
SWR Kultur lesenswert - Literatur Christine Haug und Stephanie Jacobs (Hg.) – Zwischen Zeilen und Zeiten
May 23, 2025
05:20
Zu den Büchern, die von den Nazis 1933 ins Feuer geworfen wurden, gehörte auch Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“. Der 1929 erschienene Antikriegsroman, der sofort zum internationalen Bestseller avancierte, war in Deutschland nach dem Verbot nicht mehr zu haben.
Und doch wurde der Roman schon im März 1945 – als nahezu alles in Schutt und Asche lag – in großer Zahl wieder ausgeliefert. Was wie ein Wunder anmutet, lässt sich recht einfach erklären – und führt zurück ins Jahr 1933.
Der Ullstein Verlag lagerte noch eine Charge mit 120.000 Exemplaren, und der Verleger entschied sich, diese heimlich außerhalb Berlins einzulagern. Eile war geboten, weil bereits ein Jahr später die absehbare Enteignung der jüdischen Verlagsinhaber erfolgte.Quelle: Christine Haug und Stephanie Jacobs (Hg.) – Zwischen Zeilen und Zeiten
Ruchlose Ware
Die heimlich zur Seite geschafften Exemplare überstanden den Krieg unbeschadet und konnten gleich nach Kriegsende verkauft werden. Lernen lässt sich dies aus einem Buch, das jetzt anlässlich des zweihundertsten Geburtstags des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels erschienen ist und das voller spannender Geschichten steckt. Es ist nicht das erste Werk, das sich mit dem ältesten Wirtschaftsverband Deutschlands befasst. Zum 175. Geburtstag kam eine schwergewichtige, leinengebundene Festschrift heraus. Von dieser klassischen Institutionengeschichte sollte sich das neue Buch abheben, erklärt Mitherausgeberin Stephanie Jacobs: „Uns war es wichtig, eine andere Geschichte zu erzählen, indem wir nicht schwergewichtige wissenschaftliche Großaufsätze veröffentlicht haben, sondern versucht haben in 216 kleinen Miszellen, kleinen Anekdoten skurrile, manchmal schräge, manchmal auch verheerende Einblicke in diese zweihundert Jahre zu bringen." Knapp siebzig Autoren führen in chronologischer Ordnung durch mehr als zweihundert Jahre. Denn die kurzweilige „andere Geschichte des Börsenvereins“ beginnt nicht erst 1825, sondern bereits im Jahr 1765. Da nämlich gründete sich eine erste Buchhandlungsgesellschaft, ein Börsenverein avant la lettre, mit dem Ziel, illegale Nachdrucke zu verhindern. Rigoros ging der Verband danach nicht nur gegen Raubkopien, sondern auch gegen die „Verbreitung ruchloser Ware“ vor. Der Buchhändler Friedrich Perthes stiftete 1827 „im Namen der Sittlichkeit“ gar zur Bücherverbrennung an.Das archaische Ritual der Bücherverbrennung wurde im 19. Jahrhundert von den Behörden nicht mehr angewandt. Verbotene Bücher wurden eher eingestampft als verbrannt. Einzelne Parteien und Gruppen jedoch übten die alte Praxis nach eigenem Recht weiter aus.Quelle: Christine Haug und Stephanie Jacobs (Hg.) – Zwischen Zeilen und Zeiten
