Katja Hoyer ist eine deutsch-britische Autorin und Historikerin, die am King's College in London forscht und das Buch "Diesseits der Mauer" verfasst hat. Im Gespräch mit Tessa Szyszkowitz analysiert sie die Wahlerfolge der AfD und die ambivalenten Einstellungen der Ostdeutschen gegenüber Einwanderung. Sie erklärt, warum Einwanderer auf Ablehnung stoßen, während das pro-russische Sentiment stark bleibt. Außerdem beleuchtet sie die Auswirkungen der Abwanderung auf die demografische Situation und die politischen Strömungen in Thüringen.
Die AfD hat durch ihre Fokussierung auf das Migrationsthema und den Unmut vieler Ostdeutscher über gesellschaftliche Veränderungen in der Region erfolgreich Wähler mobilisiert.
Historische Erfahrungen aus der DDR beeinflussen die politische Wahrnehmung der Ostdeutschen und führen zu einer tiefen Skepsis gegenüber aktuellen politischen Entscheidungen und Institutionen.
Deep dives
Aufstieg der AfD in Thüringen und Sachsen
Die rechtsextreme AfD erzielte bei den Wahlen in Thüringen fast 33 Prozent der Stimmen und wurde zur stärksten Partei, während sie in Sachsen nur knapp hinter der CDU blieb. Dieser überraschende Wahlerfolg wirft die Frage auf, wie die Unzufriedenheit mit der Politik in Berlin und das wachsende Vertrauen in die AfD zusammenhängen. Viele Wähler scheinen nicht nur aus Protest, sondern auch aus Überzeugung für die AfD gestimmt zu haben. Der Einfluss von Björn Höcke, der extrem rechte Positionen vertritt, verstärkt die Komplexität dieser Wahlentscheidung.
Einwanderung und Identität im Osten Deutschlands
Ein zentrales Anliegen vieler Ostdeutscher ist die Kontrolle und Reduktion der Migration, was ganz oben auf der Liste von Themen steht, die bei der Wahl entschieden haben. Die Veränderung der Gesellschaft durch Migration seit der Wiedervereinigung ist im Osten viel ausgeprägter wahrgenommen worden als im Westen, und diese Veränderungen erzeugen Unsicherheit und Unmut. Auch wenn die AfD für viele Wähler nicht alle politischen Wünsche erfüllt, ist das Migrationsthema so wichtig, dass viele es vor andere wirtschaftliche Anliegen stellen. Diese Wahrnehmungen werden durch die schnelle Veränderung und Diversifizierung der Städte im Osten verstärkt.
Politische Mobilität und die Rolle der AfD
Die parteipolitische Loyalität im Osten ist schwächer ausgeprägt, was die Mobilität der Wähler erhöht und es der AfD erleichtert, Stimmen zu gewinnen. Im Gegensatz zu Westdeutschland, wo Wähler oft aus Tradition eine bestimmte Partei unterstützen, sind die Leute im Osten bereit, ihre Stimme zu wechseln, wenn sie sich nicht gehört fühlen. Die AfD nutzt diese Dynamik geschickt, um sich als Alternative zu präsentieren und das Gefühl eines 'Wir gegen die da oben' zu verstärken. Diese Wahlstrategie hat dazu geführt, dass der Osten als Sprungbrett für die AfD in die bundespolitische Arena erkannt wird.
Einfluss des historischen Kontexts auf zeitgenössische Politiken
Die historische Erfahrung der DDR und die damit verbundenen Themen wie politische Kontrolle und Eingriffe in das Privatleben prägen die Einstellungen vieler Ostdeutscher gegenüber den aktuellen politischen Möglichkeiten. Viele fühlen sich von der Politik bevormundet und erinnern sich an ähnliche Erfahrungen in der Vergangenheit, was ihre Rückwärtsgewandtheit und Wut erklärt. Zudem zeigen Umfragen, dass eine tiefe Skepsis gegenüber der NATO und westlicher Einflussnahme herrscht, was nicht nur eine lokale, sondern auch eine internationale Dimension hat. Diese komplexen Hintergründe zeigen, wie tief verwurzelte Ängste und Erfahrungen in aktuellen Wahlentscheidungen münden.
“Die Brandmauer ist vor Ort schon eingebrochen", sagt die deutsch-britische Autorin und Historikerin Katja Hoyer über die Wahlerfolge der AfD. Im Gespräch mit Tessa Szyszkowitz analysiert sie die Gründe für den Sieg der rechtsextremen Partei und warum so viele Ostdeutsche Einwanderer nicht mögen, die Russen aber schon.