Ingo Dachwitz, Redakteur bei netzpolitik.org und Experte für soziale Medien, spricht über die Herausforderungen des politischen Diskurses auf Plattformen wie X. Er kritisiert die naive Rückkehr von Politikern wie Robert Habeck und betont, dass die Algorithmen spaltende Inhalte belohnen. Die Diskussion beleuchtet auch die Rolle von Desinformation im Wahlkampf und wie Plattformen die Integrität der Demokratie gefährden können. Zudem wird der Einfluss von Elon Musk auf die politische Öffentlichkeit in Deutschland thematisiert.
Die Kontrolle über soziale Medien sollte nicht bei Milliardären und Konzernen liegen, sondern bei vertrauenswürdigen Institutionen zur Förderung eines gesitteten Diskurses.
Mastodon wird als vielversprechende Alternative zu kommerziellen Plattformen vorgestellt, da es dezentral funktioniert und Nutzern mehr Wahlfreiheit bezüglich ihrer Interaktionen bietet.
Deep dives
Die Rolle von sozialen Medien im politischen Diskurs
Die Diskussion beleuchtet die problematische Rolle von sozialen Medien bei der Gestaltung politischer Debatten und der Meinungsfreiheit. Es wird betont, dass die Kontrolle über diese Plattformen nicht in den Händen von Milliardären und Unternehmen liegen sollte, sondern besser bei vertrauenswürdigen Institutionen oder der breiten Öffentlichkeit. Diese Kontrolle ist besonders relevant in Wahlkampfzeiten, wo soziale Medien oft als Werkzeuge zur Verbreitung von Desinformation genutzt werden. Eine auf Profit getrimmte Struktur führt dazu, dass die Inhalte, die hochgradig emotional und polarisierend sind, überdurchschnittlich belohnt werden.
Mastodon als Beispiel für dezentrale soziale Medien
Mastodon wird als eine mögliche Alternative zu kommerziellen sozialen Medien vorgestellt, da es dezentral und nicht kommerziell ausgerichtet ist. In Mastodon können verschiedene Communities unterschiedliche Regeln festlegen, was den Nutzern eine bessere Wahlfreiheit bezüglich ihrer Online-Interaktionen gibt. Dieses Modell könnte dazu beitragen, einige der Fehlentwicklungen zu vermeiden, die bei großen, profitorientierten Plattformen wie Facebook oder Twitter zu beobachten sind. Mastodon fördert den Austausch in einem Rahmen, der weniger anfällig für destruktive Algorithmen ist, die beispielsweise wütende Reaktionen belohnen.
Einfluss von Algorithmen auf Inhalte
Die Algorithmen der großen sozialen Medien wie Facebook und Twitter prägen maßgeblich, welche Inhalte Aufmerksamkeit erhalten. Studien zeigen, dass besonders emotionale und konfrontative Inhalte deutlich mehr Reichweite generieren, was zu einer Verzerrung der öffentlichen Diskussion führt. Nutzer, die versuchen, den Plattformen entgegenzuwirken, indem sie Fakten und gegenteilige Meinungen verbreiten, ignorieren oft, dass diese Strategien durch die zugrunde liegenden Algorithmen zu einem Nachteil werden können. Anstelle von rationalem Diskurs fördern die Algorithmen tendenziell Polarisierung und Desinformation.
Die Herausforderung der Desinformation erkennen
Die Problematik der Desinformation wird als ernst, aber oft missverstanden dargestellt. Während Nutzer glaubensstark glauben, dass sie gegen Desinformation immun sind, zeigen Umfragen, dass dies nicht der Fall ist und viele Schwierigkeiten haben, zwischen wahren und falschen Informationen zu unterscheiden. Die darauf basierenden Strategien sind zudem häufig irreführend gestaltet, was die Erkennung von Desinformation erschwert. Es wird notwendig, Grundlagen der Informationskompetenz zu fördern und das Vertrauen in seriöse Quellen zu stärken, um gegen die Verbreitung von Falschnachrichten anzukämpfen.
Wie lässt sich der politische Diskurs auf sozialen Plattformen retten?
Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck will Kanzler werden und ist seit kurzem wieder bei X. Er wolle diesen Ort nicht den „Schreihälsen und Populisten“ überlassen, schrieb er vergangene Woche als Begründung für seine Rückkehr. Doch kann eine Plattform wie X, gerade in Hinblick auf den anstehenden Wahlkampf in Deutschland, wieder zu einem Ort des gesitteten politischen Diskurses werden, wenn die zurückkehren, die sich für die Anständigen halten?
Ingo Dachwitz, Redakteur bei netzpolitik.org, findet diese Position „naiv“. Er ist diese Woche zu Gast bei Holger Klein im Übermedien-Podcast und sagt, Habeck ignoriere, „dass die Algorithmen der Plattformen genau die Inhalte belohnen, denen er widersprechen möchte: die lauten, die lügenden, die spaltenden.“ Man habe im US-Wahlkampf wieder gesehen, „dass es eine ganz schlechte Idee ist, die Foren, in denen wir unsere politischen Debatten abhalten, der Willkür von Konzernen zu überlassen“.
Wie sehr könnte X-Eigner Elon Musk auch im deutschen Wahlkampf mitmischen? Welchen Einfluss haben die großen Plattformen und Desinformation überhaupt? Inwiefern unterscheidet sich die politische Öffentlichkeit in USA von der in Deutschland? Und wie müssten Plattformen konzipiert sein, auf denen Wut und Hass nicht mit Reichweite belohnt werden?