Juli Zeh, eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen Deutschlands und promovierte Juristin, diskutiert über die Herausforderungen der Demokratie in Zeiten von Populismus und Autokratien. Sie kritisiert die militärische Unterstützung für die Ukraine und fordert sofortige Verhandlungen. Zeh beleuchtet den Umgang mit AfD-Wählern, betont, dass Rassismus nicht die einzige Erklärung für ihre Wahl ist, und spricht über die Rolle der Literatur im Verständnis politischer Differenzen. Ihre Perspektiven bieten wertvolle Einsichten für die Zukunft der Demokratie.
Juli Zeh diskutiert, dass historische Krisen ähnlich schwerwiegend waren wie die gegenwärtige Situation, jedoch sich die Reaktionen darauf verändert haben.
Die Auseinandersetzung um internationale Diplomatie betont, dass geopolitische Interessen oft die moralischen Überzeugungen überwiegen und somit einen differenzierten Umgang erfordern.
Zeh erwartet, dass die Demokratie auch moralische und ethische Werte repräsentiert, um populistischen Strömungen effektiv zu begegnen und gesellschaftlichen Frieden zu sichern.
Deep dives
Politische Großwetterlage und historische Perspektiven
Obwohl die aktuelle politische Situation als turbulent und krisenhaft wahrgenommen wird, führt die Diskussion zurück zu historischen Krisen, die ähnliche Schwere aufwiesen, wie die Zeit des RAF-Terrorismus oder die Kuba-Krise. Der Vergleich mit diesen Epochen zeigt, dass das Krisenlevel heute vielleicht nicht drastisch höher ist, jedoch die Reaktionen und der Umgang damit sich stark verändert haben. Die Referenz an die letzte positive Phase nach dem Kalten Krieg, gefolgt von einer Enttäuschung nach dem 11. September, verdeutlicht, wie gesellschaftliche Erwartungen und Perspektiven geprägt sind. Zudem wird die Sorge um ein verkürztes historisches Gedächtnis angesprochen, das komplexe Zusammenhänge der Gegenwart vereinfacht und relativiert.
Der Unterschied zwischen Interessenpolitik und Moral
Die Diskussion um internationale Diplomatie betont den Unterschied zwischen moralischen Überzeugungen und der Realpolitik, wobei die Betrachtung der geopolitischen Interessen in den Vordergrund rückt. Die Sichtweise, dass der internationale Umgang mit aggressiven Staaten wie Russland nicht ausschließlich auf moralischen Gut-Böse-Dichotomien beruhen kann, wirft die Frage nach klugen Interessensausgleichen auf. Der Fall der aktuellen Konflikte, insbesondere zwischen Trump und Zelensky, verdeutlicht die Komplexität in der Interessenlage der beteiligten Akteure. Dabei wird angeführt, dass sachliche Entscheidungen oft unbequeme Wahrheiten erfordern, die nicht eingestehen, dass der Weltpolitik nicht immer die Moral, sondern knallharte Interessen zugrunde liegen.
Die Krise der Demokratie
Die Diskussion über den Zustand der Demokratie hebt die Spannungen zwischen verschiedenen politischen Sichtweisen hervor, insbesondere angesichts des Aufstiegs der AfD in Deutschland. Obwohl die Wahlbeteiligung hoch ist und auf ein funktionierendes demokratisches System hinweist, wird argumentiert, dass der demokratietheoretische Diskurs unter Druck steht, wenn neue Parteien Stimmen gewinnen, die nicht mit den etablierten Werten übereinstimmen. Kritisch wird betont, dass die Demokratie nicht nur als Verfahren betrachtet werden darf, sondern auch moralische und ethische Werte beinhalten muss. Gleichzeitig wird betont, dass statt einer simplen moralischen Bewertung ein konkretes und sachliches Programm entwickelt werden sollte, um mit populistischen Strömungen umzugehen.
Wertesysteme und pragmatisches Handeln
In der Auseinandersetzung um gesellschaftliche Werte und Gesetze wird betont, dass Juristen nicht nur die Hüter der Moral sind, sondern auch ein Balanceakt zwischen Freiheit und Sicherheit erforderlich ist. Die Diskussion hebt hervor, dass juristische Entscheidungen oft nicht die Gerechtigkeit erzeugen, die Anleger erwarten, sondern vielmehr einen notwendigen gesellschaftlichen Frieden bewahren sollen. Die Überlegung, dass nicht jede als ungerecht empfundene Entscheidung einen faulen Frieden herbeiführt, fordert eine differenzierte Sichtweise auf Konflikte. Der Dialog deutet darauf hin, dass im Umgang mit der Vielfalt menschlicher Bedürfnisse und der Balance zwischen gesetzlichem und moralischem Handeln, Empathie und Pragmatismus wichtig sind.
Die Rolle der Literatur in gesellschaftlichen Diskursen
Die Literatur wird als Instrument der Empathie präsentiert, das es ermöglicht, verschiedene Perspektiven zu verstehen und dadurch gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden. Ein Beispiel ist der Roman „Zwischenwelten“, der durch die Darstellung unterschiedlicher Charaktere beiden Seiten eines politischen Spektrums Raum bietet, sich gegenseitig zu verstehen, und dabei hilft, Vorurteile abzubauen. Jedoch wird auch kritisch angemerkt, dass eine zu starke Karikatur der Charaktere potenziell schädlich sein kann und die Spaltung weiter vorantreibt. Das Ziel des Schreibens wird als Möglichkeit angeboten, gesellschaftliche Spannungen durch einfühlsame Erzählungen zu entschärfen, während gleichzeitig der Wert des persönlichen Dialogs betont wird.
Juli Zeh ist Bestsellerautorin und nimmt als öffentliche Intellektuelle kein Blatt vor den Mund, etwa wenn sie gegen weitere Waffenlieferungen in die Ukraine oder die pauschale Verunglimpfung von AfD-Wählenden plädiert. Barbara Bleisch trifft die Schriftstellerin zum Gespräch.
Juli Zeh gilt als eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen Deutschlands. Ihre Romane werden in über 35 Sprachen übersetzt, die Gesamtauflage beträgt mehrere Millionen, die Liste der Literaturpreise ist lang. Kein Wunder, denn praktisch immer thematisiert die promovierte Juristin und ehrenamtliche Verfassungsrichterin in ihren Geschichten drängende politische Fragen wie die Spaltung der Gesellschaft, den Umgang mit Rechtsradikalen oder die Frage der Überwachung. Nicht selten nimmt sie Problemlagen vorweg, die den politischen Diskurs der Zukunft bestimmen. Dabei zeigt sie sich gern auch streitlustig und kritisiert die Überheblichkeit der urbanen Bildungselite, die AfD-Wählende als unbelehrbare Dumpfbacken abstempeln und über die Hinterwäldler auf dem Land frotzeln. Die gebürtige Bonnerin lebt selbst seit vielen Jahren in einem 300-Seelendorf in Brandenburg im ehemaligen Ostdeutschland.
Barbara Bleisch fühlt mit der Schriftstellerin Deutschland nach den Wahlen den Puls und fragt, vor welchen Herausforderungen die westlichen Demokratien angesichts des Erstarkens autokratischer Kräfte stehen und wie sie resilient zu machen sind.
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