Steffen Mau, ein angesehener Soziologe und Autor des Bestsellers "Ungleich vereint", erforscht mit Jagoda Marinić die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Sie diskutieren die Bedeutung von Krisen für Freiheit und soziale Veränderungen sowie die Diskrepanz zwischen Expertise und politischer Teilhabe in der Migrationsgesellschaft. Mau beleuchtet, wie Bürgerräte die Demokratie revitalisieren können und kritisiert die Kluft zwischen Emotion und Realität in der politischen Debatte. Am Ende wird die Rolle von Meinungsfreiheit und Identität thematisiert.
Steffen Mau argumentiert, dass gesellschaftliche Konflikte unvermeidlich sind und oft als Katalysatoren für sozialen Wandel fungieren.
Die Soziologie erlebt eine Renaissance, da sie den Menschen hilft, komplexe soziale Veränderungen und Ungewissheiten besser zu verstehen.
Die Frage nach demokratischer Teilhabe und Repräsentation ist besonders im Osten Deutschlands entscheidend für die Stärkung der Gemeinschaften.
Deep dives
Renaissance der Soziologie
Die Soziologie wird zunehmend als Deutungswissenschaft wahrgenommen, wobei die Gesellschaft in ihrer Selbstwahrnehmung eine Krise durchläuft. Diese Wahrnehmung könnte aus einem Mangel an klaren Zukunftsvisionen resultieren; nur wenige Menschen können sich vorstellen, wie die Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten aussehen wird. Diese Ungewissheit führt zu einem erhöhten Bedarf an Deutungsangeboten, die helfen, die komplexen sozialen Veränderungen besser zu verstehen. Das macht die Soziologie aktuell zu einer gefragten Disziplin, die möglicherweise den Status einer Leitwissenschaft erreichen kann, auch wenn dies als übertrieben angesehen wird.
Konflikte als Motor des Wandels
Konflikte werden als notwendige Begleiterscheinung gesellschaftlicher Veränderungen betrachtet und nicht als etwas, das vermieden werden sollte. Sie sind nicht nur unvermeidlich, sondern auch oft der Auslöser für sozialen Wandel, da sie bestehende Strukturen in Frage stellen. Sozialer Wandel findet nicht in einem statischen Zustand statt; er entsteht durch Gruppen, die für ihre Ansprüche kämpfen und festgefahrene Verhältnisse herausfordern. Historische Beispiele zeigen, dass Veränderungen häufig durch Konflikte initiiert werden, die tief verwurzelte soziale Strukturen aufbrechen.
Zukunftsverlust und gesellschaftliche Veränderungen
Die Gesellschaft leidet unter einem Gefühl des Zukunftsverlustes, was zu einer erhöhten Permanenz von Krisen führt. Diese ständigen Veränderungen und Unsicherheiten betreffen das gesamte Spektrum des Lebens, sichtbar in der großen Unsicherheit über die zukünftige gesellschaftliche Ausrichtung. Während technologische Entwicklungen blitzschnell voranschreiten, fühlen sich viele Menschen überfordert von der Geschwindigkeit des Wandels und den damit verbundenen Herausforderungen. Diese Dynamik führt dazu, dass traditionelle Lebensweisen und Werte in Frage gestellt werden, was sowohl Ängste als auch Chancen mit sich bringt.
Die Rolle der Soziologie und Wissenschaft in der Öffentlichkeit
Soziologen sind gefordert, gesellschaftliche Konflikte zu analysieren und Deutungen gegenüber der Öffentlichkeit anzubieten. Es gibt eine steigende Nachfrage nach Experten, die bereit sind, gesellschaftliche Strömungen zu beobachten und zu interpretieren. Besonders in Verbindung mit sozialen Bewegungen und Bürgerinitiativen ist der Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit entscheidend, um die Perspektiven der Menschen besser zu verstehen und anzuerkennen. Diese Rolle der Soziologie ist besonders wichtig, um ein tieferes Verständnis von aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu vermitteln und die politische Debatte zu bereichern.
Demokratische Teilhabe und Ostdeutschland
Die Frage nach der Repräsentation und Teilhabe in der Demokratie ist besonders im Kontext Ostdeutschlands relevant. Viele Menschen fühlen sich von der Politik ausgeschlossen und empfinden eine Distanz zu den etablierten Institutionen. Die Schwierigkeiten bei der Integration von verschiedenen Stimmen in politische Prozesse sowie die Notwendigkeit, demokratische Beteiligungsformen zu revitalisieren, werden als zentral für die Stärkung von Gemeinschaften angesehen. Soziologen sind aufgerufen, diese Dynamiken zu beobachten und Wege zu finden, wie mehr Bürger in demokratische Prozesse eingebunden werden können, um ein stärkeres Gefühl der Zugehörigkeit zu fördern.
„Ungleich vereint“ - so heißt das aktuelle Buch des Soziologen Steffen Mau, in dem er zeigt, warum der Osten Deutschlands anders ist und bleiben wird als der Westen. Ein Bestseller, mehrfach ausgezeichnet, der Mut macht und sogar mögliche Lösungen aufzeigt für eines der drängendsten Probleme unserer Gesellschaft, die Krise der Demokratie. Steffen Mau, 1968 in Rostock geboren, schaut genau hin bei seinen Studien, nimmt die Erfahrungen, Enttäuschungen und Hoffnungen der Menschen ernst und schöpft soziologische Erkenntnisse auch aus seiner eigenen Biographie, etwa in seinem Buch „Lütten Klein“, das seinem Heimatstadtteil in Rostock gewidmet ist. Steffen Mau analysiert die gesellschaftlichen Debatten nicht nur, mit seinem freundlichen und unaufgeregten Ton prägt er sie auch mit.
Bei FREIHEIT DELUXE erkundet Steffen Mau gemeinsam mit Jagoda Marinić, warum die Soziologie gerade jetzt eine Renaissance zu erleben scheint. Sie beleuchten, weshalb Krisen zur Freiheit dazugehören und wie die Migrationsdebatte losgelöst von allen Fakten immer schärfer wird. Sie fragen, warum Politiker wie Marco Wanderwitz sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen und ob die Demokratie durch Bürgerräte revitalisiert werden kann. Am Ende bauen sie eine Brücke zwischen Soziologie und Literatur, denn beiden geht es um das Interesse an Menschen und ihren Geschichten.
Hier hört ihr
warum es um die Freiheit immer Konflikte gibt (3:48)
wie schnell sich Dinge heute verändern (7:05)
was es mit der Renaissance der Soziologie auf sich hat (14:05)
warum Politiker in der Debatte über Migration wissenschaftliche Gutachten ignorieren (23:20)
wie sich die Verrohung der politischen Kultur bemerkbar macht (26:09)
wie sich die stille Mitte gegen den rechten Rand Gehör verschaffen kann (39:35)
wie eine Politik des Gehörtwerdens aussehen könnte (44:55)
warum autoritäre Politiker so tun als seien sie omnipotent (56:00)
wie die Pläne der Ampel-Regierung zerbröselt sind (1:05:40)
warum Steffen Mau nicht „der ostdeutsche Soziologe“ sein will (1:12:00)
was Steffen Mau auch mal wütend wird (1:13:40)
FREIHEIT DELUXE mit Jagoda Marinić ist eine Produktion des Hessischen Rundfunks in Zusammenarbeit mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels. Redaktionsteam: Andrea Geißler und Christoph Scheffer.
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