Max Polonyi, Reporter beim SPIEGEL, beleuchtet die Hintergründe des viralen Hits »Sigma Boy«. Ist der Song eine subtile Form russischer Propaganda? Er diskutiert, wie ein bayerischer Schüler und ein Influencer zur Popularität des Songs beigetragen haben. Polonyi erklärt die gesellschaftlichen Kontroversen, die den Song umgeben, und warnt vor möglichen Beeinflussungen der jüngeren Generation. Zudem wird die politische Melodisierung von Musik als Mittel der Softpower und deren historische Parallelen zum Kalten Krieg behandelt.
Der virale Erfolg von 'Sigma Boy' zeigt, wie Social Media Trends formen und Musik global verbreiten können.
Die Kontroversen um die politische Implikation des Songs verdeutlichen die Sensibilität im Umgang mit Kulturexporten aus Russland.
Deep dives
Hintergrund und Komposition von Sigma Boy
Der Song 'Sigma Boy' wurde von Mikhail Tschertischew, einem relativ unbekannten russischen Komponisten, erstellt, der bereits an patriotischen Animationsfilmen gearbeitet hat. Tschertischew nahm die Melodie mit einem Diktaphon auf und erkannte sofort, dass sie das Potenzial für einen Hit hatte, als er sie seiner Tochter vorspielte, die sie begeistert nachsummte. Die eingängige Melodie und die Kinderstimmen der beiden zwölfjährigen Sängerinnen, Maria und Svetlana, tragen ebenfalls zum Erfolg des Songs bei. Es wird darauf hingewiesen, dass das Genre des Songs als 'Cute Pop' bezeichnet wird, was die Anziehungskraft auf ein jüngeres Publikum verstärkt und das Gefühl von Vertrautheit und Fremdheit vermittelt, während der Song im Internet viral wurde.
Der virale Erfolg durch Social Media
Die virale Verbreitung von 'Sigma Boy' wurde maßgeblich durch ein wackelig gefilmtes TikTok-Video des deutschen Influencers Streichbruder beeinflusst, der das Lied in einer vollen Münchner U-Bahn abspielte und mit einem Rückwärtssalto endete. Dieses Video – abgesehen von seiner Amateurhaftigkeit – schaffte es, die Aufmerksamkeit vieler Nutzer zu erregen und zu begeistern, was zur Bekanntheit des Songs beitrug. Streichbruder, ein 17-jähriger Schüler, nutzte Clips von TikTok und Instagram, um viralen Inhalt zu kreieren und fand dieses Lied durch die Plattform, genau wie viele andere in der jüngeren Zielgruppe. Der unerwartete Erfolg des Influencers und des Songs zeigt, wie Social Media Trends formen und Musik global verbreiten können.
Kontroversen und kulturelle Wahrnehmung
Die Kontroversen um 'Sigma Boy' betreffen nicht nur seinen viralen Erfolg, sondern auch die damit verbundenen politischen Implikationen, insbesondere in Bezug auf antiwestliche Propaganda. Einige Kritiker, einschließlich Politiker im EU-Parlament, äußerten Bedenken hinsichtlich der patriarchalen und prorussischen Weltanschauungen, die im Lied vermittelt werden könnten. Der Komponist wies jedoch wiederholt darauf hin, dass er keine politischen Absichten hatte, sondern lediglich einen eingängigen Song schreiben wollte, was den Verdacht auf kulturelle Kriegsführung ins Zwielicht stellt. Diese Diskussion verdeutlicht auch, wie sensibel und vorsichtig der Umgang mit Kulturexporten aus Russland betrachtet werden sollte, während gleichzeitig das Risiko von Überinterpretationen besteht.
Russland will westliche Gesellschaften destabilisieren. Ist der TikTok-Hit »Sigma Boy« Teil der Propaganda? Und welche Rolle spielt ein bayerischer Schüler? SPIEGEL-Reporter Max Polonyi hat die Hintergründe recherchiert.
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