Philosophie - Leben zwischen Selbstwirksamkeit und Sachzwängen
Aug 8, 2024
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Dieter Thomä, bis 2023 Professor für Philosophie an der Universität St. Gallen, spricht über das Spannungsfeld zwischen Selbstwirksamkeit und gesellschaftlichen Zwängen. Er diskutiert die komplexen Entscheidungsprozesse und deren Dramatisierung, illustriert durch ein Kriegsmärchen. Thomä beleuchtet die Herausforderungen, die durch Determinismus und individuelle Freiheit entstehen, und reflektiert über Identität und Wandel im Leben. Seine philosophischen Anregungen regen an, über die Balance zwischen persönlicher Verantwortung und äußeren Einflüssen nachzudenken.
Der Vortrag diskutiert den inneren Konflikt zwischen individueller Selbstwirksamkeit und den einschränkenden Sachzwängen, die Entscheidungen beeinflussen.
Die ständige Transformation des Selbst wird als Prozess dargestellt, der individuelles Wachstum und ein dynamisches Verständnis ethischer Entscheidungen fördert.
Deep dives
Das Spannungsfeld von Hyperaktivität und Passivität
Die Gesellschaft konfrontiert ihre Mitglieder mit widersprüchlichen Erwartungen, die sowohl Hyperaktivität als auch Ultra-Passivität fördern. Einerseits wird erwartet, dass Individuen Initiative zeigen und ihre Lebensgestaltung vorantreiben, während gleichzeitig Sachzwänge und Systeme existieren, die das Handeln einschränken. Dieser innere Konflikt kann zu einer ständigen Zerreißprobe führen, in der Menschen ohne klare Orientierung zwischen diesen Polen hin- und hergerissen werden. Die Herausforderung besteht darin, einen ausgewogenen Weg zu finden, der sich nicht in einer extremen Richtung verläuft.
Verantwortung und Entscheidungen
Im Vortrag wird die Frage nach der individuellen Verantwortung im Kontext gesellschaftlicher Entscheidungen beleuchtet. Indem er zwischen Verantwortung und den übermächtigen äußeren Umständen hin- und herwechselt, wird deutlich, dass viele Entscheidungen nicht als klar von Einzelpersonen getroffen verstanden werden können. Ein Beispiel ist der historische Bezug auf die Figur Arthur aus Kleists 'Der Prinz von Homburg', die zwischen eigenen Wünschen und den Erwartungen anderer gefangen ist, was die Schwierigkeit von Entscheidungsprozessen verdeutlicht. Diese Auseinandersetzung zeigt, dass jede Entscheidung stets im Spannungsfeld von individueller Gestaltungsmacht und kollektiven Einflüssen steht.
Dramatisierung versus Entdramatisierung von Entscheidungen
Im Kontext der Entscheidungsfindung werden zwei gegensätzliche Strategien skizziert: Eine Dramatisierung, die individuelle Verantwortung und aktive Lebensgestaltung betont, und eine Entdramatisierung, die Menschen in ihre passive Rolle zurückversetzt. Die Dramatisierung drängt auf Selbstwirksamkeit und erfordert eigenverantwortliches Handeln, während die Entdramatisierung die Menschen in die Opferrolle drängt und ihnen die Kontrolle über ihr Leben entzieht. Dies wird als besorgniserregendes Muster erkannt, das die Kapazität zur Selbstbestimmung untergräbt. Indem diese beiden Ansätze miteinander kombiniert werden, entsteht ein komplexes Bild der menschlichen Entscheidungsfähigkeit in der modernen Welt.
Transformation des Selbst und der Weg zur Kritik
Ein zentraler Gedanke des Vortrags ist die Idee der ständigen Transformation des Selbst, die es ermöglicht, zwischen dem 'alten' und 'neuen Ich' zu navigieren. Dies wird als ein fortlaufender Prozess betrachtet, der individuelle Wachstum und ein besseres Verständnis von ethischen Entscheidungen beinhaltet. Der Referent illustriert, dass das wahrgenommene Dilemma zwischen den verschiedenen Ich-Zuständen nicht statisch ist, sondern sich in einem dynamischen Veränderungsprozess befindet. Dies führt zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Lebensentscheidungen, bei denen das Individuum kontinuierlich aus seinen Erfahrungen lernen und seine Perspektive anpassen kann.
Ein Vortrag des Philosophen Dieter Thomä Moderation: Sibylle Salewski
********** Bin ich nur Spielball gewisser Strukturen, die mich umgeben oder kann ich mein Leben aktiv selbst gestalten? Ein Vortrag des Philosophen Dieter Thomä über zwei widersprüchliche Denkmodelle.
Dieter Thomä war bis 2023 Professor für Philosophie an der Universität St. Gallen. Sein Vortrag hat den Titel "Ich war's! Keiner ist es gewesen! Zur Dramatisierung und Entdramatisierung von Entscheidungen". Er hat ihn am 23. Mai 2024 an der Humboldt-Universität zu Berlin gehalten im Rahmen der Mosse-Lectures 2024, die das Thema haben "Dramen des Entscheidens.
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