
Was wichtig ist Welche Zukunft hat SOS Kinderdorf, Friedrich Santner?
Gast: Friedrich Santner, Aufsichtsratsvorsitzender von SOS Kinderdorf, Industriemanager (Anton Parr) Moderation: Anna Wallner Schnitt: Audiofunnel/Dominik Lanterdinger Mehr zum Thema:
SOS Kinderdorf Österreich befindet sich in der schwersten Krise seiner Geschichte. Nach Berichten über Gewalt und sexuellen Missbrauch in mehreren Einrichtungen, nach Vorwürfen gegen ehemalige Verantwortungsträger und nach einer jahrelangen Kultur des Schweigens steht eine Organisation unter Druck, die in Österreich wie kaum eine andere für Schutz, Fürsorge und Kindheit steht. Die Frage ist nicht mehr, ob sich etwas ändern muss, sondern wie Aufarbeitung gelingen kann – und ob Vertrauen wiederherstellbar ist. Im Podcast „Was wichtig ist“ spricht erstmals ausführlich Friedrich Santner, seit 20. November neuer Aufsichtsratsvorsitzender von SOS Kinderdorf Österreich darüber. Der Industriemanager (Vorstandsvorsitzender Anton Paar Group AG) ist selbst im Kärntner SOS Kinderdorf Moosburg aufgewachsen und hat viele gute Erinnerungen an seine Kindheit. Santner beschreibt eine Organisation, die durch die Berichterstattung „aus den Angeln gehoben“ worden sei. Führungskräfte hätten sich monatelang fast ausschließlich mit der Krise beschäftigen müssen – mit Folgen für den Alltag in den Einrichtungen. Sein erstes Ziel sei es daher gewesen, „für die 1800 Kinder und Jugendlichen wieder Ruhe herzustellen“ und die Krise so weit wie möglich von der täglichen pädagogischen Arbeit zu trennen. Denn diese Kinder seien nicht verantwortlich für das, was in der Vergangenheit geschehen ist. Zugleich macht Santner klar, dass Aufarbeitung ohne Ausflüchte stattfinden müsse. Einer der zentralen Sätze des Gesprächs lautet: „Wenn man die Geschäftsführung innehat, ist man für das, was passiert, verantwortlich – auch dann, wenn man es nicht gewusst hat.“ Verantwortung, so Santner, beginne nicht erst beim persönlichen Fehlverhalten, sondern bei Strukturen, Entscheidungen – und beim Wegsehen. Besonders sensibel ist der Umgang mit Betroffenen. Viele der bekannt gewordenen Fälle liegen Jahrzehnte zurück, strafrechtlich lässt sich vieles nicht mehr klären. Für Santner ist das kein Argument für Relativierung. „Auch wenn man etwas nicht beweisen kann: Wenn Opfer es so erlebt haben, dann muss man das ernst nehmen.“ Anerkennung, Zuhören und Zugang zu therapeutischer Hilfe seien wichtiger als finanzielle Entschädigungen, die das Erlebte ohnehin nicht aufwiegen könnten. „Alles auf eine Person zu konzentrieren, war ein Fehler“ Im Gespräch geht es auch um die Rolle früherer Leitfiguren wie Gründer Hermann Gmeiner (1919-1986) und dessen Nachfolger Helmut Kutin (1941-2024). Santner zeichnet ein differenziertes Bild: Er widerspricht einer pauschalen Dämonisierung, spricht aber offen über patriarchale Strukturen, Machtkonzentration und versäumte Professionalisierung. „Alles auf eine Person zu konzentrieren“, sagt er rückblickend, sei ein Fehler gewesen. Klar ist für Santner, dass sich SOS Kinderdorf strukturell verändern muss. Pädagogik müsse „an oberster Stelle verankert“ werden, Compliance-Regeln verschärft, Transparenz erhöht werden. Alle Einrichtungen sollen einer systematischen Risikoanalyse unterzogen werden, neue Betreuungskonzepte stärker an den individuellen Bedürfnissen der Kinder ausgerichtet sein. Eine unabhängige Reformkommission arbeitet an der historischen Aufarbeitung; ein erster Bericht wird für 2026 erwartet. „Eine Umbenennung wäre das falsche Signal“ Auch die Zukunft der Organisation selbst ist Thema. Trotz Suspendierung durch die internationale Dachorganisation sieht Santner SOS Kinderdorf Österreich nicht existenziell bedroht. Die Betreuung der Kinder sei staatlich finanziert, die Arbeit gehe weiter. Eine Umbenennung lehnt er ab: „Das wäre das falsche Signal.“ Es gehe darum, zur eigenen Geschichte zu stehen – mit allem Guten, aber auch mit dem, „was nie hätte passieren dürfen“.
Die Gesundheitsminute: Der Spot zum Thema "Tinitus" wurde finanziert von Neuroth.
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