
SWR Kultur lesenswert - Literatur SWR Bestenliste Dezember bei den Stuttgarter Buchwochen im Haus der Wirtschaft
Dec 7, 2025
01:09:41
Eine Feier der Übersetzungen, aber Kritik am Lektorat – Shirin Sojitrawalla, Helmut Böttiger und Klaus Nüchtern diskutieren auf den Stuttgarter Buchwochen vier auf der SWR Bestenliste im Dezember verzeichnete Werke:
Peter Schneiders Roman „Die Frau an der Bushaltestelle“, Sabrina Orah Marks eigenwilliges Memoir „Happily“ in der kongenialen Übersetzung von Esther Kinsky und Hanif Kureishis sehr persönliches Krankentagebuch „Als meine Welt zerbrach“ in der deutschen Fassung von Cornelius Reiber.
Hinzu kommt die Wiederentdeckung eines skandalösen Klassikers: Sidonie-Gabrielle Colettes „Chéri“, angemessen modern übersetzt von Renate Haen und Patricia Klobusiczky und mit einem Nachwort von Dana Grigorcea.
Schon beim ersten Roman des Abends ist sich die Jury uneins: Helmut Böttiger (Literaturkritiker u.a. für den „Deutschlandfunk“) und Shirin Sojitrawalla (Literaturkritikerin u.a. für die „taz“) lobten insbesondere die deutsch-deutschen Szenen in „Die Frau an der Bushaltestelle“ (Platz 5 der Dezember-Bestenliste).
Dahingegen hält Klaus Nüchtern den Text sowohl in sprachlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht für misslungen. Insbesondere die vielen historischen Fehler stoßen ihm übel auf. „Wo war denn hier das Lektorat?“, beschwert er sich.
Durchweg positiv besprochen wird Sabrina Orah Marks Familienaufstellung mit Märchen, was zum einen an ihrem kunstfertigen Umgang mit Märchen in „Happily“ (Platz 3) und laut der Jury nicht zuletzt an Übersetzerin Esther Kinsky liegt.
Bei Hanif Kureishis Versuch, in „Als meine Welt zerbrach“ (Platz 2) die fatalen Folgen eines schweren Unfalls sprachlich zu fixieren, wird die humoristische Tonlage des nunmehr gelähmten Schriftstellers und Drehbuchautors gelobt.
Eine Wiederentdeckung zum Schluss: Colettes 1920 erstmals veröffentlichter Roman „Chéri“ (Platz 1), der die damals skandalöse Geschichte einer alternden Kurtisane mit ihrem deutlich jüngeren Liebhaber erzählt, begeistert die Jury durchweg.
Die höflich-galligen Dialoge der Figuren, eine turbulente Anti-Ehe-Liebesgeschichte, aber auch der Einblick in die nahezu aristokratische Halbwelt machen die Lektüre lohnend.
Aus den vier Büchern lesen Isabelle Demey und Dominik Eisele. Durch den Abend führt Carsten Otte.
