
SWR Kultur lesenswert - Literatur Nationalepos der Philippinen: „Noli Me Tangere“ von José Rizal
Oct 14, 2025
04:09
Er ist allgegenwärtig auf den Philippinen. Das freundlich forschende Gesicht von José Rizal blickt Besuchern von Büsten, Bildern, Denkmälern und Geldscheinen entgegen. Straßen und Plätze, Krankenhäuser und Schulen sind nach ihm benannt. Der Historiker Ambeth Ocampo, der ein vieldiskutiertes Buch über Rizal geschrieben hat, kann erklären, warum der Schriftsteller so verehrt wird.
Er sagt: „Seine Schriften halfen den Filipinos zu verstehen, wer sie waren und was sie sein sollten. Bevor wir überhaupt eine Nation wurden, hatten wir einen Helden, der sich eine Nation vorstellte. Er erlebte die Freiheit und Unabhängigkeit der Philippinen nicht mehr, aber es sind im Grunde seine Ideen und seine Schriften, die uns zu dem gemacht haben, was wir sind.“
Ein „krebskrankes Land“
José Rizal wurde 1896 von der spanischen Kolonialmacht in Manila hingerichtet. Mit 35 Jahren. Man warf ihm „Anstiftung zur Rebellion“ vor. Die Spanier beriefen sich dabei auf seine Schriften und vor allem auf den Roman, der sein berühmtester ist und Pflichtlektüre an philippinischen Schulen: „Noli Me Tangere“ – „Rühr mich nicht an“. Was im Buch angerührt wird, sind die Gegebenheiten im Land. Rizal beschreibt die Philippinen unter spanischer Herrschaft als „krebskrank“. Das war das Ketzerische und Gefährliche. Hauptfigur ist der junge, idealistische Ibarra, der nach sieben Jahren in Europa mit großen Plänen in seine Heimat zurückkehrt. Er will seine Jugendliebe Maria Clara heiraten, vor allem aber die einfachen Menschen unterstützen und sein Land voranbringen. Sein Plan ist es, eine Schule zu gründen, in der Bauernkinder mehr lernen als nur Gebete aufzusagen und sich vor dem Rohrstock zu fürchten. Ibarra rechnet nicht mit dem machtvollen, von Priestern angeführten Widerstand. Obwohl er von einem Freund gewarnt wird.Um dieses Unternehmen durchzuführen, nützen Wollen und Geld allein nichts, in unserem Land erfordert es außerdem Selbstverleugnung, Stehvermögen und Vertrauen. Der Boden ist nicht vorbereitet, es wurde nur Unrat auf ihm gesät.Quelle: José Rizal – Noli Me Tangere
