

Boom and Bust – Eine kurze Geschichte der Börse
Erste Aktiengesellschaft und kleine Anleger
- Im August 1602 kauften mehr als 1000 Menschen Anteile an der VOC, darunter wohlhabende Kaufleute und einfache Leute wie ein Hausmädchen.
- Das Hausmädchen Nältchen Cornelis investierte 100 Gulden, ein ungewöhnlicher Schritt für die Zeit.
Industrialisierung und Börsenentwicklung
- Die Industrialisierung steigerte die Bedeutung der Börsen als Kapitalsammelstellen massiv.
- Besonders Eisenbahnunternehmen nutzten erstmals in großem Maß Aktien zur Finanzierung.
Milchmädchenhausse als Warnzeichen
- Der Begriff "Milchmädchenhausse" bezeichnet den Punkt, an dem auch Menschen mit wenig Geld massiv in Aktien investieren.
- Das deutet auf eine Überhitzung des Marktes und mögliche Fehleinschätzung der tatsächlichen Werte hin.


In früheren Zeiten waren Börsen exklusive Clubs für Kaufleute. Doch bereits im 17. Jahrhundert begannen auch einfache Leute, in Wertpapiere zu investieren. Seitdem grassiert das Börsenfieber regelmäßig. Autorin: Maike Brzoska (BR 2025)
Shownotes
Autorin: Maike Brzoska
Regie: Susi Weichselbaumer
Sprecher:innen: Katja Bürkle, Christian Baumann, Friedrich Schloffer
Technik:
Redaktion: Nicole Ruchlak
Im Interview:
- Werner Plumpe, Wirtschaftshistoriker und em. Professor der Universität Frankfurt
- Michael North, Wirtschaftshistoriker und em. Professor der Universität Greifswald
- Andreas Hackethal, Wirtschaftswissenschaftler und Professor an der Frankfurter Universität
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
WDR 5 Das philosophische Radio
Ein Austausch mit anderen nachdenklichen Menschen in einer einzigartigen öffentlichen philosophischen Diskussion.
Literatur:
- Michael North, „Das Goldene Zeitalter: Eine Weltgeschichte des 17. Jahrhunderts“: Erzählt anschaulich die frühe Phase der Globalisierung, und zwar nicht eurozentrisch, sondern global vernetzt.
- Werner Plumpe, „Wirtschaftskrisen. Geschichte und Gegenwart“: Plumpe beschreibt, wie Staaten sich finanzieren – und mithilfe welcher Mechanismen sie sich ihrer Schulden historisch entledigten
- Hans Ostwald, „Sittengeschichte der Inflation. Ein Kulturdokument aus den Jahren des Marktsturzes“: In dem 1931 erschienenen Buch beschreibt der Journalist und Schriftsteller die Zeit rund um die Hyperinflation Anfang der 1920er Jahre.
- Lodwijk Petram, „The World´s First Stock Exchange”, das Buch beschreibt die Entstehung der Amsterdamer Börse im 17. Jahrhunderts sehr anschaulich und mit neuen Informationen aus zeithistorischen Dokumenten.
- Joseph E. Stiglitz, „The Roaring Nineties. A New History of the World´s Most Prosperous Decade”: Stiglitz beschreibt die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in den USA der 1990er.
Linktipps:
- Dax-Rendite-Dreieck des Deutschen Aktieninstituts:
https://www.dai.de/fileadmin/user_upload/241231_DAX-Rendite-Dreieck_50_Jahre_Web.pdf
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHER
Amsterdam im August 1602: Mehrere Männer beugen sich über ein dickes Buch mit Pergament-Einband. Ein Notar, ein Buchhalter und der Direktor Dirck van Os sind darunter. In seinem Haus findet das Treffen statt. Die Männer gehen Namen und Beträge durch. Erst jetzt, gegen Abend, kehrt Ruhe in das Haus der van Os ein. Der Tag war hektisch – den ganzen Tag kamen Kaufleute, um sich eintragen zu lassen. Sie alle sind nun Teilhaber der Vereinigten Ostindischen Kompanie, kurz VOC.
SPRECHERIN
Die VOC gilt als erste Aktiengesellschaft der modernen Geschichte. In ihr haben sich verschiedene Unternehmen zusammengeschlossen – und jeder, der das nötige Geld hatte, konnte Anteile daran erwerben. Die neue Gesellschaft will Handelsreisen nach Südostasien finanzieren. Ein teures Unternehmen.
SPRECHER
Um kurz vor Mitternacht geht noch mal die Tür auf.
MUSIK Repeat after me
SPRECHER
Neeltgen Cornelis, das Hausmädchen der van Os, kommt herein. Auch sie möchte investieren. Lange hat sie mit sich gerungen – als Hausangestellte verdient sie gerade einmal 50 Cent am Tag. Aber die Vorhaben der neuen Gesellschaft klingen einfach so verlockend: Nelken, Pfeffer, Muskatnuss will man importieren, die seltenen Gewürze erzielen in den Niederlanden Höchstpreise. Die Gelegenheit scheint einmalig. Cornelis lässt sich eintragen – mit stolzen 100 Gulden!
SPRECHERIN
Mehr als 1000 Menschen kauften damals Anteile, darunter wohlhabende Kaufleute, aber auch sogenannte kleine Leute – Handwerker, Witwen, Hausangestellte – was ungewöhnlich war für die Zeit. Der niederländische Forscher Lodewijk Petram, Autor des Buches „The Worlds First Stock Exchange“, spricht von einem „frühen Volkskapitalismus“.
MUSIK Repeat after me reduziert
SPRECHER
Die Anteile an der VOC sind bald stark nachgefragt. In Wirtshäusern und an der Brücke am Hafen wechseln sie den Besitzer. Alle hoffen auf gute Gewinne und wollen teilhaben an den abenteuerlichen Reisen nach Südostasien – zumindest auf dem Papier! Aber es gibt auch schon Formen der Kursmanipulation: Gerüchte werden gezielt in die Welt gesetzt, eines der Schiffe der VOC sei gesunken – der Kurs der Anteile fällt.
SPRECHERIN
Um den Handel zu regulieren, gründet die Regierung 1611 die Amsterdamer Börse – die erste Wertpapier-Börse der Welt. Bald entstehen weitere Handelsgesellschaften, zum Beispiel die Westindische Compagnie, deren Anteile ebenfalls über die Börse gehandelt werden. Auch die VOC-Anteile sind weiterhin gefragt, kein Wunder, bei den üppigen Dividenden, die die Gesellschaft regelmäßig auszahlt. Und als der Handel mal stockt, bekommen die Anteilseignerinnen und Anteilseigner einen ebenbürtigen Ersatz – ein Säckchen Pfeffer!
SPRECHER
In den Genuss des Pfeffers kommt das Hausmädchen Neeltgen Cornelis übrigens nicht mehr. Sie hat ihre Anteile schon kurz nach der Zeichnung wieder verkauft. Warum ist nicht bekannt. Der niederländische Forscher Petram vermutet, dass sie das Geld brauchte.
MUSIK Maximum attention reduced
SPRECHERIN
Im 17. und 18. Jahrhundert entstehen viele der heute bedeutendsten Börsenplätze: Die London Stock Exchange, die Bourse de Paris und die New York Stock Exchange an der Wall Street.
SPRECHER
Im Laufe der Zeit nimmt ihre Bedeutung immer mehr zu, vor allem mit der beginnenden Industrialisierung, in Deutschland Anfang des 19. Jahrhunderts, sagt der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe. Er ist emeritierter Professor der Universität Frankfurt.
01 O-TON (Plumpe)
Die meisten Industrieunternehmen der Frühzeit waren noch relativ billig, könnte man sagen. Die wurden aus Ersparnissen, aus dem Handel heraus, zum Teil über Verwandtschaftsnetzwerke finanziert. Aber je größer der Kapitalaufwand wurde, um so bedeutender wurde die Frage: Wo kann ich das Geld herbekommen? Und da spielen die Börsen als Kapital-Sammelstellen dann die entscheidende Rolle. Und die ersten Unternehmen, die in erheblichem Maße Kapital an den Börsen mobilisiert haben, sind Eisenbahnunternehmen gewesen.
SPRECHERIN
Auch die Bayerische Ludwigsbahn sammelt 1835 auf diese Weise Geld ein, um die sechs Kilometer lange Strecke zwischen Nürnberg und Fürth zu finanzieren. Die Nachfrage ist enorm. Denn auch das Bürgertum will am Eisenbahnbau teilhaben. Zuvor investierte vor allem die Oberschicht.
02 O-TON (Plumpe)
Die Eisenbahnen ändern das insofern, als sie nun das erste Mal eine populäre und moderne, könnte man sagen, Anlage möglich machen, die im Bürgertum sehr schnell sehr attraktiv wird. Da kann man Geld mit verdienen. Das ist eine Zukunftsinvestition. Und die ersten Eisenbahnunternehmen, die an die Börse gehen und die dort sagen, wir wollen Aktien auflegen, die sind sehr schnell überzeichnet.
SPRECHERIN
Das heißt, bald gibt es so einen Run auf die Papiere, dass der Wert stark steigt. Die Begeisterung für die Börse nimmt ab Mitte des 19. Jahrhunderts weiter zu.
03 O-TON (Plumpe)
Alle deutschen großen Chemieunternehmen sind in dieser Zeit gegründet worden, also Bayer, BASF, Hoechst, aber auch viele Industrieunternehmen: Der große Aufstieg von Siemens, von Krupp, das alles fällt in diese Zeit hinein.
MUSIK Reputation building
SPRECHERIN
Die Geschäfte florieren, die Anteilseigner und Eignerinnen verdienen gut. Aus der Begeisterung wird bald Euphorie.
04 O-TON (Plumpe)
Als 1870 dann im Norddeutschen Bund das Aktienrecht liberalisiert wird, gibt es einen regelrechten Run auf die Börsen. Es werden innerhalb kürzester Zeit Hunderte Unternehmen entweder als Aktiengesellschaften neu gegründet oder herkömmliche Unternehmen werden in Aktiengesellschaften umgewandelt, weil sich die Herrschaften davon versprechen, über steigende Kurse dann entsprechende Gewinne erzielen zu können. Die Zeitgenossen sagten, da entsteht eine Milchmädchenhausse.
SPRECHERIN
Was das ist, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Andreas Hackethal. Er ist Professor an der Universität Frankfurt.
05 O-TON (Hackethal)
Damit ist gemeint: in dem Moment, wo Menschen, die typischerweise mit Wertpapieren, mit Geldanlage nichts zu tun haben, wenn die plötzlich darüber reden, dass sie auch in Aktien investiert haben, dann ist ein Punkt erreicht, wo wirklich jeder versucht, sein Geld zusammenzukratzen und es in diesen Markt hinein zu geben. Und das bedeutet im Umkehrschluss, dass da ganz viel Geld reingeflossen ist – vielleicht zu viel – und die Preise nicht mehr widerspiegeln, was dahinter hängt.
SPRECHERIN
Das entbehrt nicht einer gewissen Arroganz. So nach dem Motto: Wenn schon die Milchmädchen – später heißt es Hausmädchen – investieren, ist der Markt überhitzt. Wobei man aber festhalten kann: Auch Banken, die sich damit eigentlich auskennen sollten, haben immer wieder überteuerte Wertpapiere, auch sogenannte junk bonds, Schrottpapiere gekauft.
MUSIK Breathless
SPRECHER
Aber zurück ins 19. Jahrhundert. Viele Jahre steigen die Kurse, aber irgendwann ist der Markt überhitzt. Auf den Gründerboom folgt der Gründerkrach. Anfang der 1870er gehen in den USA erste Unternehmen Pleite.
06 O-TON (Plumpe)
Und dann ist das wie eine Welle über den Atlantik herübergeschwappt. Es gab Unterseekabel bereits, das heißt, die Informationen sind sehr schnell nach Europa gekommen. Und dann sind die Leute natürlich nervös geworden. In Berlin bricht eine Bank, die Quistorpsche Vereinsbank, zusammen, und die hat relativ viele Gläubiger.
SPRECHERIN
Der Bauunternehmer Heinrich Quistorp hatte die Vereinsbank erst wenige Jahre zuvor gegründet. Weil sie an vielen Immobilien- und Infrastrukturprojekten beteiligt ist, löst ihr Konkurs 1873 eine regelrechte Kettenreaktion aus: Viele weitere Banken und Firmen geraten in finanzielle Schwierigkeiten. Die Folge ist eine langanhaltende Wirtschaftskrise, mit Pleiten, vielen Arbeitslosen – und der Frage: Wer ist schuld an der Misere?
07 O-TON (Plumpe)
Und im deutschen Publikum führt das dann sehr schnell dazu, dass man glaubt, man sei von den Börsen-Jobbern über den Tisch gezogen worden sind. Das ist so ein Begriff, den man seinerzeit hatte.
SPRECHERIN
Das Misstrauen gegenüber den Kapitalmärkten in der Bevölkerung ist groß, daran ändert auch das verschärfte Börsengesetz von 1896 nichts.
MUSIK Honor and glory M0007500 060 0.28
SPRECHER
Erst mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges investiert das breite Publikum wieder in Wertpapiere. Das Kaiserreich braucht Geld für die Aufrüstung und gibt Kriegsanleihen aus. Anleihen sind neben Aktien die zweite große Gruppe Wertpapiere. Sie haben eine feste Laufzeit und einen fixen Zinssatz.
08 O-TON (Plumpe)
Lange Zeit werden diese Kriegsanleihen gekauft im Publikum mit einer gewissen patriotischen Begeisterung. Man muss das Vaterland unterstützen, das ist wichtig.
SPRECHERIN
Aber die Deutschen verlieren bekanntlich den Ersten Weltkrieg.
09 O-TON (Plumpe)
1918, als der Krieg vorbei war, war auch die Hoffnung vorbei, dass die deutschen Schulden letztlich von den Besiegten bezahlt würden. Es war andersrum: Das Deutsche Reich hatte die Schulden der anderen zu bezahlen. Und dann war die große Frage: Was passiert eigentlich jetzt mit diesen Kriegsanleihen, die einen großen Teil des Volksvermögens in sich aufgesogen hatten?
SPRECHERIN
Die Regierung tut das, was sie auch in den letzten Kriegsjahren gemacht hat: Sie druckt Unmengen an Geld. Es kommt zur Inflation, später zur Hyperinflation. Das führt auch zu seltsamen Eskapaden an der Börse.
MUSIK Maximum attention reduziert
ZITATOR
Alles spekulierte, ob Chauffeur oder verhungerter Hausbesitzer, Künstler oder Buchhalterin.
SPRECHERIN
Schreibt der Journalist Hans Ostwald 1931 rückblickend auf die 1920er Jahre. Der Grund für die kurze Börseneuphorie: Verliert das Geld sehr schnell an Wert, will man es möglichst schnell ausgeben. Für den Alltagsbedarf – aber auch für spekulative Anlagen. Ostwald beschreibt, wie ein junger Mann auf Kredit spekulierte:
ZITATOR
Da nahm ich tausend Mark und brachte sie morgens zur Bank (…). Da gab man den Auftrag, für viertausend Mark Papiere zu kaufen. Damals brauchte man ja nur zwanzig oder fünfundzwanzig Prozent einzahlen! Und einen oder zwei Tage später standen die Papiere (…) bei sechs, acht – ja zehn oder zwölftausend! Da brauchte man bloß einen Teil verkaufen – und das Konto war ausgeglichen! (…) Na, und dann gab man immer wieder Auftrag zum Kaufen.
SPRECHERIN
1923 kommt die Währungsreform: Acht Nullen lässt die Regierung streichen, aus einer Billion Mark wird eine Rentenmark. Das stoppt die Inflation, gleichzeitig sind aber auch Kriegsanleihen nichts mehr wert. De facto kommt das einer Enteignung gleich.
10 O-TON (Plumpe)
Das war für die Weimarer Republik eine gewaltige Belastung, weil - Gustav Stresemann, der Reichsaußenminister, hat das irgendwann mal ganz deutlich gesagt – weil gerade das Publikum, das traditionell eher staatstragend konservativ ist, letztlich enteignet worden ist. Und die hatten ein gewaltiges Misstrauen gegen die Republik dann.
MUSIK Charleston Party
SPRECHERIN
Anders als in Deutschland gibt es in den USA in den 1920ern einen längeren Wirtschaftsaufschwung. Es sind die Roaring Twenties, die Wilden Zwanziger. Autos, Radios, Kühlschränke – immer mehr Menschen können sich solche Dinge leisten. Das beflügelt auch die Börse. Erstmals werden investment trusts, Aktienfonds, populär. Sie bündeln Wertpapiere mehrerer Unternehmen. Wer Anteile an einem Aktienfonds kauft, investiert also gleichzeitig in mehrere Firmen. Das mindert das Risiko eines Totalausfalls, sollte ein Unternehmen mal Pleite gehen.
SPRECHER
Allerdings schützen auch Aktienfonds nicht vor Verlusten, wenn die gesamte Wirtschaft auf Talfahrt geht – und das tut sie: 1929, am Schwarzen Donnerstag crasht die Wall Street.
MUSIK Terror drone
SPRECHER
Es folgt eine katastrophale Wirtschaftskrise, die sich zur Großen Depression auswächst – weltweit. 1932 gibt es im Deutschen Reich sechs Millionen Arbeitslose. Das trägt zum Aufstieg der Nationalsozialisten bei, Hitler kommt an die Macht. Erneut rüstet sich Deutschland für einen Krieg – und braucht dafür Geld. Aber anders als im Ersten Weltkrieg setzen die Nationalsozialisten nicht auf die Ersparnisse der Bevölkerung, zumindest nicht direkt.
11 O-TON (Plumpe)
Man hat eine sogenannte geräuschlose Kriegsfinanzierung betrieben, das heißt, man hat die großen Kapital-Sammelstellen – die Sparkassen, die Banken, die Versicherungen – gezwungen, Staatsanleihen zu kaufen, das aber nicht zu veröffentlichen, sodass die Menschen, die ihr Geld auf die Sparkasse gebracht haben, die dachten, das liegt jetzt sicher bei der Sparkasse oder da oder da, die wussten gar nicht, dass die das sofort wieder in Anleihen umsetzen mussten.
SPRECHERIN
Wieder verliert Deutschland den Krieg. Wieder steht man vor einem gewaltigen Schuldenberg.
12 O-TON (Plumpe)
Aber es ist ähnlich gelöst worden wie nach dem Ersten Weltkrieg mit einer sogenannten Währungsreform. Und es wurden wiederum alle enteignet 1948, am 20. Juni.
SPRECHERIN
In den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg spielen Börsen hierzulande keine große Rolle. Die Menschen haben ihr Sparbuch – und wenig Interesse an Aktien oder Anleihen. Unternehmensbeteiligungen werden erst ab den 1970ern wieder interessant.
13 O-TON (Plumpe)
Da kommen neue Produkte auf, da gibt es dann plötzlich Erfolgsgeschichten im Bereich der Informationstechnologien. Da werden Unternehmen wie Apple und Microsoft und andere gegründet.
MUSIK Reputation building
SPRECHERIN
Angefacht wird der Börsenaufschwung durch politische Maßnahmen, zunächst in Großbritannien: 1986 gibt es unter Premierministerin Margaret Thatcher den sogenannten Big Bang, den großen Knall. Von heute auf morgen wird die Londoner Börse umfassend dereguliert und gleichzeitig auf elektronischen Handel umgestellt. Andere Länder ziehen nach – die USA Ende der 1980er, Deutschland in den 90ern. Fortan fließt viel Kapital in die Finanzmärkte. Der Renner sind japanische Firmen.
14 O-TON (Plumpe)
In Japan gehen die Börsenkurse gewaltig durch die Decke, in den USA auch. Und plötzlich ist wieder das da, was wir aus dem 19. Jahrhundert kennen, nämlich die Fantasie. Und wenn Sie zwei Dinge zusammen haben, nämlich leichte Kredite und Fantasie an den Kapitalmärkten, dann können Sie davon ausgehen, dass da die Marie abgeht.
SPRECHERIN
Die Aktionäre machen eine Zeit lang viel Gewinn mit Aktien – aber dann gibt es einen ersten Dämpfer, im Oktober 1987, am sogenannten Schwarzen Montag: Ohne besonderen Grund stürzen Aktienkurse ab, der amerikanische Leitindex Dow Jones fällt in kürzester Zeit um mehr als 20 Prozent – der größte Tagesverlust in der US-Geschichte. Man macht elektronische Verkaufsorder dafür verantwortlich. Sie verkaufen automatisch, wenn der Aktienkurs einen bestimmten Wert erreicht. Seitdem gibt es quasi an allen Börsen automatische Handelsstopps, wenn die Kurse kurzfristig zu stark fallen.
SPRECHER
Und noch etwas beginnt damals: Die US-Notenbank unter Alan Greenspan stellt erstmals systematisch Liquidität bereit und sichert so das Vertrauen in die Finanzmärkte. Die Börsenparty geht weiter – oder besser gesagt: geht jetzt richtig los, auch in Deutschland: