Sind die Unternehmen selbst schuld an ihrer Misere?
Feb 19, 2024
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Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit bei DK Investment, und Max Hägler, Wirtschaftsredakteur bei der ZEIT, beleuchten die gegenwärtigen Herausforderungen großer deutscher Unternehmen. Speich kritisiert, dass Firmen wie Bayer und Volkswagen oft träge sind und an mutigen Transformationsschritten scheitern. Sie diskutieren die Rolle von Hauptversammlungen als Plattform für Aktionärskritik und reflektieren darüber, wie globale Krisen und mangelhafte Unternehmensführung die Wirtschaftslage Deutschlands belasten. Auch virtuelle Hauptversammlungen stehen hier auf dem Prüfstand.
Die Hauptversammlungen bieten Aktionären die Möglichkeit, direkt mit dem Management über Unternehmensentscheidungen und -verantwortung zu kommunizieren.
Internes Missmanagement deutscher Unternehmen wird zunehmend als ein Faktor für ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten identifiziert, die durch globale Krisen verstärkt werden.
Die Umstellung der Automobilindustrie auf Elektromobilität und nachhaltige Praktiken steht im Mittelpunkt der Herausforderungen, mit denen Unternehmen wie Volkswagen konfrontiert sind.
Deep dives
Proteste während Hauptversammlungen
Bei Hauptversammlungen großer Unternehmen haben Klimaschützer und Aktivisten regelmäßig Protestaktionen organisiert, um auf Umweltprobleme und Unternehmensverantwortung aufmerksam zu machen. Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass Demonstranten aktiv versucht haben, auf die Bühnen der Veranstaltungen zu gelangen oder vor den Veranstaltungsorten lautstark zu protestieren. Solche Aktionen sollen das Bewusstsein von Aktionären und Führungskräften schärfen und eine Diskussion über soziale Verantwortung anstoßen. Die Relevanz dieser Proteste spiegelt sich auch in den gestiegenen politischen und gesellschaftlichen Erwartungen an Unternehmen wider.
Aktionärsdemokratie und ihre Bedeutung
Hauptversammlungen sind zentrale Orte der Aktionärsdemokratie, wo Aktionäre ihre Stimmen zu wichtigen Unternehmensentscheidungen abgeben können. Diese Versammlungen bieten den Anteilseignern die Möglichkeit, Fragen zu stellen und ihre Bedenken direkt an das Management zu richten. Die Diskussionen in diesen Versammlungen sind oft entscheidend für die zukünftige Ausrichtung der Unternehmen, da sie die Verantwortlichkeit und Transparenz fördern. Die Effektivität dieser Demokratie wird jedoch durch die Vorbereitung und die Interaktionen zwischen den Aktionären und dem Management beeinflusst.
Krisen und Unternehmensführung
Der Einfluss internationaler Krisen auf die Bilanzen deutscher Unternehmen wird zunehmend hinterfragt, wobei viele glauben, dass diese Schwierigkeiten auch durch interne Missmanagement vergrößert werden. Der Zustand der deutschen Wirtschaft wird teilweise auf eine unzureichende Unternehmensführung zurückgeführt, die sich nicht genügend an die sich wandelnden Märkte und Technologien anpassen kann. Kritiker betonen die Notwendigkeit, dass Unternehmen innovativer und agiler werden müssen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Eine stärkere Fokussierung auf Transparenz und Governance könnte dazu beitragen, das Vertrauen der Investoren und der Öffentlichkeit zu stärken.
Herausforderungen der Automobilindustrie
Die deutsche Automobilindustrie steht unter Druck aufgrund der schwindenden Marktanteile und der Herausforderungen durch die Elektromobilität. Unternehmen wie Volkswagen sehen sich mit Wettbewerbern konfrontiert, die schneller auf den Markt reagieren und neue Technologien einführen. Die Abhängigkeit von traditionellen Verbrennungsmotoren bringt zusätzliche Risiken mit sich, insbesondere in einer Zeit des Wandels zu umweltfreundlicheren Antriebsarten. Die Frage nach einer nachhaltigen Unternehmensführung und Innovation wird daher zu einem zentralen Thema innerhalb der Branche.
Virtuelle Hauptversammlungen und ihre Auswirkungen
Die zunehmende Durchführung von Hauptversammlungen in rein virtuellen Formaten hat sowohl Vorteile als auch Nachteile. Einerseits ermöglichen virtuelle Formate eine breitere Teilnehmerzahl, die geografische Barrieren überwindet, andererseits fehlt oft die persönliche Interaktivität und das Gefühl der Gemeinschaft. Kritiker warnen, dass dies die Qualität der Diskussionen und den Austausch zwischen Aktionären und Unternehmensvertretern beeinträchtigen könnte. Eine hybride Lösung, die sowohl Präsenz- als auch virtuelle Teilnehmende integriert, wird als potenzieller Mittelweg angesehen, um die Vorteile beider Formate zu nutzen.
Manchmal fliegen sogar Torten: Auf den Hauptversammlungen börsennotierter Konzerne muss das Management den Eigentümerinnen und Eigentümern Rede und Antwort stehen zur geschäftlichen Entwicklung des Unternehmens. Und da läuft es für einige deutsche Konzerne momentan nicht rund.
Wie sehr belasten die vielen globalen Krisen die Bilanzen der Unternehmen im Moment – und welche Probleme sind hausgemacht? Ist Deutschlands wirtschaftliche Schwäche auch darauf zurückzuführen, dass manche Unternehmen im Land einfach schlecht geführt sind? Sind Konzerne wie Bayer und VW womöglich selbst schuld daran, dass sie jetzt sparen müssen? Darum geht es in Folge 61 von "Ist das eine Blase?" – des Wirtschaftspodcast über Geld, Macht und Gerechtigkeit.
Einen sehr genauen Blick für diese Fragen hat Ingo Speich, der für die Fondsgesellschaft Deka Investment in die Zahlen der Unternehmen schaut und auf den Hauptversammlungen nicht mit Kritik an ihnen spart, Vorständen schon mal "verlorene Jahre" vorwirft oder ihre Bilanz als "Trümmerhaufen" bezeichnet. Er sagt: „Wir haben in Deutschland die Besonderheit, dass die Unternehmen sehr reif und teilweise 100 Jahre und älter sind.“ Das führe im Ergebnis dazu, dass sie zwar hohe Gewinne für ihre Aktionäre produzierten, dies aber vor allem „ein Blick in den Rückspiegel“ sei, erklärt Speich.
Es fehle an manchen Stellen die Entschlossenheit zur Transformation und Agilität. Die großen deutschen Unternehmenskonglomerate agierten mitunter schwerfällig. Dazu komme, dass viele Konzerne Regeln guter Unternehmensführung missachten, wenn sie Vorstände und Aufsichtsräte besetzen – was zu Interessenkonflikten führt. Auch zum umstrittenen Engagement von Volkswagen in der chinesischen Region Xinjiang findet Speich deutliche Worte.
Alle zwei Wochen diskutieren wir in „Ist das eine Blase“ über einen Trend, einen Hype oder ein Phänomen in der Wirtschaftswelt und fragen: Ist das nur vorübergehend, eine Blase, aus der bald die Luft entweicht – oder verändert sich da gerade etwas dauerhaft? In dieser Woche mit den Hosts Jens Tönnesmann und Zacharias Zacharakis; außerdem ist Max Hägler zu Gast, ebenfalls Redakteur im Wirtschaftsressort der ZEIT. Und wie immer hat das letzte Wort ein Tier.
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