Warum sollte auf einer guten Trauerfeier auch gelacht werden, Julian Heigl?
May 26, 2020
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Zu Gast ist Julian Heigl, ein Berliner Bestatter, der alternative Bestattungsformen anbietet und die Bedürfnisse der Trauernden in den Fokus stellt. Er schildert, wie der Umgang mit Toten eine besondere Ruhe vermittelt. Heigl betont, dass Trauerfeiern sowohl Platz für Weinen als auch für Lachen bieten sollten. Er erzählt von seinem Weg von der Musikwissenschaft zur Bestattung und der Wichtigkeit individueller Trauerfeiern. Über die Herausforderungen seines Berufs reflektiert er, während er die Balance zwischen beruflichen Verpflichtungen und emotionaler Gesundheit sucht.
Der alternative Bestatter Julian Heigl betont die Bedeutung von individueller Gestaltung und persönlicher Kontrolle in der Trauerfeier.
Die emotionalen Herausforderungen des Bestatterberufs erfordern ein Gleichgewicht zwischen professioneller Distanz und empathischer Nähe zu den Trauernden.
Heigl sieht gesetzliche Bestimmungen als Hindernis an, um den Trauernden flexiblere und nicht-traditionelle Bestattungsoptionen anzubieten.
Deep dives
Alternative Bestattungen verstehen
Ein alternativer Bestatter sucht nach individuellen und oft unkonventionellen Wegen, um den Verstorbenen zu verabschieden. Anstatt sich an traditionelle Verfahren zu halten, bietet er den Trauernden die Möglichkeit, ihre eigenen Vorstellungen von Bestattung und Trauerfeier zu entwickeln. Dies kann bedeuten, dass die Angehörigen aktiv in den Prozess involviert werden, indem sie beispielsweise gemeinsam das Urnenloch schließen oder persönliche Elemente in die Zeremonie einbringen. Der Bestatter legt großen Wert darauf, den Trauernden ein Gefühl von Kontrolle und Eigenverantwortung zu geben, wodurch der Abschied persönlicher und bedeutungsvoller wird.
Beruf und Emotion
Der Beruf des Bestatters ist stark von emotionaler Nähe geprägt, da er den Trauernden nicht nur organisatorisch, sondern auch psychologisch zur Seite steht. Der Bestatter führt Gespräche mit den Angehörigen, um ihre Wünsche und Vorstellungen zu verstehen und umzusetzen, was oft tiefe emotionale Achterbahnfahrten mit sich bringt. Dies erfordert nicht nur Fachwissen über Bestattungsverfahren, sondern auch die Fähigkeit, empathisch auf die Bedürfnisse der Trauernden einzugehen. Der Bestatter muss dabei eine Balance finden zwischen professioneller Distanz und emotionaler Verbundenheit.
Die Herausforderungen des Alltags
Die Organisation von Bestattungen ist zeitintensiv und erfordert eine gute Planung, insbesondere wenn mehrere Fälle gleichzeitig bearbeitet werden müssen. Der Bestatter ist dafür verantwortlich, alle notwendigen Formalitäten zu erledigen und den Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, was oftmals zu emotionalem Stress führt. Gleichzeitig denken die Trauernden an viele Details, die besprochen werden müssen, was den Bestatter in seiner Betreuung anstrengen kann. Es ist wichtig, dass er sich selbst ausreichend Zeit gibt, um mit den emotionalen Herausforderungen umzugehen und die eigene Belastungsgrenze zu erkennen.
Bürokratische Hürden der Bestattung
In Deutschland unterliegt die Bestattung strengen gesetzlichen Regelungen, die bestimmen, wie und wo Verstorbene beigesetzt werden können. Dazu gehören Vorschriften über die Art der Bestattung, die Fristen für die Bestattung und die Anforderungen an Särge und Urnen. Diese bürokratischen Hürden können oft frustrierend sein, insbesondere wenn die Angehörigen alternative Wünsche äußern, die nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Der Bestatter sieht hier die Notwendigkeit, mehr Flexibilität und Verständnis im System zu schaffen, um den Bedürfnissen der Trauernden besser gerecht werden zu können.
Die persönliche Verbundenheit zur Arbeit
Der Bestatter empfindet seine Tätigkeit als Berufung und sieht darin eine Möglichkeit, unmittelbar Lebenshilfe zu leisten. Durch persönliche Begegnungen mit den Trauernden und das Gestalten individueller Abschiedsmöglichkeiten entwickelt er eine tiefe Verbindung zu seiner Arbeit. Er schätzt es, die Trauerfeiern so zu gestalten, dass sie den Wünschen der Angehörigen entsprechen und positive Erinnerungen hervorbringen. Diese erfüllende Beziehung zu seiner Arbeit gibt ihm das Gefühl, eine wertvolle Rolle im Umgang mit dem Tod zu spielen und den Trauernden in ihrer schweren Zeit Unterstützung zu bieten.
"An den ersten Toten, den ich aufgebettet habe, erinnere ich mich bis heute gut", sagt der Berliner Bestatter Julian Heigl. "Ich hatte Tote bis dahin ja auch weder gesehen noch angefasst." An dem Tag habe er gemerkt, dass von den Toten eine große Ruhe ausgehe – eine Ruhe, die auch auf ihn übergehe. Der 39-Jährige versteht sich als alternativer Bestatter. Die Trauerfeiern, die er ausrichtet, orientieren sich an keinem festen Rahmen oder Ritus, sondern an den Bedürfnissen der Trauernden, erklärt Heigl im ZEIT-ONLINE-Podcast Frisch an die Arbeit. "Auf einer guten Bestattung wird geweint und gelacht“, sagt er. Für Heigl selbst war lange nicht absehbar, dass er beruflich mit Toten und Trauernden zu tun haben würde. Er studierte Musikwissenschaft, promovierte über Barockmusik und machte sich danach auf die Suche nach einem Beruf, der zu ihm passte. Dabei stolperte er über die Homepage eines alternativen Bestatters: "Ich hatte das Gefühl: Das ist es. Das mache ich jetzt." In einem Praktikum erlernte Heigl die handwerklichen und bürokratischen Aspekte des Berufs, die Fristen, die einzuhalten sind, und wie man einen toten Körper wäscht, anzieht und bettet. Mit seinem Bestattungsunternehmen Thanatos bekomme er heute mehr Anfragen, als er zusagen könne. Auch wenn es immer schwer sei, Trauernden abzusagen, sei es auch wichtig, dass er auf seine eigenen Grenzen achte: "Es tut mir nicht gut, wenn ich 15 Sterbefälle im Kopf habe und sie einfach abarbeite", sagt Heigl.
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