
SWR Kultur lesenswert - Literatur Gert Ueding – Bloch, Jens und Mayer. Die Tischgesellschaft der Julie Gastl
Apr 16, 2024
04:00
Auf dem Umschlagfoto sitzt der Philosoph Ernst Bloch in der Mitte, wie immer mit der Pfeife im Mund. Von links redet der Literaturwissenschaftler Hans Mayer sicherlich gewohnt druckreif auf ihn ein, rechts setzt der Rhetorikprofessor Walter Jens zu einem seiner gefürchteten Monologe an. Vielleicht hatte Blochs Frau Karola also doch recht, wenn sie mahnte: „Der Jens und der Mayer? Da wirst du wohl kaum zu Wort kommen.“
Ganz so schlimm wurde es dann aber nicht, jedenfalls nicht in den Versionen der Gespräche, die Gert Ueding nun zu Papier gebracht hat. Ueding muss es schon deshalb wissen, weil er in den 60er und 70er Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter Blochs in Tübingen gewesen ist, dann bei Walter Jens promoviert und bei Hans Mayer habilitiert hat. 1988, nach Jens‘ Emeritierung, übernahm er dessen Lehrstuhl für Rhetorik.
Eine heroische Epoche des Geistes
Die Tischgesellschaft, zu der sich die drei Berühmtheiten zusammenfanden, bestand in den Jahren 1974 und 1975. Sie ging auf eine Initiative der Tübinger Buchhändlerin Julie Gastl zurück, die in ihrem „Bücherhaus“ nicht einfach nur Bücher verkaufen wollte.Vor allem ein Ort des geistigen Austauschs, der produktiven Erinnerung sollte die Buchhandlung sein, im geistigen Raum Tübingens der Horizont, der über seine beschränkenden Grenzen hinausginge. Denn die gab es genug.Vor wenigen Monaten hat die Buchhandlung Gastl Konkurs angemeldet und musste endgültig schließen. Damit ging ein Stück Tübinger Geschichte zu Ende. Gert Uedings Buch ist also auch ein Nachruf auf diesen verschwundenen Ort, ein Rückblick auf die heroische Epoche der Intellektuellen, als Philosophen noch über die Universität hinaus und in die Gesellschaft hinein wirkten und die Tübinger ihre Professoren auf der Straße grüßten.Quelle: Gert Ueding – Bloch, Jens und Mayer
