#311 deep dive: Wie viel Zukunft haben Österreichs Medien? mit Anita Zielina und Sebastian Loudon
Jul 16, 2024
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In dieser spannenden Unterhaltung sprechen Anita Zielina, CEO des Better Leaders Lab mit umfangreicher Erfahrung in der Medienbranche, und Sebastian Loudon, Herausgeber des Monatsmagazins DATUM, über die Zukunft der österreichischen Medien. Sie erörtern die Herausforderungen der Digitalisierung und den Rückgang des Journalismus. Auch wird eine positive Sicht auf die Medienzukunft bis 2040 skizziert, die Innovation und Diversität in den Vordergrund stellt. Darüber hinaus beleuchten sie die Rolle der Medien für die Demokratie und die Notwendigkeit eines fundierten Servicejournalismus.
Der österreichische Medienmarkt ist stark konzentriert und von wenigen großen Akteuren dominiert, was die Vielfalt der Meinungen gefährdet.
Die enge Verbindung zwischen Politik und Medien in Österreich untergräbt die journalistische Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit.
Der digitale Wandel zwingt traditionelle Medien, innovative Finanzierungsmodelle zu entwickeln, um ihre Existenz und die Qualität des Journalismus zu sichern.
Die Verantwortung der Öffentlichkeit ist entscheidend, um qualitativ hochwertigen Journalismus zu fördern und dessen Glaubwürdigkeit zu stärken.
Deep dives
Österreichischer Medienmarkt und seine Besonderheiten
Der österreichische Medienmarkt zeichnet sich durch eine geringe Konkurrenz und eine hohe Konzentration aus, da die meisten Medienunternehmen großen Konglomeraten oder Eigentümern gehören. Dies führt zu einer besorgniserregenden Lage, in der nur wenige Akteure den Markt dominieren. Trotz dieser Konzentration gibt es eine traditionell hohe Nutzung von Printmedien, da ein großer Teil der Bevölkerung immer noch auf Zeitungen und Magazine zurückgreift. Der enge Zusammenhang zwischen Politik und Medien verstärkt diese Probleme weiter, und es ist oft schwierig, eine klare Distanz zwischen ihnen zu wahren.
Herausforderungen für die Medienlandschaft
Die drei großen Boulevardmedien in Österreich, wie die Kronenzeitung, haben einen erheblichen Einfluss auf die Medienberichterstattung und die öffentliche Meinung. Ein zentrales Problem ist, dass die nahezu identische Sprache im Journalismus und die gleichartige Berichterstattung zu einer Monotonie führen. Zudem ist der deutsche Markt, als wesentlich größerer Nachbar, für österreichische Medien ein starker Wettbewerber, insbesondere im Fernsehbereich. Ähnliche Herausforderungen finden sich im Printbereich, wobei regionale Zeitungen einen wichtigen Platz einnehmen, aber auch mit sinkenden Auflagenzahlen kämpfen.
Einfluss der Politik auf die Medien
Der Einfluss der Politik auf die Medien ist in Österreich sowohl historisch als auch gegenwärtig erheblich, wobei Inserate von staatlichen Stellen eine bedeutende Einnahmequelle für viele Medien darstellen. Diese Abhängigkeit führt zu einer problematischen Verbindung zwischen politischer Meinung und journalistischer Unabhängigkeit, wobei es oft schwierig ist zu erkennen, wo die redaktionelle Berichterstattung endet und politische Interessen beginnen. Die Inseratspraxis hat die Glaubwürdigkeit vieler Medien untergraben und beeinflusst die journalistische Integrität. Diese toxische Beziehung zwischen Medien und Politik hindert eine objektive und faire Berichterstattung.
Der digitale Wandel und seine Auswirkungen
Der digitale Wandel hat das Mediennutzungsverhalten grundlegend verändert, wobei immer weniger Menschen traditionelle Printmedien abonnieren und zunehmend digitale Plattformen nutzen. Verbrauchende auf klassische Medienmodelle kann nicht mehr monetarisiert oder skalierbar gestaltet werden, da zahlreiche Online-Plattformen wie Facebook und Google um die Werbung konkurrieren. Diese Verschiebung hat zu einem Rückgang der Ressourcen und Mitarbeiter in traditionellen Medien geführt, was als bedrohliches Signal für die zukünftige Qualität und Nachhaltigkeit von Journalismus gewertet wird. Eine verminderte Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für Inhalte hat dazu geführt, dass viele Medienunternehmen in eine existenzielle Krise geraten.
Qualitätsjournalismus und Medienförderung
Es gibt weiterhin einen hohen Bedarf an qualitativ hochwertigem Journalismus, doch die traditionelle Finanzierung durch Werbung ist unzureichend geworden. Daher ist eine überlegte Medienförderung notwendig, um und auch innovative Ansätze zur Finanzierung von Journalismus zu entwickeln. Eine Mischung aus unterschiedlichen Einnahmequellen, wie beispielsweise Abonnements, Werbung und Spenden, ist entscheidend für das Überleben von Medien. Eine kritische Diskussion über die Notwendigkeit und die Methodik von Medienförderungen könnte dazu beitragen, ein nachhaltigeres und fließenderes Mediensystem zu schaffen.
Zukunft des Journalismus: Utopie vs. Dystopie
Der Diskurs über die Zukunft des Journalismus dreht sich sowohl um mögliche positive Veränderungen als auch um das Risiko eines Verfalls in die Dystopie, wenn traditionelle Medien nicht innovativ genug sind. Eine positive Utopie würde die Schaffung neuer Formen des Journalismus einschließen, die auf unterschiedliche Konsumbedürfnisse reagieren und die Zielgruppe mit einbeziehen. Dagegen steht die Angst vor dem Verlust an Glaubwürdigkeit und Qualität, wenn Medienunternehmen alte Geschäftsmodelle nicht anpassen. Diese beiden Perspektiven manifestieren sich im täglichen Verlauf und in den Herausforderungen, die Zeitungen, Magazine und digitale Plattformen betreffen.
Rolle der Öffentlichkeit und ihre Verantwortung
Die Verantwortung der Öffentlichkeit spielt eine wesentliche Rolle im Reformprozess der Medienlandschaft in Österreich, da die Konsumenten nicht nur passive Rezeptoren von Inhalten sein sollten, sondern aktiv für Qualität und Wahrheit im Journalismus eintreten müssen. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten und die Bereitschaft, Geld für gute Berichterstattung auszugeben, sind notwendig, um unabhängigen Journalismus zu fördern. Dies impliziert auch eine Aufklärung darüber, was guten Journalismus auszeichnet und warum es wichtig ist, hierfür zu bezahlen. Nur wenn die Öffentlichkeit bereit ist, in die Qualität des Journalismus zu investieren, kann ein nachhaltiges Mediensystem entstehen, das sowohl die Demokratie als auch die Gemeinschaft in Österreich stärkt.
Krone, Standard, Kurier: Wie viel Zukunft haben Österreichs Medien? Ein deep dive mit Anita Zielina und Sebastian Loudon über das Journalistenschwinden, Digitalisierung und positive Utopien für eine gut informierte Zukunft.
Anita Zielina ist CEO des Better Leaders Lab. Sie berät Medien in den USA, Deutschland und Österreich und wurde von den Neos in den ORF-Stiftungsrat berufen. Zuvor war sie für den Standard, den Stern und die NZZ tätig und lange in den USA.
Sebastian Loudon ist Herausgeber des Monatsmagazins DATUM. Er war lange Zeit Repräsentant der ZEIT in Österreich und zuvor Chefredakteur des Branchenmediums Horizont.
Anitas Büchertipps:
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