In dieser Diskussion kommen Philipp Ther, ein renommierter Osteuropahistoriker, und Tamara Ehs, eine engagierte Politikwissenschaftlerin und Demokratieaktivistin, zu Wort. Sie analysieren die Abkehr von liberaler Demokratie in Ungarn und Polen und erörtern den Widerstand gegen autoritäre Tendenzen in Mitteleuropa. Dabei beleuchten sie die Rolle von Viktor Orbán sowie die Herausforderungen für demokratische Bewegungen. Die Bedeutung von Bürgerbeteiligung und die Verbindung zwischen politischer Teilhabe und sozialer Ungleichheit werden ebenfalls thematisiert.
Die autoritäre Wende in Ungarn und Polen wird durch populistische Narrative und soziale Ungleichheit vorangetrieben, was die Demokratie gefährdet.
Trotz der repressiven Maßnahmen existieren zivilgesellschaftliche Bewegungen, die für demokratische Werte kämpfen und jedoch stark unter Druck stehen.
Deep dives
Aufstieg autoritärer Regierungen in Mitteleuropa
In Ungarn und Polen haben autoritäre und halbautoritäre Regierungen, angeführt von Viktor Orban und Jaroslaw Kaczynski, die liberale Demokratie systematisch untergraben. Dieser Rückschritt in der politischen Kultur überrascht viele, da die demokratischen Bewegungen von 1989 große Hoffnungen weckten. Eine autokratische Wende, unterstützt durch Veränderungen im Wahlrecht und massive Einschränkungen der Medienfreiheit, hat diesen Ländern eine andere Richtung gegeben. Das Ziel dieser Regierungen scheint es zu sein, ihre Macht durch populistische Narrative und eine nationalistische Rhetorik zu legitimieren.
Soziale Ungleichheit und politische Entfremdung
Steigende soziale und regionale Ungleichheit stellen einen bedeutenden Faktor dar, der die Entstehung autoritärer Regime in diesen Ländern begünstigt hat. Viele Menschen fühlen sich als Verlierer der Transformation der letzten 30 Jahre und sehen eine Verkettung von Enttäuschungen, die der Rechtspopulismus geschickt für sich nutzt. Der Verlust von Arbeitsplatzsicherheit und eine wachsende Kluft zwischen sozialen Schichten tragen zur Radikalisierung bei. Diese Dynamik hat auch zur Demobilisierung von Wählerinnen und Wählern geführt, wodurch extremistische Positionen an Glaubwürdigkeit gewinnen.
Der Einfluss der Europäischen Union
Die Europäische Union hat in der Vergangenheit eine passive Rolle im Umgang mit den Entwicklungen in Ungarn und Polen gespielt, was zu einem erheblichen Abbau von Rechtsstaatlichkeit führte. Es wurde kritisiert, dass Mitgliedstaaten, trotz der Nichteinhaltung von EU-Kriterien, weiterhin unterstützt wurden, ohne bedeutende Konsequenzen zu ziehen. Diese Toleranz hat es den autoritären Regierungen ermöglicht, ihre Positionen zu festigen, während demokratische Werte ignoriert wurden. Zukünftige Strategien der EU sollten aktiver darauf abzielen, die Einhaltung demokratischer Standards zu fördern und Überwachungsmechanismen zu verstärken.
Die Rolle der Zivilgesellschaft und zukünftige Herausforderungen
Trotz der autoritären Strömungen gibt es in Ungarn und Polen weiterhin lebendige zivilgesellschaftliche Bewegungen, die sich gegen die Unterdrückung wehren. Diese Bewegungen sind jedoch oft stark unter Druck und kämpfen gegen Gleichschaltung der Medien und Repression. Die Diskreditierung sozialdemokratischer Parteien hat darüber hinaus das politische Spektrum verengt, sodass populistische Parteien sozialen Raum beanspruchen können. Um die Demokratie zu stärken, wird eine stärkere Bürgerbeteiligung und ein Überdenken der sozialen Ungleichheit als Grundpfeiler der politischen Kultur unabdingbar sein.
Die Regierungen in Ungarn und Polen setzen sich von der liberalen Demokratie des Westens ab. Wie stark ist der Widerstand? Zu hören sind der Historiker und Osteuropaexperte Phillip Ther und die Politikwissenschaftlerin Tamara Ehs in einer Wiener Vorlesung mit Günther Kaindlsdorfer. Einleitende Worte spricht Raimund Löw.
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