
Lernen und Motivation - mit Andre Eckerkunst * Ergotherapie
Lernen und Motivation
Herzlich Willkommen zu einer neuen Podcastfolge von Klinisch Relevant.
Heute spricht unser Spezialist aus dem Bereich der Ergotherapie, Andre Eckerkunst, ĂŒber das spannende Thema Lernen und Motivation. Therapeuten, Lehrer und Eltern kennen das Problem: das Kind oder der Patient sind nicht motiviert Hausaufgaben bzw. TherapieplĂ€ne umzusetzen und kommen nicht voran. Andre erklĂ€rt, wie Motivation entsteht, welche Faktoren auf sie einwirken und wie sie verstĂ€rkt werden kann. Viel SpaĂ beim Zuhören und viel Erfolg beim Umsetzen der Tipps!
WofĂŒr setzen wir unsere Energie ein?
- Das Gehirn nutzt ca. 1/5 der Energieressourcen im Körper, obwohl es nur 2 % des Körpergewichts ausmacht.
- 1/4 dieser Energie wird allein im Ruhezustand genutzt.
- Das Gehirn verbraucht mit seinen 86 Mrd. Neuronen ca. 500 kcal am Tag.
- Allein die Na+/K+-Pumpe und damit die Wiederherstellung des Membranpotentials verbraucht die HĂ€lfte der Energie.
- Insbesondere bei Lern- und Denkprozessen wird die HirnaktivitÀt massiv gesteigert. Hierbei treten sogenannte Gamma-Oszillationen (30-100 Hz) auf, die sehr viel Energie verbrauchen.
- Der Energiebedarf steigt nach Bedarf und Region im Gehirn und kann regional um bis zu 12 % gesteigert werden.
- Welchen evolutionÀren Vorteil bringen diese Prozesse mit sich? William James (US-amerikanischer Psychologe), hat bereits 1879 festgestellt, dass das menschliche Gehirn in der Lage ist, sich Zukunftsszenarien vorzustellen und nötige Anpassungen vorzunehmen.
- Beispiel: Eine Tasse steht am Tischrand und man kann sich vorstellen, dass ein Ruckeln am Tisch dazu fĂŒhren könnte, dass die Tasse hinunterfĂ€llt.
Was treibt uns an und wie können Therapeuten das nutzen?
Extrinsische Motivation: Kommt von auĂen. Man tut Dinge, die einem nicht unbedingt SpaĂ machen, die aber wegen extrinsischer Motivation (z.B. der Wunsch nach Belohnung, Anerkennung, Vermeidung von Konsequenzen) durchgefĂŒhrt werden.
Intrinsische Motivation: Die TĂ€tigkeit wird um ihrer selbst willen durchgefĂŒhrt, weil sie SpaĂ macht, man Lust darauf hat und sie fĂŒr richtig hĂ€lt.
Situative Ebene
Kontextuelle Ebene
Persönlichkeitseigenschaften: Intern, extern oder keinen Antrieb wahrnehmend
Bedingungen fĂŒr Flow-Erleben: âą Anforderungen und FĂ€higkeiten passen âą Klare Zielsetzung, um die Handlung zu strukturieren âą Möglichst sofortiges Feedback
Flow-Erleben wird gestört durch: ⹠Unterbrechungen (z.B. Telefonate) ⹠Zeitdruck
Flow-Erleben wird gefördert durch: ⹠Neue, ungewöhnliche Aufgabe
Motivationale Kompetenzen: âą Autonomieerleben âą Kompetenzerleben âą Selbstwirksamkeit âą Selbstregulation
HĂ€ufig liegt eine Kombination von extrinsischer/intrinsischer Motivation vor.
Edward Lee Thorndike (US-amerikanischer Psychologe) leistete wichtige Vorarbeit zum Thema operante Konditionierung. Es wird angenommen, dass operantes konditionieren zu Assoziationen zwischen Reiz, Reaktion und Konsequenz fĂŒhrt.
VerstÀrkerplÀne
- HÀufiges Thema in ElterngesprÀchen oder mit neurologischen Patienten ist die fehlende Motivation
- Menschen fĂŒhren immer Kosten-Nutzen-Analysen durch, um festzustellen, ob die Belohnung fĂŒr einen selbst gröĂer ist als die Energie, die man reinstecken muss. Dies kann sowohl unbewusst als auch bewusst erfolgen.
- Wenn man das GefĂŒhl hat, dass man etwas (z.B. die Ziele des Therapeuten) nicht schafft (z.B. aufgrund einer neurologischen Erkrankung) ist es immer hilfreich sich gemeinsam mit dem Therapeuten selbst Ziele zu setzen.
- Die Ziele mĂŒssen so gestaltet werden, dass sie fĂŒr den Patienten messbar, relevant und in einem gewissen Zeitraum zu schaffen sind. Sie mĂŒssen ggf. angepasst werden oder in Teilziele (Etappen) aufgeteilt werden, um die Motivation zu steigern.
- Bei Aufgaben (z.B. Matheaufgaben), bei denen das Kind keine Motivation mehr zeigt, kann es helfen, wenn sich die Aufgaben verĂ€ndern, in anderer Form dargebracht werden oder das Kind durch die betreuenden Personen (Eltern, Lehrer) fĂŒr die reine Anstrengung belohnt wird.
- Eltern und Lehrer haben hĂ€ufig Schwierigkeiten âSelbstverstĂ€ndlichkeitenâ zu belohnen. Beispiel: Das Kind kommt nach Hause und hĂ€ngt direkt seine Jacke auf, anstatt sie irgendwohin zu legen. Dies ist etwas, was die Eltern als selbstverstĂ€ndlich wahrnehmen. Das Verhalten wurde von dem Kind allerdings gelernt, indem es z.B. gelobt wurde, als es das getan hat.
- Bestrafungen fĂŒhren dagegen dazu, dass Kinder nicht wissen welches Verhalten richtig bzw. wĂŒnschenswert wĂ€re, sondern vermeiden nur das unerwĂŒnschte aus Angst vor Bestrafung. Eine zielfĂŒhrende Verhaltensweise wird dagegen nicht verstĂ€rkt.
- Hier ist es sinnvoll, auf PunkteplĂ€ne mit positiven VerstĂ€rkern zu setzen. Es werden fĂŒr klar definierte Verhaltensweisen Punkte gesammelt. Am Anfang sollten das maximal 1-3 Punkte sein. Das Kind wird dieses gewĂŒnschte Verhalten lernen und es wird wahrscheinlicher, dass das gewĂŒnschte Verhalten auftritt, wenn es glaubhaft (ohne Augenrollen o.Ă€.) durch die Eltern/Lehrer verstĂ€rkt wird.
- Das Auftreten des gewĂŒnschten Verhaltens wird dagegen nicht erhöht, wenn Strafen eingesetzt werden.
- Ein weiterer Bestandteil des Punkteplans ist es, dass das Kind die Punkte gegen Belohnungen (z.B. ein Ausflug mit den Eltern, ein Spiel usw.) innerhalb einer bestimmten Zeit eintauschen kann.
Was ist der Unterschied zwischen Bestechung und VerstÀrkung?
Bestechung: Im Supermarkt weint und schreit das Kind. Das Elternteil sagt: Wenn du jetzt still bist, bekommst du ein Ăberraschungsei.
Das Kind lernt, dass es durch das negative Verhalten am Ende ein Ăberraschungsei bekommen kann. Dadurch verstĂ€rkt man die Verhaltensweise sogar.
Anders ist es bei PunkteplĂ€nen. Hier wird von vornherein geklĂ€rt, welches Verhalten erwĂŒnscht ist. Positive Verhaltensweisen werden entsprechend belohnt.
HĂ€ufig liegt der Wunsch vor, dass das Kind all diese positiven Verhaltensweisen aus einer intrinsischen Motivation heraus aufzeigt. Allerdings muss man sich als erwachsener Mensch fragen, wie es im eigenen Leben aussieht. In vielen Verhaltensweisen, die man selbst an den Tag legt, liegt eine extrinsische Komponente vor. Selbst wenn man beispielsweise ehrenamtlich arbeitet, wird einem z.B. Anerkennung zu Teil oder man sieht lachende Gesichter um einen herum. Dies wirkt als ein extrinsischer Reiz. NatĂŒrlich liegt auch aufgrund unserer Werte und persönlichen Einstellung eine intrinsische Komponente vor, die uns motiviert. Dies kann man aber bei Kindern, die ihre eigenen Erfahrungen noch nicht gemacht haben, nicht erwarten.
Verschiedene PunkteplĂ€ne: âą VerstĂ€rkersysteme: Punkte werden fĂŒr erwĂŒnschtes Verhalten vergeben und nicht wieder weggenommen. âą VerstĂ€rkerentzugssysteme: Vor allem bei Kindern, die hĂ€ufig Fehlverhalten zeigen. Das Kind erhĂ€lt schon von Beginn an Punkte, die nach Vorwarnung weggenommen werden, wenn unerwĂŒnschtes Verhalten gezeigt wird. Es ist wichtig, dass Kind dann zu bestĂ€rken und zu betonen, dass es ja noch Punkte hat und die Aufgaben sicher schaffen wird. Es macht Sinn mit ausreichend Punkten zu starten, sodass das Kind im Anschluss noch wenigstens die HĂ€lfte der Punkte hat. Diese können dann auch wieder gegen Belohnungen eingetauscht werden.
Wichtig ist es auch, dass Eltern und Therapeuten lernen, dass vermeintliche SelbstverstĂ€ndlichkeiten eben nicht fĂŒr jeden selbstverstĂ€ndlich sind. Wenn man das verinnerlicht hat, kann man sich auch ĂŒber kleine Erfolge freuen und dies authentisch dem Kind bzw. dem Patienten vermitteln.
Beispiel VerstĂ€rkerenzugssystem: Therapieprogramm fĂŒr Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP) (von Döpfner, Schirmer, Frölich)