#279 "Beyond Molotovs": Braucht linke Politik mehr Raum für Gefühle?
Oct 23, 2024
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Aurel Eschmann, Sozialwissenschaftler mit Fokus auf Autoritarismus in Indien und China, und Paul Schweizer, Geograph und politischer Bildner, besprechen die Macht der Emotionen in der Politik. Sie beleuchten, wie reaktionäre Kräfte Gefühle effektiv nutzen, während linke Bewegungen oft auf rationalen Diskurs setzen. Die beiden Gäste stellen ihr Buch 'Beyond Molotovs' vor, das kreative, affektive Strategien gegen Autoritarismus und Faschismus präsentiert. Sie betonen die Notwendigkeit, Emotionen wie Wut und Trauer im politischen Aktivismus zu integrieren und solidarische Gemeinschaften zu fördern.
Emotionen spielen eine entscheidende Rolle in der politischen Mobilisierung, und linke Bewegungen müssen lernen, kollektive Gefühle effektiv zu nutzen.
Kreative und ästhetische Ausdrucksformen sind unverzichtbar im Widerstand gegen Autoritarismus, da sie neue identitäre Bindungen und Gemeinschaften schaffen können.
Affektive Gegenstrategien, die Freude und Solidarität hervorheben, sind zentral, um den Herausforderungen von Autoritarismus und Faschismus effektiv zu begegnen.
Deep dives
Die Rolle der Emotionen in der Politik
Emotionen und Affekte spielen eine zentrale Rolle in der politischen Mobilisierung und werden oft von autoritären Bewegungen erfolgreich genutzt. Der Podcast weist darauf hin, dass viele progressive Bewegungen auf einer rationalen Ebene agieren und dabei die affektive Dimension vernachlässigen. Dies ist problematisch, da faschistische und autoritäre Bewegungen oft durch emotionale Ansprache und das Schüren von Ängsten die Bevölkerung mobilisieren. Um dem entgegenzuwirken, müssen linke Bewegungen lernen, kollektive Emotionen zu mobilisieren und solidarische Gefühle zu stärken.
Kreative Ausdrucksformen als Widerstand
Der Podcast thematisiert die Notwendigkeit, kreative und ästhetische Ausdrucksformen zu nutzen, um gegen Autoritarismus zu kämpfen. Künste wie Musik, Graffiti und performative Kunst können dazu beitragen, neue Identitäten und solidarische Gemeinschaften zu schaffen. Ein Beispiel wird im Rahmen von Protesten in Myanmar angeführt, wo emotional verbindende Symbole entwickelt wurden, um eine kollektive Identität aufzubauen. Solche Praktiken zeigen auf, dass Kreativität im Widerstand wichtig ist, denn sie ermöglichen es, in einer repressiven Umgebung alternative Räume der Begegnung und Unterstützung zu schaffen.
Das Versagen rationaler Argumente
Rationale Argumentation allein reicht nicht aus, um Menschen zu mobilisieren oder sie im Widerstand zu vereinen. Oft sind emotionalisierende Taktiken erfolgreicher, wie die Beispiele aus verschiedenen politischen Kämpfen zeigen. Menschen werden eher von persönlichen, emotionalen Erfahrungen oder gemeinschaftlichen Erlebnissen motiviert, als von trockenen politischen Analysen. Der Podcast erläutert, dass historische Beispiele belegen, dass kollektive Emotionen oft zu politischer Mobilisierung führen.
Kulturelle Identifikation und Symbole
Der Podcast beschreibt die Bedeutung von Symbolen und Identifikationsmomenten in politischen Bewegungen. Kulturelle Ausdrucksformen, sei es durch symbolische Kleidung oder kreative Protestkunst, können dazu beitragen, eine gemeinsame Identität innerhalb einer Bewegung zu stärken. Die Diskussion hebt hervor, wie kraftvoll Symbole wie das grüne Halstuch in Argentinien geworden sind, das für den Kampf um reproduktive Rechte steht. Diese Symbole schaffen eine kollektive Erinnerung und verbinden individuelle Kämpfe mit breiteren gesellschaftlichen Anliegen.
Das Potenzial von affektiven Gegenstrategien
Affektive Gegenstrategien werden als entscheidend angesehen, um Autoritarismus und Faschismus entgegenzutreten. Diese Strategien zielen darauf ab, gemeinschaftliches Gefühl, Freude und Solidarität zu schaffen, um Menschen zusammenzubringen. Der Einsatz von Humor und kreativen Medien wie Memes kann helfen, die Absurditäten autoritärer Politik sichtbar zu machen. Durch das Herstellen von Verbindungen zwischen Menschen und das Feiern von Leben und Vielfalt wird die Strömung der Hoffnung und der positiven Affekte gefördert.
Praktische Beispiele und Engagement
Im Podcast wird die Wichtigkeit praktischer Beispiele betont, die in dem Buch 'Beyond Molotovs' zusammengetragen sind. Diese Beispiele illustrieren, wie Menschen weltweit kreative Methoden nutzen, um politischen Widerstand zu leisten. Die Diskussion fördert das Verständnis, dass es nicht nur um politische Theorie geht, sondern um das Handeln im Hier und Jetzt. Kollektive Projekte und lokale Initiativen zeigen, wie einzelne Rahmenbedingungen genutzt werden können, um die Gesellschaft positiv zu beeinflussen.
Aurel Eschmann und Paul Schweizer über affektive Strategien gegen Rechtsruck und Faschismus
Reaktionäre und Rechte sind weltweit erfolgreich, mit Gefühlen Politik zu machen. Wie kann eine linke Antwort auf die autoritären Affektpolitiken der Gegenwart aussehen? Auf diese Frage sucht der visuelle Sammelband "Beyond Molotovs" Antworten, er zeigt wie sich durch sinnliche, künstlerische und ästhetische Ausdrucksformen Menschen gegen Autoritarismus und Faschismus mobilisieren lassen. Im Dissens Podcast sprechen Aurel Eschmann und Paul Schweizer aus dem Herausgeber*innen-Kollektiv über die Psychologie hinter Rechtsruck und Faschismus, die Wichtigkeit von affektiven Gegenstrategien und Wut als Ausgangspunkt für das gute Leben.
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Aurel Eschmann ist Sozialwissenschaftler und Aktivist. Seine Interessenschwerpunkte liegen auf dem Zusammenspiel von Autoritarismus und Neoliberalismus in Indien und China. Er hat weltweit an verschiedenen Univeristäten studiert und geforscht.
Paul Schweizer ist Geograph und politischer Bildner. Als Teil von kollektiv orangotango co-kuratiert er die counter-mapping Plattform 'This Is Not an Atlas' und begleitet militante Kartierungsprozesse in Europa und Lateinamerika.