Nilz Bokelberg, Unterhaltungsprofi und scharfer Kritiker der Berliner Politik, beleuchtet die brisanten Herausforderungen der Kunst- und Kulturszene in Berlin. Er spricht über Gentrifizierung, Wohnraummangel und den Verlust von Solidarität in der Gesellschaft. Zudem thematisiert er die Veränderungen im männerdominierten Rollenbild und reflektiert über persönliche Freiheiten in der Kunst. Schließlich diskutiert er die Grenzen von Hoch- und Popkultur und die Rolle von Comics als ernsthafte Kunstform. Ein spannender Austausch über kreative Kämpfe und gesellschaftliche Verantwortung.
Der Zugang zur Kultur muss für alle Menschen unabhängig von sozialem Hintergrund und Garderobe gestaltet werden, um Gatekeeping abzubauen.
Kulturelle Institutionen in Berlin leiden unter finanziellen Kürzungen, da die Politik ihre Bedeutung für die Gesellschaft häufig nicht anerkennt.
Ein neues Verständnis von Männlichkeit, das Empathie und Gleichheit fördert, ist notwendig, um schädliche gesellschaftliche Dynamiken zu verändern.
Deep dives
Kultur und Zugänglichkeit
Die Diskussion über den Zugang zur Kultur beleuchtet die Herausforderungen, die viele Menschen beim Zugang zu kulturellen Veranstaltungen wie Opern haben. Es wird betont, dass es wichtig ist, kulturelle Angebote so zu gestalten, dass sie für alle zugänglich sind, unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund oder ihrer Garderobe. Dieses Gatekeeping in der Kultur, bei dem bestimmte Klientel ausgeschlossen wird, führt dazu, dass viele Menschen kulturelle Angebote meiden, weil sie denken, sie würden dort nicht hingehören. Es wird argumentiert, dass es die Aufgabe der Kulturinstitutionen sein sollte, inklusive und einladend zu sein, um eine breitere Öffentlichkeit für Kunst und Kultur zu gewinnen.
Einfluss der Politik auf Kultur
Ein zentraler Punkt ist die Beziehung zwischen Politik und Kultur, insbesondere in Berlin, wo kulturelle Institutionen unter finanziellen Kürzungen leiden. Es wird darauf hingewiesen, dass die gegenwärtige politische Führung oft kulturelle Projekte als nicht prioritär erachtet und diese zuerst von Kürzungen betroffen sind. Diese Herangehensweise wird als Ausdruck einer politischen Haltung gesehen, die die Bedeutung von Kunst und Kultur für die Gesellschaft nicht erkennt. Es wird gefordert, dass Politiker die wichtige Rolle der kulturellen Angebote anerkennen und mehr für den Erhalt der Kultur investieren.
Die Rolle der Kunst in der Gesellschaft
Die Kunst wird als ein wichtiger Bestandteil der sozialen und kulturellen Identität betrachtet, der eine wesentliche Rolle bei der Förderung von Gemeinschaftsbildung und Kreativität spielt. Künstler sollten nicht nur Mittel zur Unterhaltung sein, sondern auch Räume für kritische Diskurse und gesellschaftliche Reflexion bieten. Die Missachtung artistischer Arbeiten wird als gefährlich bezeichnet, insbesondere in Hinblick auf die Auswirkungen autoritärer Regime, die die Freiheit der Kunst unterdrücken. Es wird betont, dass Kunstfreiheit grundlegend für eine demokratische Gesellschaft ist und dass Künstler eine Verantwortung haben, sich für ihre Rechte und die ihrer Kollegen einzusetzen.
Das Bild der Männlichkeit
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Gesprächs betrifft die Herausforderungen, die mit dem gesellschaftlichen Männlichkeitsbild verbunden sind. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass viele traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit nicht nur schädlich für Frauen sind, sondern auch für Männer selbst. Es wird die Notwendigkeit betont, ein neues Verständnis von Männlichkeit zu fördern, das geprägt ist von Empathie und Gleichheit. Das Eingeständnis eigener Unsicherheiten und die Akzeptanz von Vielfalt in der Männlichkeit werden als Schritte in Richtung einer gesünderen gesellschaftlichen Dynamik diskutiert.
Solidarität und Gesellschaft
Das Gespräch thematisiert auch den schwindenden Solidargedanken in der Gesellschaft, insbesondere in Deutschland, wo Einzelkämpfer-Mentalitäten dominieren. Die Notwendigkeit, sich gemeinsam für soziale Gerechtigkeit einzusetzen und solidarisch aufzutreten, wird deutlich hervorgehoben. Es wird eine Rückkehr zu gemeinschaftlichem Handeln angeregt, um gegen gesellschaftliche Missstände und Ungleichheiten anzugehen. Die Fähigkeit zur Solidarität wird als ein wesentlicher Aspekt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Förderung einer gerechten Gesellschaft betrachtet.
Zukunft der urbanen Räume und Kultur
Abschließend wird die Transformation urbaner Räume in Städten wie Berlin analysiert, wo Gentrifizierung und der Verlust kultureller Identitäten besorgniserregende Themen sind. Die Zerschlagung von Kulturräumen zugunsten von profitorientierten Projekten wird als problematisch erachtet, da sie die kulturelle Diversität und Identität der Stadt gefährdet. Gleichzeitig wird die Möglichkeit angesprochen, dass durch gemeinschaftliche Initiativen und Engagement für kulturelle Projekte eine positive Veränderung herbeigeführt werden kann. Der Erhalt lebendiger, zugänglicher und vielseitiger Urbanität wird als gemeinsames Ziel hervorgehoben.
Nilz Bokelberg ist Unterhaltungskünstler in zahlreichen Genres, leidenschaftlicher Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen - und längst seine eigene Marke. Mit 17 brach er die Schule ab, um beim Musiksender Viva zusammen mit Heike Makatsch und Mola Adebisi die ersten „Video-Jockeys“ in Deutschland zu werden. Seither wechselt er virtuos zwischen Formaten, ist seit Jahren erfolgreicher Moderator und Podcaster („Gästeliste Geisterbahn“, „Die Nils-Bokelberg-Erfahrung“) und veröffentlichte mehrere Bücher. Vor seiner Schlagfertigkeit und mitunter bissigen Witzen ist niemand sicher, schon gar nicht die Politik: Zuletzt machte er auf seinen Social-Media-Kanälen durch seine treffsichere Kritik der Berliner Politik von sich reden.
Bei FREIHEIT DELUXE gehen Jagoda Marinic und Nilz Bokelberg erst mal ein paar Schritte zurück: Wie kam es, dass Nilz kreative Formate und Genres so schnell wechselt wie Andere Spuren auf der Autobahn? Dabei haben ihm seine vielfältigen künstlerischen Experimente - und Rückschläge - durchaus Einblicke beschert, die ihm heute eine besondere Klarsicht auf gesellschaftliche Missstände ermöglichen, wie Jagoda Marinic feststellt. Messerscharf seziert er die „Kulturzerstörung“ in der Berliner Politik, „Plastik-Orte“ in gentrifizierten Städten und die Tatsache, dass den Deutschen jeder „Solidargedanke kategorisch ausgetrieben“ worden sei.
Doch zusammen sagen Nilz und Jagoda den Gatekeepern der Kultur den Kampf an und machen sich stark für das, was wesentlich sein sollte: Dass z.B. auch die Kassiererin in die Oper gehen kann und will - ohne sich darüber Gedanken zu machen, ob sie dafür eine Pelzstola braucht. Schließlich wird es noch persönlich, denn Nilz denkt darüber nach, was seine eigene lang verborgene Queerness mit seiner Abneigung gegen demonstrative Männlichkeit zu tun hat…
Hier hört ihr,
was er heute über seine Zeit als 17-jähriger Moderator bei Viva denkt (5:37)
wie Nilz Bokelberg seine eigene Verblödung beschloss (10:31)
warum er nicht gern zwischen „Hochkultur“ und „Unterhaltung“ unterscheidet (23:50)
welche Entwicklungen in Berlin ihn wahnsinnig wütend machen (30:57)
was Menschen in einer Stadt wie Berlin wirklich brauchen würden (40:10)
was die Gentrifizierung in deutschen Städten für Auswüchse treibt (55:40)
wie er sich seine eigene Queerness eingestand (1:10:14)
FREIHEIT DELUXE mit Jagoda Marinic ist eine Produktion des Hessischen Rundfunks in Zusammenarbeit mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels. Redaktionsteam: Andrea Geißler und Christoph Scheffer.
Ihr erreicht uns per Mail: freiheitdeluxe@hr.de <mailto:freiheitdeluxe@hr.de>
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