Sarah Howe | Wie die Meisterin der Manipulation alleinstehende Frauen ausnahm
Nov 2, 2024
auto_awesome
Im goldenen Zeitalter des 19. Jahrhunderts entblößt die Geschichte von Sarah Howe die Schattenseite des amerikanischen Traums. Sie manipuliert alleinstehende Frauen und verspricht hohe Renditen, obwohl ihr Anlagekonzept nicht existiert. Der Fall beleuchtet nicht nur ihren kriminellen Aufstieg und Fall, sondern auch die gesellschaftlichen Reaktionen und die Rolle der Presse. Eine spannende Analyse der Betrugsmasche zeigt, wie die viktorianischen Rollenbilder Frauen in die Fänge des Betrugs trieben.
Sarah Howe gründete The Ladies Deposit, um alleinstehenden Frauen scheinbar sichere Geldanlagen mit unrealistischen Renditen anzubieten.
Der Betrug von Howe verdeutlicht, wie gesellschaftliche Normen und Geschlechterrollen im 19. Jahrhundert Frauen zu vulnerablen Opfern finanzieller Manipulation machten.
Deep dives
Die Entstehung von The Ladies Deposit
Sarah E. Howe, eine ehemalige Wahrsagerin, gründete in den späten 1870er Jahren The Ladies Deposit, eine Bank, die alleinstehende Frauen ansprach und monatlich 8% Zinsen auf Einlagen versprach. Die Bank hatte ein unwiderstehliches Angebot, das ausschließlich für Frauen ohne eigenes Haus galt. Howe nutzte eine Strategie, die Frauen ein Gefühl der Exklusivität und Sicherheit vermittelte, indem sie luxuriöse Büros in Boston einrichtete und persönliche Beratung anbot. Dieses Konzept zog viele Frauen an, die ihr Geld anlegen wollten, und bereitete den Boden für eines der größten Finanzbetrügereien der damaligen Zeit.
Der Einfluss der Geschlechterrollen
Die Tatsache, dass Sarah Howe eine Frau war und ihre Kunden ausschließlich Frauen waren, spielte eine bedeutende Rolle in der Wahrnehmung und dem Verlauf des Betrugs. Gesellschaftliche Normen der viktorianischen Zeit führten zu der Annahme, dass Frauen minderwertig und leichtgläubig waren, was sie zu idealen Opfern machte. Howe nutzte dieses Vorurteil geschickt aus, indem sie sich als Beschützerin und Beraterin darstellte, während sie gleichzeitig Zweifel über ihre Fähigkeiten oder ihren Charakter in der Gesellschaft aufwarf. Der Betrug wurde teils als Ausdruck der Überlegenheit des Geschlechts wahrgenommen, indem Frauen in der damaligen Zeit suggeriert wurde, sie könnten erfolgreich an Finanzangelegenheiten teilnehmen.
Die Bruchstelle des Betrugs
Der Erfolg von The Ladies Deposit dauerte an, bis kritische Berichterstattung in anderen Zeitungen und ein generelles Misstrauen durch Berichte über ähnliche Fälle in Europa aufkamen. Insbesondere die genannten Zinsen, die Howe gegen Argumente der Unmöglichkeit verteidigte, standen bald zur Debatte. Als immer mehr Frauen begannen, ihre Einlagen zurückzufordern, wurde der wackelige Konstrukteur des Betrugs, der auf neuen Einlagen basierte, sichtbar. In einer finalen Welle von Zweifeln und Misstrauen geriet die Bank schließlich ins Straucheln, als das Geld ausging und die Pflicht zur Auszahlung nicht mehr erfüllt werden konnte.
Das Ende von Sarah Howe
Nach einem langen Gerichtsverfahren wurde Sarah Howe für schuldig befunden, das Vertrauen von 1.200 Anlegerinnen durch Unterschlagung falscher Tatsachen missbraucht zu haben, und erhielt eine dreijährige Haftstrafe. Trotz der Beweise für ihre Täuschungen und Betrügereien behauptete sie weiterhin, keinerlei Unrecht getan zu haben. Nach ihrer Entlassung versuchte sie, ein ähnliches Schema mit einer neuen Bank zu starten, wurde aber erneut entlarvt. Ihr Fall bleibt ein Lehrstück über den Einfluss von sozialen Normen und Geschlechterrollen in der Finanzwelt des 19. Jahrhunderts.
Es ist das „Vergoldete Zeitalter“, wie Mark Twain es nennt: Ende des 19. Jahrhunderts verwandeln sich die USA allmählich in eine wirtschaftliche Weltmacht. Und einige Amerikaner werden innerhalb kürzester Zeit sagenhaft reich.
Sarah Howe allerdings nicht. Sie verdient als Wahrsagerin pro Sitzung 25 Cent. Doch sie will mehr, viel mehr, egal wie. Beobachter schreiben ihr später eine krankhaft gestörte Wahrnehmung von Richtig und Falsch zu.
Und so gründet sie ein Unternehmen, bei dem alleinstehende Frauen ohne eigenes Haus ihr Erspartes anlegen können. Ihr Versprechen: stolze 8 Prozent Rendite im Monat. Doch das Anlagekonzept von „The Ladies’ Deposit“ bleibt völlig unklar – weil es nicht existiert.
Wie es Howe trotzdem gelingt, unzähligen Frauen ihr Erspartes abzuknöpfen, was ein angeblicher Quäker-Fonds damit zu tun hat und weshalb Howes Geschichte eine Blaupause für die Rollenbilder in der viktorianischen Zeit ist, erzählen wir in dieser Folge.
An dieser Folge haben mitgearbeitet:
Redaktion: Jens Schröder, Anna Lauterjung
Sounddesign: Florian Pape
Musik: Christian Heinemann
Sprecher: Thomas Balou Martin
Weitere Stimmen: Sebastian Bowe, Nora Ferfers, Nadine Kröppel, Matthias Ruttkowski, Dominik Zubel
Das exklusive Abo-Angebot für alle Hörerinnen und Hörer vom WiWo History Podcast: wiwo.de/historypodcast
Helfen Sie uns, unsere Podcasts weiter zu verbessern. Ihre Meinung ist uns wichtig: www.wiwo.de/zufriedenheit