
SWR Kultur lesenswert - Literatur Ein beeindruckendes Buch: Peter Wawerzineks „Rom sehen und nicht sterben“
Oct 27, 2025
04:09
Es beginnt mit einem Höhenflug. Fasziniert beobachtet der Ich-Erzähler, der Peter Wawerzinek wieder zum Verwechseln ähnlich sieht, die Flugkünste der Stare über der Stadt Rom. Eine gute Zeit scheint anzubrechen. Ein Stipendium in der Villa Massimo wurde dem Schriftsteller zugesprochen. Aber auf den letzten Metern dorthin erleidet er einen ersten Schwächeanfall.
Bald gibt es weitere Vorzeichen für kommendes Unheil: den Totalverlust eines Manuskripts und schließlich ein scheußliches Frieren mitten im Sommer. Wawerzinek ruft seinen Arzt in Berlin an, der zu einer schnellen Untersuchung drängt. Die bestürzende Diagnose: Krebs.
Beherberge neuerdings einen Mörder in mir. Hat sich feige in meinem Magen eingenistet. Frisst von meinem Fleisch. Trinkt von meinem Blut.Quelle: Peter Wawerzinek – Rom sehen und nicht sterben
Hausfriedensbruch im eigenen Körper
Für die Chemotherapie und die Operation kehrt er „inkognito“ nach Berlin zurück, verkriecht sich in einer Einzimmerwohnung, um sich ganz auf sich selbst und den „Hausfriedensbruch“ in seinem Körper zu konzentrieren. „Rom sehen und nicht sterben“ ist ein literarischer Abwehrzauber gegen den Tod, der nicht zum ersten Mal mit einladender Geste auf Wawerzinek zukommt. Seit Kindertagen gab es immer wieder lebensgefährliche Unfälle und Desaster. Und so hofft er, dem Tod auch diesmal von der Schippe zu springen. Sein Roman ist das Überlebensbuch eines Menschen, der aus vielem Kraft schöpft – dem Jazz, der Natur und vor allem aus der Sprache, der Poesie und einer Fabulierlust, mit der sich die bittere Realität entschärfen lässt.Setze den unerwünschten Begriff vor die Tür. Spreche ihm die Allmacht ab. Breche ihm die Klauen. Beschert mir weniger beängstigende Gedanken, sage ich Krätz zum Krebsgeschwür in mir. (…) Erweitere die Verniedlichungsform. Sage gar Min Schietkrätz, um das Übel somit, dreifach am Schopf genommen, zu zerstückeln.Quelle: Peter Wawerzinek – Rom sehen und nicht sterben
