
SWR Kultur lesenswert - Literatur Francesca Melandri – Eva schläft
Dec 19, 2025
01:51
Den Roman „Eva schläft“ empfehle ich nicht, weil ich als Eeva mit der Titelfigur namensverwandt bin. Und auch nicht, weil ich aus Südtirol komme, wo dieser Roman spielt.
Dabei ist das zentrale Ereignis, dass der Roman in Südtirol spielt. Die Autorin Francesca Melandri erzählt die Geschichte einer deutschsprachigen Provinz, die als Spielball der Geschichte 1918 italienisch wurde.
Warum ich den Roman wirklich empfehle? Weil Melandri es schafft, höchste historische Komplexität in zwei Erzählsträngen lebendig werden zu lassen.
Die vierzigjährige Eva reist aus der nördlichsten italienischen Provinz in die südlichste. Dort liegt Vito im Sterben, er war die große Liebe ihrer Mutter, Gerda, deren Lebensgeschichte, eng verwoben mit jener Südtirols, im anderen Strang erzählt wird.
Gerda wird in den italienischen Faschismus hineingeboren, der Südtirolern ihre Sprache und Kultur verbot. Wie sich das auf die Normalität der Bevölkerung ausgewirkt hat, figuriert Melandri vor allem in zwei starken Frauen, Mutter und Tochter.
Dabei dröselt sie nicht nur historische Traumata auf, sondern entzaubert auch Idyllen: Mit der Köchin Gerda blicken wir hinter die kulinarischen Kulissen in Hotelküchen und wie nebenbei werden damit auch die politischen Hintergründe des Autonomiekampfes enggeführt.
Das alles ist erzählerisch so klug und packend konstruiert, dass man den Roman gar nicht mehr aus der Hand legen will. Pflichtlektüre für alle Südtirol-Fans, ach was, für alle, die lebendige Geschichte lieben!
