Anke Langner: Individuelles Lernen an der Universitätsschule Dresden
Apr 29, 2024
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Anke Langner, Professorin für inklusive Bildung an der TU Dresden und Expertin für individuelle Lernansätze, spricht über Bildungsgerechtigkeit. Sie betont, dass Bildung nicht durch Gleichbehandlung, sondern durch Differenzierung entsteht. Der notenfreie Lernansatz fördert die Motivation und Fähigkeiten der Schüler und ermutigt zu selbstständigem Lernen. Langner diskutiert die Herausforderungen moderner Lehrmethoden und die Notwendigkeit individueller Begleitung, um jedem Kind einen fairen Bildungszugang zu bieten.
Individuelles Lernen erfordert Differenzierung und Individualisierung, um Bildungsgerechtigkeit für alle Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten.
Die Abkehr von Noten fördert ein tiefergehendes Verständnis und intrinsische Motivation der Lernenden, was zu nachhaltigerem Wissen führt.
Elternbeteiligung und transparente Kommunikation sind entscheidend, um Vertrauen zu schaffen und Ängste gegenüber innovativen Bildungsansätzen abzubauen.
Deep dives
Neue Lernansätze ohne Noten
Das Lernen ohne Noten zeigt vielversprechende Ergebnisse in Bezug auf die Leistung der Schülerinnen und Schüler. Durch die Abkehr von klassischen Notensystemen können die Lernenden einen tiefergehenden Sinn im Unterricht erkennen und individuelle Lernprozesse einschlagen. Dies führt oft zu einer nachhaltigeren Aneignung von Wissen, da die Schülerinnen und Schüler aus intrinsischer Motivation lernen, anstatt lediglich für eine Bewertung zu lernen. Ein Beispiel ist die Arbeit mit verschiedenen mathematischen Konzepten, wo die Schüler eigenständig Fragestellungen erkunden und Lösungen erarbeiten, anstatt nur durch Tests benotet zu werden.
Relevanz von Fächern im Bildungssystem
Es besteht ein häufiges Missverständnis darüber, welche Inhalte im Bildungssystem als relevant angesehen werden sollten. Viele Diskussionen drehen sich um Themen wie finanzielle Bildung, während klassische Fächer wie Literatur als unnötig erachtet werden. Dennoch wird argumentiert, dass die Analyse von Literatur und Kunst ebenso wichtig ist, um umfassende Bildung zu gewährleisten. Anhand eines Tweets einer Schülerin wird deutlich, dass viele Schüler zwar praktische Kenntnisse vermissen, jedoch gleichzeitig mit analytischen Fähigkeiten glänzen können, was zeigt, dass die Werte traditioneller Bildung nicht unterschätzt werden sollten.
Eltern und die Herausforderungen der Reformpädagogik
Eltern spielen eine entscheidende Rolle im Bildungsprozess, und deren Ängste müssen ernst genommen werden, besonders in Reformschulen ohne traditionelle Bewertungen. Viele Eltern sind skeptisch gegenüber neuartigen Ansätzen, da sie aus ihren eigenen Schulerfahrungen an alte Systeme gewöhnt sind. Transparente Kommunikation über den Lernprozess und die Fortschritte der Schüler sind essenziell, um Vertrauen zu schaffen. Diese Herausforderung zeigt, dass es notwendig ist, Elterneinbindung zu fördern, um den Veränderungsprozess an Schulen zu unterstützen und Ängste abzubauen.
Schülerzentrierter und selbstorganisierter Lernprozess
Ein zentrales Konzept der reformierten Schulen ist die Förderung von selbstorganisiertem Lernen. Schülerinnen und Schüler werden ermutigt, Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess zu übernehmen und ihre Lernziele selbst zu definieren. Dies wird durch projektbasiertes Arbeiten ermöglicht, in dem die Lernenden ihre eigenen Forschungsfragen formulieren und Lösungen erarbeiten können. Solche Ansätze helfen den Schülern, Fähigkeiten zu entwickeln, die es ihnen ermöglichen, in einer zunehmend komplexen Welt erfolgreich zu navigieren.
Selbstwirksamkeit und Umgang mit Druck
Ein wichtiges Element in der Bildung ist die Selbstwirksamkeit der Schüler, die ihnen hilft, trotz der Herausforderungen des schulischen Drucks zu bestehen. Anstatt externen Druck als stressig zu empfinden, lernen die Schüler, mit ihren eigenen Erwartungen umzugehen und Strategien zu entwickeln, um Prüfungen zu bestehen. Diese Ansätze fördern nicht nur das Wohlbefinden der Schüler, sondern auch ihre Fähigkeit, Prüfungen erfolgreich zu meistern. Ein Beispiel ist das Üben von Prüfungssituationen, die es den Schülern ermöglichen, sich auf ihre Lernziele zu konzentrieren und Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu gewinnen.
Bildungsgerechtigkeit entsteht nicht durch Gleichbehandlung
Sinnhaftigkeit und Relevanz tragen wesentlich zum erfolgreichen individuellen Lernen bei. Das erfordert u.a. Selbstorganisation seitens der Schülerinnen und Schüler. Aber auch Lehrkräfte müssen Defizite in den Bereichen Selbstsicherheit, Classroom Management und Elternarbeit überwinden, so Anke Langner. Und vor allem müssen sie lernen, immer alle Schüler in ihrer Individualität im Blick zu behalten. Denn Bildungsgleichheit entsteht nicht dadurch, dass alle gleichbehandelt werden: Erst durch das Differenzieren und Individualisieren erhält jedes Kind ein faires Bildungsangebot.
So werden Lehrkräfte zu Lernbegleitern, die nicht zeigen, was sie selbst draufhaben. Sondern sie verhelfen anderen zu Erkenntnissen, bis es "Klick" macht. Denn dann haben sich die Schülerinnen und Schüler Wissen so angeeignet, dass sie es anwenden und transformieren können – und somit in der Lage sind, Probleme zu lösen.
Anke Langner
Anke Langner ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt inklusive Bildung an der TU Dresden. Als geschäftsführende Direktorin und Projektleiterin der Forschungsstelle Universitätsschule (ForUS) ist sie zuständig für die wissenschaftliche Begleitung des Schulversuchs Universitätsschule Dresden. An dieser öffentlichen Gemeinschaftsschule werden innovative Formen des Lehrens, Lernens und Zusammenlebens erprobt und erforscht.
Universitätsschule Dresden
Homepage | https://universitaetsschule.org/
Universitätsschule Dresden auf YouTube | https://www.youtube.com/unischuleTUD
Literatur
Bernd Fichtner: Lernen und Lerntätigkeit: Ontogenetische, Phylogenetische und epistemologische Studien. Lehmanns Media GmbH 2008
Wolfgang Zehrt: "Wir befinden uns in einer Mental-Health-Pandemie." – Jugendliche und die Folgen der Coronazeit | Der Spiegel vom 9.3.2024
Podcast-Folgen
"Die Schule brennt" mit Kai Maaz | https://www.ardaudiothek.de/episode/die-schule-brennt-der-bildungspodcast-mit-bob-blume/kai-maaz-bewegt-bildungsforschung-irgendwas/swr/13260063/
"Die Schule brennt" mit Caroline von St. Ange | https://www.ardaudiothek.de/episode/die-schule-brennt-der-bildungspodcast-mit-bob-blume/caroline-von-st-ange-was-koennen-lehrer-noch-lernen/swr/12399139/
Silvia Plahl: Wie wir künftig lernen – Selber denken, einordnen, verstehen. SWR2 Wissen 2022 | https://www.ardaudiothek.de/episode/das-wissen/wie-wir-kuenftig-lernen-einordnen-selber-denken-verstehen/swr-kultur/10452755/
Tipp
Anke Langner und Bob Blume sind Teil der ARD Doku "Schule ohne Druck". Darin geht es um die Frage, ob Schule auch ohne Druck funktionieren kann und Kinder und Jugendliche dann noch genug lernen. Ihr findet sie in der ARD Mediathek | https://1.ard.de/schule_ohne_druck?pod=schulebrennt
Kontakt
Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: dieschulebrennt@auf-die-ohren.com
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