
SWR Kultur lesenswert - Literatur Pistolenschüsse, Petticoats und Philosophie – Alessandro Baricco hat einen metaphysischen Wild-West-Roman verfasst
Nov 26, 2025
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Der neue Roman „Abel“ von Alessandro Baricco trägt den Untertitel: „Ein metaphysischer Western“. Baricco verbindet das klassische Wild-West-Genre mit philosophischen, aber auch mythischen Elementen.
Sein Held heißt Abel Crow. Mit dem biblischen Abel hat er an sich wenig zu tun. Abel Crow ist nämlich von Beruf „Pistolero“, Revolverheld und Sheriff in Personalunion.
Die Philosophie des Pistoleros
Wenn du beide Pistolen ziehst, um zwei Ziele gleichzeitig zu treffen, dann heißt dieser Schuss der Mystiker. Ich weiß nicht warum, aber ich liebe den Mystiker. Ich führe ihn als überkreuzten Schuss aus.Diese Form von schusstechnischer Mystik führt Abel allerdings in den Bereich der Mathematik.Quelle: Alessandro Baricco – Abel
Im Übrigen war Gott, so behauptete Kepler, Geometrie in Reinform, bevor die Dinge zu Dingen wurden.Der Naturwissenschaftler und Naturphilosoph Johannes Kepler wird auch als pythagoreischer Mystiker bezeichnet. Dies deswegen, weil er mathematische Beziehungen als Grundlage für das Verständnis von Schöpfergott und Schöpfung ansah. Abel Crow hat auch einen „Meister“, der ihm nicht nur Schusstechnik, sondern Existentielles beibringt. Beide studieren gemeinsam Platons „Symposion“ – ein Muss für jeden denkenden Pistolero. Eines Tages fragt der Meister Abel Crow, ob er bei Pistolenduellen Angst verspüre. Da Abel zögert, lässt ihn der Meister wissen.Quelle: Alessandro Baricco – Abel
Wer schießt, ohne Angst zu haben, ist entweder dumm, oder er konnte seine Angst von der Oberfläche seiner Welt verscheuchen, um sie in einem Verließ zu begraben, wo sie auf unsichtbare und grausame Weise wachsen wird. Darum gibt es in Wirklichkeit niemanden, der die Angst so kennt wie die Pistoleros, die keine Angst haben.Das ist eine entwaffnende Existenzphilosophie. Denn „Angst“ ist für den Philosophen Martin Heidegger eine Grundkonstante des menschlichen Seins. Wer sich die eigene Angst bewusst macht, ob im Pistolenduell oder sonst wo, der hat eben keine Angst mehr – vor der Angst.Quelle: Alessandro Baricco – Abel
