Dr. Jesse Schreger, Professor an der Columbia Business School, beleuchtet die Geoökonomie als Schlüsselstrategien, um wirtschaftliche Macht politisch zu nutzen. Er diskutiert die komplexen Beziehungen zwischen Handelszöllen und internationalen Märkten sowie die Rolle der US-Notenbank. Schreger analysiert, wie geoökonomische Machtspiele Abläufe zwischen den USA und China beeinflussen und welche Auswirkungen diese auf internationale Allianzen haben. Auch die Herausforderungen durch wirtschaftliche Sanktionen und Handelskonflikte werden thematisiert, während anekdotische historische Beispiele zur Veranschaulichung dienen.
Geoökonomie nutzt wirtschaftliche Stärke als Mittel, um politischen Einfluss zu gewinnen, anstelle militärischer Konfrontation.
Die aktuelle deutsche Wirtschaftslage leidet unter Reformmangel und Schulden, was die Zukunftsfähigkeit des Landes gefährdet.
Die Lehren von Albert Hirschman über wirtschaftliche Abhängigkeiten sind heute relevant für das Verständnis geopolitischer Spannungen zwischen Großmächten.
Deep dives
Geoökonomie als Machtinstrument
Geoökonomie betrachtet, wie Länder wirtschaftliche Stärke nutzen, um politische und wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. Statt militärischer Konfrontation können Staaten durch wirtschaftlichen Druck und Anreize Einfluss ausüben. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die gegenwärtige Situation zwischen den USA und China, in der Zölle als Instrument zur Durchsetzung politischer Ziele eingesetzt werden. Die Anwendung von Geoökonomie hat eine lange Geschichte, die bis zu den Seeblockaden im Napoleonischen Krieg zurückreicht.
Die Rolle von Schulden und Reformen in Deutschland
Die aktuelle wirtschaftliche Lage in Deutschland wird durch einen Mangel an Reformen und zunehmende Schulden geprägt. Der Koalitionsvertrag zeugt von einer Enttäuschung über die verpassten Reformchancen, die dringend notwendig wären, um den Standort Deutschland zukunftsfähig zu machen. Es wird kritisiert, dass die politischen Entscheidungsträger den Fokus auf wirtschaftliche Verantwortung vernachlässigen, was zu einem weiteren wirtschaftlichen Niedergang führen könnte. Der berühmte Spruch von James Carvel wird zitiert, um zu verdeutlichen, dass ohne eine solide Wirtschaftspolitik politische Instabilität droht.
Zollpolitik als geopolitisches Druckmittel
Die Zollpolitik wird als Werkzeug genutzt, um andere Länder zu Einfluss zu bewegen oder politischen Zielen nachzukommen. Beispielsweise drohte die US-Regierung mit hohen Zöllen auf Importe aus Kolumbien, um die kolumbianische Regierung zu einer politischen Entscheidung zu bewegen. Solche Maßnahmen erhöhen die wirtschaftliche Abhängigkeit und können dazu führen, dass Länder gezwungen sind, den Anforderungen der geopolitischen Macht nachzukommen. Dies wirft Fragen auf über die ethischen Implikationen und den langfristigen Einfluss der Handelsstrategien.
Vertrauensverlust im Finanzsystem
Der Rückgang des Vertrauens in die Stabilität des amerikanischen Finanzsystems hat weitreichende Folgen für die globalen Märkte. Ein plötzlicher Anstieg der Zinsen auf Staatsanleihen zeigt, dass die Marktteilnehmer besorgt sind über die finanzielle Lage. Diese Unsicherheiten erfordern potenziell eingreifende Maßnahmen durch die US-Notenbank, um Liquidität zur Verfügung zu stellen. Das Vertrauen in die US-Staatsanleihen, traditionell als sicherste Anlage angesehen, wird durch die undurchsichtige Politik beeinträchtigt.
Die Renaissance der geoökonomischen Theorien
Die Wiederentdeckung geoökonomischer Theorien, verankert in den Arbeiten von Albert Hirschmann, ist entscheidend für das Verständnis heutiger wirtschaftlicher Beziehungen. Seine Ideen über wirtschaftliche Abhängigkeiten und strategische Einflussnahme finden in der heutigen Konfliktsituation zwischen Großmächten wieder Anklang. Neue Forschungsergebnisse zeigen, wie Staaten wirtschaftliche Macht in internationalen Beziehungen nutzen, und diskutieren, welche Strategien weniger angreifbar machen. Diese Theorien bieten Erklärungen für jüngste geopolitische Spannungen und wirtschaftliche Verflechtungen.
Verhandlungstaktiken und das Zusammenspiel von Ländern
In der Diskussion um effektive Verhandlungstaktiken wird betont, dass die Zusammenarbeit zwischen Ländern für die Durchsetzung geoökonomischer Ziele entscheidend ist. Zum Beispiel kann das Einfrieren von Vermögenswerten oder das Androhen von Sanktionen nur Wirkung zeigen, wenn die betroffenen Länder nicht in der Lage sind, Alternativen zu finden. Die Vereinigten Staaten müssen ihren Verbündeten möglicherweise Anreize bieten, um gemeinsam gegen Rivalen wie China vorzugehen. Dies könnte in Form von wirtschaftlichen Erleichterungen oder gleichwertigen Handelsabkommen geschehen.
bto#290 – Das Drama um die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump hat einem seit Jahrzehnten vor allem hierzulande vernachlässigten Thema wieder zu hoher Aktualität verholfen: Geoökonomie, die wirtschaftspolitische Staatskunst. Als Begründer dieser Disziplin gilt der deutschstämmige Ökonom Albert Hirschman, der 1945 unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik vor dem Zweiten Weltkrieg ein Buch mit dem Titel „National Power and the Structure of Foreign Trade“ veröffentlichte.
Was ist daraus zu lernen und welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Darüber spricht Daniel Stelter im Experteninterview mit Dr. Jesse Schreger, Professor an der Columbia Business School in New York. Schreger forscht u.a. zu den Themen Internationale Finanzen und Makroökonomie, Internationale Kreditvergabe und Staatsverschuldung sowie Asset Pricing und Geoökonomie.
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