Thomas Hahn, Korrespondent in Tokio und Experte für neuseeländische Politik und Maori-Kultur, beleuchtet im Gespräch die Protestaktion einer Maori-Abgeordneten im Parlament, die mit einem Haka gegen einen umstrittenen Gesetzentwurf demonstriert. Der Streit wirft zentrale Fragen zum Schutz von Minderheiten und zur kolonialen Vergangenheit Neuseelands auf. Hahn analysiert die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Maori-Gemeinschaft und diskutiert die politischen Spannungen, die sich auch in anderen Ländern zeigen.
Die Protestaktion der Maori-Abgeordneten im neuseeländischen Parlament mit einem Haka verdeutlicht die zentrale Rolle kultureller Ausdrucksformen im Kampf um identitätsbezogene Rechte.
Der Gesetzentwurf der ACT-Partei, der den Vertrag von Waitangi infrage stellt, symbolisiert den wachsenden politischen Druck und die Herausforderungen für die Rechte der indigenen Bevölkerung in Neuseeland.
Deep dives
Protestaktion der Maori im Parlament
Die Maori-Abgeordneten im neuseeländischen Parlament haben mit einem Haka, einem traditionellen Kriegstanz, gegen einen Gesetzentwurf protestiert, der den seit 1840 bestehenden Vertrag von Waitangi infrage stellt. Diese Aktion hat weltweit für Aufsehen gesorgt und die Aufmerksamkeit auf die Debatte um die Rechte der Maori gelenkt. Der Haka wird nicht nur als Tanz, sondern auch als starkes Symbol der Maori-Kultur angesehen, das für Stärke, Einheit und kulturellen Stolz steht. Diese Form des Protests verdeutlicht, wie wichtig kulturelle Ausdrucksformen für die Maori sind, insbesondere im Kontext politischer Auseinandersetzungen und der Wahrung ihrer Identität.
Hintergründe der politischen Auseinandersetzung
Der Gesetzentwurf, der die Prinzipien des Vertrags von Waitangi neu formulieren will, stammt von der libertären ACT-Partei, die den Vertrag als unrechtmäßig erachtet und die Idee der Gleichheit in den Vordergrund stellt. Dieser Vorstoß ist Teil eines größeren politischen Wandels in Neuseeland, nach dem die konservative Nationalpartei an die Macht kam. Der Vertrag von Waitangi, der 1840 zur Regelung der Beziehungen zwischen der britischen Krone und den Maori unterzeichnet wurde, wird jetzt von politischen Rechten angegriffen, die eine Radikalisierung der Debatte über die Rechte der Maori befürchten lassen. Die Proteste der Maori-Gemeinde sind eine Reaktion auf diese Entwicklungen und betonen die Notwendigkeit eines respektvollen Umgangs mit ihrer kulturellen und historischen Identität.
Auswirkungen auf das Selbstverständnis Neuseelands
Die Diskussion um den Vertrag von Waitangi reflektiert nicht nur die Spannungen zwischen den Maori und der weißen Bevölkerung, sondern hat auch weitreichende Auswirkungen auf das Selbstverständnis Neuseelands als progressive Nation. Während die ehemalige Premierministerin Jacinda Ardern für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz stand, gibt es unter der aktuellen Regierung Anzeichen einer Rückkehr zu konservativen Werten, die die Interessen der Landwirtschaft und des wirtschaftlichen Wachstums über die Rechte der Ureinwohner stellen. Diese Veränderungen könnten das gesellschaftliche Gleichgewicht in Neuseeland beeinträchtigen und zu einer weiteren Marginalisierung der Maori führen. Gleichzeitig beobachten auch andere Länder, insbesondere Australien, diese Entwicklungen aufmerksam, da sie eigene Herausforderungen im Umgang mit indigenen Bevölkerungsgruppen haben.
Die Bilder der Protestaktion im neuseeländischen Parlament gingen um die Welt: Hana-Rawhiti Maipi-Clarke, Abgeordnete der Te-Pāti-Māori-Partei, initiierte im November einen Haka, einen Kriegstanz, um gegen einen Vorstoss der libertären und rechtskonservativen Partei ACT New Zealand zu protestieren. Diese will in einem Gesetzesentwurf die Rechte der indigenen Bevölkerung Neuseelands einschränken.
In dieser Debatte zeigt sich eine ganz grundsätzliche Frage, die Neuseeland seit Langem beschäftigt: Wie umgehen mit dem Schutz von Minderheiten und der kolonialen Vergangenheit? Wie viel gesetzliche Regelungen braucht es für gesellschaftliche Gleichberechtigung? Eine Frage, die sich auch in anderen Ländern und Weltregionen stellt.
Zeigt die Protestaktion in Neuseeland Wirkung – oder besteht die Gefahr, dass sie dem Anliegen der Maori sogar schadet? Das erzählt Thomas Hahn in einer neuen Folge des täglichen Podcasts «Apropos». Er ist Korrespondent des «Tages-Anzeigers» und der «Süddeutschen Zeitung» in Tokio und unter anderem zuständig für Ozeanien.