Die medialen Berichterstattung hat sich von der Fokussierung auf den Täter hin zur Perspektive der Opfer und deren Angehörigen entwickelt.
Gedenkkultur für die Opfer des Hanau-Anschlags wird durch politische Instrumentalisierung gefährdet, was zu Spannungen zwischen den Betroffenen und politischen Akteuren führt.
Deep dives
Die Auswirkungen des Hanau-Anschlags auf die Medienberichterstattung
Der rassistische Terroranschlag von Hanau hat zu einer kritischen Auseinandersetzung in der Medienberichterstattung über Rassismus und Vielfalt in der Gesellschaft geführt. Nach dem Vorfall wird immer wieder hinterfragt, wie Medien über rassistisch motivierte Gewalt berichten und inwieweit sie zur Verbreitung oder Bekämpfung rassistischer Einstellungen beitragen. In den vergangenen Jahren hat sich der Fokus in den Medien allmählich von der Pathologisierung des Täters hin zur Perspektive der Betroffenen verschoben, was den Angehörigen der Opfer mehr Gehör verschafft hat. Diese Veränderung in der Berichterstattung wird als direktes Ergebnis des Drucks betrachtet, den die Überlebenden und Angehörigen ausgeübt haben, um die narrative Kontrolle zurückzugewinnen.
Gedenkkultur und politische Instrumentalisierung
Die Gedenkkultur für die Opfer des Hanau-Anschlags ist ein zentraler Aspekt innerhalb der zivilgesellschaftlichen Reaktionen, doch es gibt auch Bedenken hinsichtlich ihrer Instrumentalisierung durch die Politik. Angehörige der Opfer haben wiederholt kritisiert, dass Gedenkveranstaltungen oft für politische Zwecke genutzt werden, was zu einer Entfremdung zwischen den Betroffenen und den Entscheidungen der politischen Akteure führt. Dabei spielt auch der Name der Opfer eine wichtige Rolle, da ein respektvoller Umgang mit ihrem Andenken essenziell für die zivilgesellschaftliche Erinnerungskultur ist. Diese Konflikte verdeutlichen die Notwendigkeit, dass Gedenkkultur authentisch und nicht politisch motiviert gestaltet wird.
Die Rolle der Medien in der Aufarbeitung von Rassismus
Medien spielen eine entscheidende Rolle in der Aufarbeitung von Rassismus und den gesellschaftlichen Diskursen über Vielfalt und Integration. Der Druck auf Medien, über rassistische Vorfälle hinaus zu berichten und auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu analysieren, hat zugenommen, was sich in neueren journalistischen Formaten widerspiegelt. Zunehmend werden auch Stimmen von betroffenen Personen und Angehörigen gehört, wie in Reportagen, die eine direktere und menschlichere Perspektive auf die Vorfälle bieten. Solche Formate haben das Potenzial, das Bewusstsein für strukturellen Rassismus in der Gesellschaft erheblich zu schärfen und einen konstruktiven Dialog zu fördern.
Strukturelle Herausforderungen im Journalismus
Die Berichterstattung über Rassismus steckt häufig in einem Dilemma, das zwischen dem individuellen Einzeltäter und den gesellschaftlichen Strukturen, die solche Taten erst ermöglichen, hin- und herpendelt. Eine Tendenz zur Pathologisierung von Tätern hat langanhaltende Auswirkungen auf das Verständnis von Gewalttaten und deren gesellschaftlichen Ursachen. Um eine strukturelle Analyse zu fördern, ist es entscheidend, dass Journalisten über die persönlichen Geschichten hinausblicken und auch die größeren gesellschaftlichen Zusammenhänge betrachten. Nur durch einen umfassenden Ansatz kann die Medienberichterstattung zur Bildung eines informierten öffentlichen Diskurses über Rassismus und Integration beitragen.
Am 19. Februar hat sich der rassistische Terroranschlag von Hanau zum vierten Mal gejährt. Neun junge Menschen mit Einwanderungsgeschichte wurden damals von einem rechtsextremen Täter ermordet, bevor dieser seine Mutter und sich selbst tötete.
Schon kurz nach dem Anschlag gab es Diskussionen über das Vorgehen und die Rolle der Medien: Wurde schnell und deutlich genug von Rassismus und Terrorismus gesprochen? Wurde der Täter zu sehr in den Mittelpunkt gestellt? Und warum mussten vor allem die Angehörigen der Opfer auf Aufklärung drängen?
Eine zentrale Frage ist außerdem, ob Jahrzehnte der problematisierenden und negativen Berichterstattung über Menschen mit Einwanderungsgeschichte den Boden mit bereitet haben für Rassismus – und damit auch für Terrorakte wie den von Hanau.
Was hat sich medial geändert, vier Jahre nach dem Anschlag von Hanau? Darüber sprechen Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura und SZ-Journalist Nils Minkmar mit Cihan Sinanoǧlu, Leiter des „Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors“ des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung.
In „quoted. der medienpodcast“ – ein Format von CIVIS Medienstiftung und Süddeutscher Zeitung, gefördert von der Stiftung Mercator.