimmt seinen Strom aus einer Batterie. Punkt aus. So wird es auf Jahrzehnte sein. Sagt Martin Doppelbauer, Professor für hybridelektrische Fahrzeuge am KIT. Keine andere Antriebslösung ist überlegen, keine andere im Massenmarkt verfügbar, weder jetzt noch auf absehbare Zeit. Martin sagt: Wer Brennstoffzellen in PKW oder gar Wasserstoff propagiert, wer auf eFuels oder Biofuels setzt, betreibt Augenwischerei. Wer so argumentiert, will letztlich nur Verwirrung stiften, um auf diese Weise noch eine Weile länger konventionelle Verbrenner verkaufen zu können. Das mag man noch so vornehm „Technologieoffenheit“ nennen. Technologieoffenheit ist notwendig in der Forschung, in der Vorentwicklung in der Industrie. Aber sobald der Weg klar ist, ist Technologieoffenheit nur ein Synonym für Entscheidungsschwäche. Und da ist Martin sehr klar: Bei Antrieben im PKW ist die Perspektive so klar, dass keine Entscheidung sogar schlimmer wäre als eine falsche. Auch wenn der Elektromotor bereits 200 Jahre alt ist und im Industriebereich spätestens in den 80er Jahren als ausentwickelt galt, sind in den letzten Jahrzehnten erstaunliche Entwicklungen gelungen. Noch vor 15 Jahren verfügte die Automobilindustrie im Grunde über keine Kompetenz beim Thema Elektromotor. Seitdem hat sie nicht nur aufgeschlossen, sondern Motoren entwickelt, die völlig anders aussehen und um den Faktor 100 besser sind als die Industriemotoren in Rolltreppen und Pumpen der 80er Jahre. Was damals ein großer Kühlschrank war, ist heute nur noch so groß wie eine Melone. Diese Entwicklung wird sich nicht erheblich weiter fortsetzen lassen. Die nächsten Schritte erwartet Martin beim Thema Batterie. Damit endgültig ist dann auch das Reichweitenthema erledigt. Auch wenn das, Martin berichtet ausführlich von seinen Erfahrungen und dem Anpassungsprozess an Batterie-elektrisches Fahren, im Grunde heute schon Geschichte ist.Martin räumt mit Mythen auf: Elektroautos fangen schnell Feuer. Nein, Verbrenner gehen erheblich häufiger in Flammen auf. Spätestens, wenn die Festkörperbatterie in Serie geht, ist das Elektroauto kaum noch entflammbar. Die Batterie braucht so viel Wasser bei der Herstellung. Stimmt: Rund 80.000 Liter. Die Herstellung von Benzin und Diesel braucht allerdings so viel Wasser, dass ein Verbrenner im Laufe der Nutzung sehr viel mehr als nur 80.000 Liter Wasser benötigt. Aber der Strom?! 2/3 des Stroms, den wir für eine vollelektrische PKW-Flotte in Deutschland benötigen würden, brauchen wir heute schon: Für die Herstellung von Benzin und Diesel. Und wie lang hält die Batterie? Inzwischen deutlich länger als das Auto drum herum. Kleiner Nebenschauplatz: Da PKW immer größer werden, geht der faktische Benzinverbrauch in Deutschland nicht zurück. Er steigt sogar, auf inzwischen 7,9 Liter pro 100 km. Überraschend: In der Schweiz fahren tendenziell noch größere Autos; sie fahren über sehr viel mehr Bergstrecken, müssten also einen höheren Verbrauch haben. Allerdings hat die Schweiz ein Tempolimit - und der Durchschnittsverbrauch beträgt nur 6,1 Liter. Martin rechnet vor: Ein Auto mit Tempo 160 benötigt so viel Leistung wie vier (!) Autos, die mit Tempo 100 fahren. Martin hat ein Strategiepapier verfasst, in dem er die unterschiedlichen Antriebsarten im Detail miteinander vergleicht. Es steht hier. Die Folge "carls zukunft der woche" mit Heiner Monheim trägt die Nummer 80 und findet sich u.a. hier: https://www.carls-zukunft.de/podcast-80/Zu Gast: Martin Doppelbauer, Professor für hybridelektrische Fahrzeuge am Karlsruhe Institut für Technologie

Aug 24, 2023 • 40min
#169 Sigi Lieb – Let's talk about Selbstbestimmung, Baby
Erregung gefällig? Also nicht solche. Oder ist es gerade doch solche? Reden wir über Sex, Gender und darüber, wie wir darüber reden. Spätestens dann ist Stimmung in der Bude. Und jetzt sollen Menschen auch noch selbst bestimmen können, wer und wie sie sind. Genügend Hormone im Raum für einen Podcast. In diesem ist Sigi Lieb ist zu Gast. Sie stellt sich freiwillig in dieses Feuer, schreibt Bücher und berät zum Thema Gender und Gendern.Das Grundprinzip der Evolution ist: Varianz ist gut, Varianz verspricht Entwicklung, Varianz führt zu besseren Lösungen. Warum verspüren wir ausgerechnet beim Geschlecht den Reflex, diese Vielfalt abzuwerten? Gar den vermeintlichen Anfängen zu wehren und Schulen gendersensible Sprache zu untersagen? Sachsen und Sachsen-Anhalt sind gerade dem unglücklichen Vorbild von Schleswig-Holstein gefolgt. Sigi argumentiert, das Problem beginne schon bei der Komplexität der Genderthematik. Natürlich gibt es auf der alleruntersten Ebene nur zwei Geschlechter, Hoden oder Eierstöcke. In der Welt gab es aber schon immer jede Menge individuelle Variationen davon - weit mehr als der erste Blick im Kreißsaal zwischen die Beine des neugeborenen Kindes verspricht. Das beginnt schon in der Biologie, hinzu kommen soziale, kulturelle und weitere Ebenen. Die Vielfalt ist immer schon Realität, bleibt nur die Frage, ob wir ihr Raum geben. Wer einen Crashkurs in die Varianten zwischen Inter-, Trans und weiterer Sexualitäten sucht, wird in den ersten zehn Minuten des Podcasts bereits fündig werden.Zurück zur Sprache: Das eigentliche Sprachthema ist gar nicht der vertraute Streit um Binnen-I, -stern oder -doppelpunkt. Wer einmal verstanden hat, woher das Bedürfnis kommt, in der Sprache mitgemeint zu sein, wird den nötigen Respekt schon aufbringen können. Sigi betont: Das viel wichtigere Thema mit der Sprache liegt darin, überhaupt Begriffe zu finden für das, was Individuen empfinden. Denn nur das, wofür wir einen Begriff haben, das können wir auch benennen, überhaupt sehen und schließlich besprechen.Wie aber gehen wir miteinander um? Wie sind die Lösungen für die Umkleideräume, die Saunen, die Einträge beim Meldeamt? Sigi votiert für mehr Sensibilität. Hören wir einander zu, dann werden wir in den meisten Fällen herausfinden, wie es allen am besten geht. Michael befindet sich bei der Aufnahme gerade in den USA, umgeben von sehr unversöhnlichen und in Teilen aggressiven Diskussionen um gesellschaftliche Werte. Warum sollten wir optimistisch in die Zukunft schauen? Schaffen wir es, eine besonnene und umsichtige Gesprächskultur zu entwickeln oder gleiten wir ab in das Gekreische, das uns von rechts angeboten wird? Sigi erinnert an die auch harten Debatten in der Bundesrepublik der 70er Jahre. Trotz aller ideologischer Gräben waren Politik und Gesellschaft damals in der Lage, so etwas wie der Beutelsbacher Konsens zu formulieren. Der legt für Schulen unter anderem fest: Was in der Gesellschaft kontrovers ist, muss es in Schulen auch sein, auf dass Kinder lernen, mit gesellschaftlichen Konflikten umzugehen. Kurzum: Wir konnten das. Wir können das wieder.Zu Gast: Sigi Lieb, Soziologin, Beraterin und Trainerin für inklusive, geschlechtersensible und diskriminierungsarme Kommunikation. Twitter: @gespraechswertDas aktuelle Buch von Sigi heißt Alle(s) Gender: Wie kommt das Geschlecht in den Kopf?Ihr Blog steht hier: https://www.gespraechswert.deDas erwähnte Buch von Pierre Bourdieu: Die männliche Herrschaft

Aug 17, 2023 • 40min
#168 Marcel Fratzscher - Wohlstand statt Wachstum
Das waren doch gute Jahre. Viele gute Jahre. Warum sollten wir etwas verändern wollen? Können wir nicht einfach unsere Welt aus den 10er Jahren wiederhaben? Bitte? Marcel Fratzscher sagt: Seien wir ehrlich zu uns. Wir haben nicht die Wahl, ob wir uns verändern oder ob nicht. Wir können einzig entscheiden, ob wir unseren Wunsch nach Stabilität etwas zurückschrauben und unser Streben nach Perfektion gegen eine Trial&Error-Haltung auswechseln. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Andere Länder werden sich transformieren, allen voran China und die USA. Damit werden auch viele gute Jobs, Arbeit und Wohlstand abwandern. Letztlich müssen wir uns trotzdem transformieren, haben aber das Problem zwischenzeitlich noch vergrößert. Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Ein zentraler Gedanke, den wir im Podcast diskutieren: Es kann nicht mehr um reines Wachstum gehen. Wir brauchen eine neue Perspektive: Wohlstand. Wirtschaftswissenschaft und Politik sind viel zu sehr auf das Wachstum, das Bruttoinlandsprodukt fixiert. Allerdings betont Marcel, hier messe man ganz enges Feld, das herzlich wenig mit Wohlstand direkt zu tun hat. Dafür ist es einfach und damit verlockend. Einfache Botschaften, einfache Kennzahlen sind viel einfacher zu transportieren: „Wir müssen das Wachstum maximieren!“ Wohl wissend, dass das nicht das Ziel sein kann. Marcel verweist auf den Wiederaufbau im Ahrtal. Auf dem Papier ein gewaltiges Wirtschaftswachstum in der Region. Nur Wohlstand entsteht dabei nicht, wir laufen nur zerstörtem Wohlstand hinterher. Die Komplexität von Wohlstand macht es allerdings schwierig, sich der Frage zu stellen, was Menschen, Wirtschaft und Gesellschaft wirklich gut tut. Marcel sieht die Wirtschaftswissenschaft hier in der Verantwortung. Seiner Beobachtung nach wird sie dieser nicht ausreichend gerecht. Viel zu oft hängt sie noch an den alten Konzepten von Wachstum und Produktion – als wäre die Verteilung des Kuchens völlig egal, als stehe nur die Maximierung im Vordergrund. Da hat sich die internationale Forschung auch verändert und Deutschland eher hinten dran. Er sagt: Wir müssen die Menschen stärker involvieren, da müssen wir auch in der Wissenschaft besser werden. Seine Sorge: Wir werden scheitern, wenn wir die Menschen nicht mitnehmen. Scheitern bei allen großen Veränderungen, beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung, wenn es uns nicht gelingt, soziale Akzeptanz zu schaffen. Beispiel Klimageld: Die Bundesregierung hat den CO2-Preis eingeführt und versprochen, die Einnahmen vollständig an die Bevölkerung zurückzugeben. Passiert aber nicht. Wir haben kaum Zeit für die Veränderung, brauchen schnelle Entscheidungen und Umsetzungen - und wenn die Menschen nicht mitmachen, werden diese Prozesse in einer Demokratie nicht gelingen. Hier kritisiert Marcel die Politik insgesamt: Sie vergisst die Menschen, vor allem diejenigen, die von Veränderungen wie der Inflation am stärksten betroffen sind und am wenigsten davor schützen können. Stattdessen schützt die Politik oft einzelne Unternehmen, subventioniert sie, päppelt sie durch, damit wir bloß so weitermachen können wie früher. Das ist kontraproduktiv. Denn auch die Wirtschaft braucht Veränderung. Eine Wirtschaft kann nur erfolgreich sein, wenn sie auch kreative Zerstörung zulässt. Es muss etwas verschwinden, damit etwas neues entstehen kann, auch neue Unternehmen. Insofern sind auch Insolvenzen notwendig, damit neue Ideen ihren Platz finden. Marcel formuliert seine Sorge: Da sind wir aber noch nicht. Unser Denken ist immer noch: Wir müssen das Alte zementieren. Zu Gast: Marcel Fratzscher, Wissenschaftler, Autor und Kolumnist zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Themen, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Aug 10, 2023 • 41min
#167 Dirk Rosomm – 1% Transformation am Tag, bitte!
Der Klassiker: Alle schreien nach Transformation und Entwicklung. Die Kekse beim Kickoff schmecken noch – und dann kickt der Alltag rein. Alle Beteiligten sind ohnehin ausgelastet. Die anderen Projekte hängen auch schon. Und schon schleichen wir uns langsam wieder auf der Transformation heraus, damit wir nicht einmal selber merken, dass wir es erneut nicht voll auf die Straße bringen. Dirk Rosomm hat sich auf das Thema Transformation spezialisiert und berät Großkonzerne mit mehreren 100.000 Mitarbeiter:innen. Er sieht mehr als 70% Transformationsprojekte scheitern. Dabei könnte es gehen.Schritt 1: Wir brauchen Mut zum Realismus. Was sind erste realistische Zwischenziele, die wir uns zutrauen? Welches sind die ersten Experimente, anschließend lernen wir neu. Das ist dann unter Umständen nicht mehr der fancy new shit von den bunten Beraterfolien …. Dafür passiert aber etwas. Dirks Rat: Gerade wenn wir weit springen wollen, wenn wir Denken und Handeln der Organisation grundlegend verändern wollen, dann sollten wir auf viele kleine Schritte setzen. 1% Transformation und das jeden Tag. Wo stehen wir dann nach einem Jahr?Das Nadelöhr für alle Transformation- und Entwicklungsthemen, sagt Dirk, ist die Veränderungsfähigkeit von Menschen. Wer Verantwortung für Transformation trägt, muss daher Experte für Verhaltenspsychologie sein – oder schleunigst werden. Überhaupt: Der Werkzeugkoffer für Veränderung darf bitte gut gefüllt sein. Jede gute, neue Idee stört. Wer keine Instrumente hat, um zu erkennen, welche Anteile hier reagieren, welche Mitglieder des inneren Teams getriggert werden, wird die Störung kaum integrieren können - und im Ergebnis auch die Veränderung nicht lieben.So wird auch das Gerede von einer Fehlerkultur obsolet. Wer will Fehler? Das können wir uns immer wieder schönreden, aber niemand will Fehler. Dirks Erfahrung: Die Kaskade geht von Veränderung über Lernen zu Fehlern. Wer Veränderungen will und liebt, wird lernen wollen und daher auch konstruktiv mit Fehlern umgehen können. Der Nagel in der Wand ist aber nicht der Fehler, sondern die Veränderung.Zu Gast: Dirk Rosomm, Mr. Transformation und dein Reiseführer in die Zukunft

Aug 3, 2023 • 47min
#166 Oliver Rautenberg – Die Folge mit den Kackhörnchen
Glaube doch bitte jede:r, was er oder sie mag. Die Gedanken sind frei, die Religion ohnehin und wer mit Dung gefüllte Kuhhörner im Acker vergraben möchte, soll es doch tun - wo ist also das Problem? Eine Folge über die Anthroposophie und zugleich ein Lehrstück darüber, wie leicht wir als Gesellschaft gewillt sind, alle Wissenschaft und alles kritische Denken fahren zu lassen. Zu Gast in dieser Folge ist Oliver Rautenberg, Journalist und Blogger, bekannt als „Der AnthroBlogger“. Anthroposophie begegnet uns in Waldorfschulen (wenig überraschend), in der Ernährung (schon überraschender) und in der Medizin (in der Medizin?!?). Ausgedacht hat sie der „Universalscharlatan“ und Hauslehrer Rudolf Steiner. Ein paar Fakten über Anthroposophie: Waldorfpädagogik ist nichts als eine Erfindung im Auftrag eines Zigarettenmagnaten. Waldorfschulen lehren Esoterik und Wissenschaft unterschiedlos nebeneinander. Ein Grundidee: Wir alle sind Wiedergeborene - allerdings ist der Prozess bei der Geburt noch nicht abgeschlossen. In 7-Jahres-Schritten erhalten Menschen Zeit ihres Lebens neue Körperhüllen. Danach bemisst sich, was ein junger Mensch kennt - und kennen darf. Fakten zum Beispiel seien in den ersten beiden Jahrsiebten schädlich. Anthroposophie ist damit auch eine Erziehung zur Unmündigkeit, die Kinder bewusst vor Fakten schützen will. Fakten erst ab 14.Auch schön: Jedes Kind vollzieht mit seiner Entwicklung die Entwicklung der Menschheit noch einmal nach. Dank Rudolf Steiner wissen wir: Mit zehn Jahren ist das Kind gerade ein Germane. Entsprechend sind bei den Zehnjährigen die Germanen dran. Anschließend Römer. Ist das den Schüler:innen transparent? Vorsicht bei Fakten im zweiten Jahrsiebt…Kaum sinnvoller in der Medizin: Apotheken verkaufen Mittel, die keinerlei Wirknachweis erbringen mussten (und es auch gar nicht könnten) - an Menschen, die glauben, dass ihnen das hilft. Damit veredeln Apotheken Pseudomedizin. Und Krankenkassen zahlen die Party. Man gehe einmal durch eine durchschnittliche Apotheke und suche zwischen Dr. Hauschka und Weleda die Hinweise auf anthroposophische Wurzeln. Ein erstaunliches Bild. Es gibt eine Linie nach rechts: Waldorfschulen - Impfskeptiker - Querdenker … und weiter. In der Pandemie waren etliche Waldorfschulen regelrechte Corona-Zentren. Möglicherweise noch schwerwiegender: Eines von 1.000 Kindern, das an Masern erkrankt, stirbt an der Krankheit. Kinder an Waldorfschulen haben ein 50fach erhöhtes Risiko, sich mit Masern anzustecken. Wer Mathematik nicht auf einer Waldorfschule gelernt hat, hat deutlich bessere Chancen auszurechnen, was das bedeutet. Die Anthroposophie neigt zu der Einordnung, Krankheit sei wichtig für die Entwicklung, also nützlich. Vielfach auch noch eine Art Restschuld aus früheren Leben, der Kranke also selber schuld. Was machen dann anthroposophische Krankenhäuser anderes als Medizin?Und dann ist da die Sache mit KackhörnchenWer ein „Demeter“-Siegel für seine Produkte haben möchte, muss (!) im Herbst mit Dung gefüllte Kuhhörner im Boden vergraben. Diese fungieren als Antennen und sammeln über den Winter kosmische Energie. Im Frühjahr werden die Hörner ausgegraben, der kosmisch aufgeladene Dung homöopathisch gestreckt, bis kein Dung mehr messbar ist, und das ganze dann auf dem Feld ausgebracht. Demeter nennt das biodynamische Landwirtschaft und kontrolliert das. Und könnte man das noch weglächeln, die Weigerung, Tiere zu Impfen oder anders als homöopathisch zu behandeln, verursacht echtes und vermeidbares Tierleid. Warum das Ganze ein Lehrstück ist? Es scheint, das Unbehagen mit Wissenschaft und Entwicklung ist so groß, dass auch noch die obskursten Alternativen eine gewisse Attraktivität entwickeln. Was wir im Kontext der Anthroposophie sehen, ist kein harmloser Blödsinn, sondern gefährlich, so Oliver. Er plädiert für mehr Grau zwischen Schwarz und Weiß. Brauchen wir eine andere Landwirtschaft, Pädagogik, Medizin? Sicher. Allerdings eine Landwirtschaft die uns Menschen nährt, eine Pädagogik, die Kinder ernst nimmt und in die Lage versetzt, sich in unserer Welt selbstbewusst zu bewegen, und eine Medizin, die den ganzen Menschen in den Blick nimmt. Zu Gast: Oliver Rautenberg, der "AnthroBlogger", Freier Journalist und PodcasterOlivers Blog: https://anthroposophie.home.blogOlivers Podcast: https://waldorfsalat.letscast.fm
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