Russische Energie: "Wir haben uns vollgesaugt wie Drogenabhängige mit billigem Stoff"
Jun 15, 2022
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Moritz Schularick, Ökonom und Professor für Volkswirtschaft, beleuchtet die Abhängigkeit Deutschlands von russischer Energie und deren wirtschaftliche Konsequenzen. Er plädiert für ein rasches Gasembargo und warnt, dass Untätigkeit auch Kosten verursacht. Schularick präsentiert Erkenntnisse einer Studie, die übertriebene Sorgen vor einem Energieembargo relativiert. Zudem wird die Rolle der Ölkonzerne und die Notwendigkeit einer Übergewinnsteuer diskutiert, während das Publikum aktiv in die Debatte einbezogen wird.
Moritz Schularick argumentiert, dass ein Gasembargo die deutsche Wirtschaft nur minimal belasten würde, entgegen häufigen Befürchtungen von Politikern.
Die gegenwärtig steigenden Energiepreise werden als Resultat oligopolistischer Marktverhältnisse kritisiert, wobei Ölkonzerne überhöhte Preise verlangen.
Schularick fordert von der Regierung pragmatisches Handeln zur Energieunabhängigkeit, anstatt passiv auf ein Ende des Krieges zu warten.
Deep dives
Erste Live-Folge des Podcasts
Die Episode ist die erste Live-Aufnahme des Podcasts und fand auf dem Podcast-Festival von Zeit und Zeit Online in Berlin statt. Ein besonderer Gast, der Ökonom Moritz Schulerich, wurde eingeladen, um über die Auswirkungen des Grasembargos auf die deutsche Wirtschaft zu diskutieren. Die Live-Atmosphäre brachte eine andere Dynamik in die Episode, da der Gast von Anfang an aktiv in das Gespräch eingebunden wurde und an einem Spiel namens 'Fakt oder Fantasie' teilnahm. Diese interaktive Herangehensweise sollte das Publikum sowohl unterhalten als auch in das Thema einbeziehen.
Diskussion über das Grasembargo
Moritz Schulerich vertrat in der Diskussion die Auffassung, dass das Grasembargo die deutsche Wirtschaft nicht so stark belasten würde, wie oft befürchtet wird. Er verwies auf eine Studie, in der festgestellt wurde, dass die Auswirkungen eines Energieembargos nur zwei bis drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten könnten. Diese Schätzung steht im Widerspruch zu den Äußerungen von Politikern, die von massiven Wirtschaftsproblemen und Arbeitslosigkeit sprachen. Schulerich argumentierte, dass dank einer diversifizierten Wirtschaft Deutschland auch bei einem Wegfall des russischen Gases handlungsfähig bleibt.
Einfluss von Energiepreisen auf die Wirtschaft
Die Diskussion beleuchtet auch die aktuellen Herausforderungen, die durch steigende Energiepreise entstehen, und die Rolle der Ölkonzerne. Es wurde kritisiert, dass die Unternehmen in dieser Krise ihre Preise übermäßig erhöhten, was den Eindruck erweckt, dass sie die Situation ausnutzen. Moritz Schulerich betonte, dass die strukturellen Probleme im Energiemarkt aufgrund oligopolistischer Marktverhältnisse zu einer unerwünschten Preispolitik führe. Diese Probleme könnten möglicherweise durch politische Maßnahmen wie eine Übergewinnsteuer angegangen werden, um soziale Ungleichheiten zu bekämpfen.
Regierung und politische Verantwortung
Schulerich äußerte sich auch zur Verantwortung der Regierung in der aktuellen Situation und forderte mehr pragmatisches Handeln. Er betonte, dass die Politik nicht nur darauf warten sollte, dass der Krieg und die Situation um das russische Gas vorübergehen, sondern aktiv Maßnahmen ergreifen müsse. Diese Maßnahmen könnten nicht nur in kurzfristigen Entlastungen bestehen, sondern sollten auch langfristige Strategien zur Energieunabhängigkeit und Diversifizierung der Energiequellen umfassen. Zudem merkte er an, dass das versäumte Handeln der Bundesregierung zu einer weiteren Erosion des Vertrauens in die deutsche Außenpolitik beitragen könnte.
Prognosen zur Zukunft der Energieversorgung
Die Episode schloss mit der Frage, ob bis Dezember noch russisches Gas nach Deutschland fließen wird, und beruhte auf einem unterhaltsamen Orakelspiel mit einem Esel. Das Publikum wurde in die Diskussion einbezogen und gab seine Meinungen ab, was die interaktive Natur der Live-Folge unterstrich. Schulerich und die Moderatoren kamen zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich kein Gas mehr geben wird, was die Dringlichkeit einer schnellen Energiewende verdeutlichte. Diese Einschätzung sollte die Zuhörer dazu anregen, über die Notwendigkeit einer Diversifikation und nachhaltigen Energiequellen nachzudenken, um zukünftige Krisen zu verhindern.
Seit Russland die Ukraine angegriffen hat, streitet Deutschland über die Folgen des Kriegs für seine Energieversorgung. Jahrelang hat man sich auf die russische Energie verlassen. Nun ist diese Abhängigkeit auf einmal eine Bedrohung für die Wirtschaft. Die Preise für Heizöl, Benzin und Gas steigen immens – schon überlegt die Politik, Ölkonzerne mit einer Extrasteuer auf ihre Gewinne zu belegen. Derweil schwelt die Frage: Könnte man sich nicht ganz unabhängig machen von russischem Öl und Gas? Was würde das kosten? Und könnte es Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen?
In einer Livefolge des Wirtschaftspodcasts "Ist das eine Blase?", aufgenommen auf dem Podcastfestival von ZEIT ONLINE, haben die Moderatorinnen Lisa Nienhaus und Lisa Hegemann den Ökonomen Moritz Schularick zu Gast. Er gehört zu einer Gruppe von Ökonomen, die eine der ersten Studien dazu präsentiert haben, was ein Energieembargo gegen Russland für die deutsche Wirtschaft bedeuten würde. Ihr Ergebnis machte Schlagzeilen, denn es besagte in Schularicks Worten: "Es ist keine Größenordnung, bei der man sagen muss, Putin hat uns völlig in der Tasche und wir können gar nicht mehr agieren und liegen wie ein Maikäfer auf dem Fußboden und können nur noch mit den Füßen strampeln."
Im Podcast plädiert Schularick für ein rasches Gasembargo und mahnt: "Nichtstun hat auch Kosten. Das ist Politikern immer so sehr schwer beizubringen." Er kritisiert, dass die Politik der Industrie zu viel Gewicht beimesse: "Ein Fünftel der deutschen Arbeitsplätze sind in der Industrie, ein Fünftel der deutschen Wirtschaftsleistung kommt aus der Industrie. Aber wenn sie zusammen mit den Gewerkschaften unisono mit einer Stimme sprechen, tut die Industrie so, als würde sie für 80 Prozent des Landes sprechen."
Die Chemieindustrie verglich er mit den Banken in Zeiten der Finanzkrise. "Die Deutsche Bank von heute ist die BASF. Die BASF ist mit ihrer Gasabhängigkeit von Russland Risiken eingegangen, für die wir jetzt als Steuerzahler die Zeche zahlen, auch übrigens außenpolitisch die Zeche zahlen."
Im Wirtschaftspodcast "Ist das eine Blase?" sprechen Lisa Nienhaus, Jens Tönnesmann und Lisa Hegemann immer montags über das, was die Welt im Innersten zusammenhält: Geld, Macht, Gerechtigkeit. Immer mit einem Gast – und einem Tier.
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