In dieser Folge sind Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands, und Beate Klemm, Buchhändlerin aus Berlin, zu Gast. Beate teilt ihre Wut über die Schließung ihrer Buchhandlung nach fast 30 Jahren wegen extremer Mietsteigerungen. Beide diskutieren die aktuelle Einzelhandelskrise und die Gründe für die Konsumzurückhaltung der Verbraucher. Genth hebt die Unsicherheit bei den Menschen hervor und die Notwendigkeit politischer Maßnahmen, um kleinen Geschäften zu helfen. Ein Aufruf zur Unterstützung des lokalen Handels!
Die Schließung der Buchhandlung Lesen und Lesen lassen in Berlin-Friedrichshain zeigt die verheerenden Auswirkungen von steigenden Mieten auf kleine Einzelhändler.
Der dramatische Rückgang des Marktanteils unabhängiger Geschäfte von 28 Prozent auf nur noch 13,3 Prozent zwischen 2002 und 2022 verdeutlicht die ernsthaften Probleme des Einzelhandels.
Obwohl die Inflation stabil ist, zögern Verbraucher seit der Corona-Pandemie, Geld auszugeben, was zu einem Rückgang der Verkaufszahlen führt.
Deep dives
Die Schließung einer Buchhandlung
Die Buchhandlung Lesen und Lesen lassen in Berlin-Friedrichshain wird nach fast 30 Jahren schließen müssen, da der Vermieter eine zu hohe Miete aufruft. Beate und ihr Mann sind mit der Situation sehr unglücklich, da sie sogar einen potenziellen Nachfolger gefunden hatten, der aufgrund der steigenden Kosten nicht übernehmen kann. Diese Schließung spiegelt die Probleme wider, mit denen viele Einzelhändler in Deutschland konfrontiert sind, da die steigenden Mieten und die schwache Käuferlaune eine verheerende Kombination darstellen. Die Buchhandlung prägt nicht nur die lokale Gemeinschaft, sondern ist auch ein Beispiel für die emotionalen und wirtschaftlichen Herausforderungen, denen sich unabhängige Geschäfte gegenübersehen.
Rückgang des Einzelhandels
Der Podcast diskutiert den signifikanten Rückgang des Marktanteils des kleinen Einzelhandels in Deutschland, der von 28 Prozent im Jahr 2002 auf nur noch 13,3 Prozent im Jahr 2022 gefallen ist. Dieser dramatische Rückgang unterstreicht, wie viele unabhängige Geschäfte und Fachhändler verschwinden und wie schwierig die Marktbedingungen sind. Trotz steigender Inflations- und Lebenshaltungskosten bleibt die Kauflaune der Verbraucher verhalten, was sich negativ auf die Verkaufszahlen auswirkt. Einzelhändler berichten von einem Rückgang ihrer Kundenzahlen, da die Verbraucher zunehmend zögern, größere Anschaffungen zu tätigen.
Die Inflationssituation
Obwohl die Inflation in Deutschland sich auf einem stabileren Niveau befindet, zögern die Verbraucher, Geld auszugeben. Die Kaufzurückhaltung ist seit der Corona-Pandemie ein wiederkehrendes Thema, wodurch notwendige Ausgaben oft aufgeschoben werden. Dies führt dazu, dass einige Einzelhändler nicht genug Einnahmen generieren können, um die Kosten zu decken, was in vielen Fällen zu Insolvenzen führt. Die Schwierigkeiten sind besonders stark in dem Sektor, der nicht mit Lebensmitteln zu tun hat, wo Verbraucher aufgrund von Unsicherheit und Angst vor zukünftigen Kosten zurückhaltend sind.
Politische Verantwortung und Mietpreisanpassungen
Die mangelnde Unterstützung für kleine Unternehmen und die hohen Mieten sind zentrale Themen, die im Podcast angesprochen werden. Beate Klemm und andere Einzelhändler plädieren für einen besseren rechtlichen Schutz für Gewerbemieter, um mehr Sicherheit und Vorhersehbarkeit bei Mietpreiserhöhungen zu gewährleisten. Sollten die politischen Entscheidungsträger und Kommunen aktiv Schritte unternehmen, um die Mieten zu regulieren, könnte dies die lokale Wirtschaft erheblich stärken. Ein stärkeres Gesetzgeberinteresse könnte die Überlebenschancen vieler kleiner Geschäfte in den Innenstädten verbessern und somit vor weiteren Schließungen schützen.
Eine mögliche Erholung des Handels
Trotz der gegenwärtigen Herausforderungen gibt es Hoffnungen auf eine Erholung im Einzelhandel, insbesondere während der bevorstehenden Herbst- und Weihnachtszeit. Die Diskussion zeigt, dass die Verbraucher bereit sind, für Geschenke und festliche Einkäufe Geld auszugeben, was dem Handel einen dringend benötigten Umsatzschub geben könnte. Gleichzeitig wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass Einzelhändler in digitale Lösungen investieren, um ihre Reichweite und Effizienz zu verbessern. Während einige Unternehmen ihre Strategie anpassen und neue Wege finden, um sich anzupassen, bleibt die unsichere Verbraucherlaune ein Hindernis für eine vollständige Marktbelebung.
Die Berliner Buchhändlerin Beate Klemm fasst ihre Empörung in drastische Worte. "Dass unser Lebenswerk nicht weitergeführt werden kann, ist eigentlich schon ein Skandal." Es ist jedoch nicht so, dass dem Laden im Bezirk Friedrichshain die Kundinnen und Kunden fehlten, sagt zumindest Klemm. Nein, die Miete sei so drastisch erhöht worden, dass sich der Laden nicht mehr wirtschaftlich führen lasse. Und wieder muss ein Fachgeschäft aufgeben, das über Jahrzehnte eine Nachbarschaft mit Lesestoff versorgt hat und die Gegend belebte.
Die Buchhandlung lesen & lesen lassen bestätigt damit einen bundesweiten Trend. Die Insolvenzen im gesamten Handel liegen seit Monaten auf einem hohen Niveau, und auch die Konsumlaune lässt zu wünschen übrig. Obwohl die Preise nicht mehr so schnell steigen wie in den vergangenen beiden Jahren und obwohl auch die Gehälter erhöht wurden, die Menschen also wieder real mehr Geld für ihre Ausgaben zur Verfügung haben, geben sie weniger aus. Warum aber haben die Verbraucherinnen und Verbraucher keine Lust mehr auf Shopping?
Darüber sprechen wir in dieser neuen Folge von Ist das eine Blase?, dem Wirtschaftspodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE über Geld, Macht und Gerechtigkeit. Außer der Buchhändlerin Klemm ist Stefan Genth zu Gast, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Handelsverbands HDE. Er sagt, es gebe vor allem eine Unsicherheit bei den Menschen, wie sich ihr Einkommen entwickelt. Deshalb hielten sich viele mit größeren Anschaffungen zurück. Dennoch ist Genth optimistisch, dass es in der zweiten Jahreshälfte wieder aufwärtsgehen könnte.
Moderiert wird diese Folge von den beiden ZEIT-Wirtschaftsredakteuren Carla Neuhaus und Zacharias Zacharakis. Und wie immer hat ein Tier das letzte Wort.
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