Europas Konservative: Erst die Mehrheit, dann die Moral
Nov 22, 2024
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Timo Lehmann ist SPIEGEL-Korrespondent in Brüssel und Experte für europäische Politik. Er beleuchtet die kontroversen Allianzen im EU-Parlament, insbesondere die Zusammenarbeit zwischen der EVP und Rechtspopulisten. Lehmann warnt vor einer gefährlichen Grenzüberschreitung, die die politische Landschaft nachhaltig verändern könnte. Weitere interessante Themen sind die Machtverhältnisse in der neuen EU-Kommission und die strategischen Herausforderungen im Umgang mit extremen Rechten in Europa.
Die EVP zeigt eine besorgniserregende Bereitschaft zur Kooperation mit extremen Rechten, was in der Politik als gefährliche Grenzüberschreitung wahrgenommen wird.
Personelle Entscheidungen in der neuen EU-Kommission, insbesondere in Bezug auf Außenpolitik und Wettbewerb, signalisiert eine strategische Ausrichtung zur Bewältigung globaler Herausforderungen.
Deep dives
Neue EU-Kommission und ihre Bedeutung
Die EU hat eine neue Kommission gebildet, mit Ursula von der Leyen an der Spitze, die aus verschiedenen Kommissaren und Kommissarinnen besteht, um die Herausforderungen des Kontinents anzugehen. Ein entscheidender Posten ist der der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, der nun von Kaja Kallas übernommen wird, was den Fokus auf Osteuropa und die Unterstützung der Ukraine verstärkt. Auch die neue Wettbewerbskommissarin, Teresa Rivera, spielt eine wesentliche Rolle, da sie umfassende wirtschaftliche Themen vorantreiben muss, insbesondere angesichts der Herausforderungen durch die USA und China. Diese personellen Entscheidungen signalisierten eine strategische Ausrichtung der EU, die sowohl Stabilität als auch progressive Ansätze in der Politik favorisiert, um den gegenwärtigen globalen Herausforderungen zu begegnen.
Kontroversen um die Zusammenarbeit mit rechtsgerichteten Parteien
Eine bedeutende Besorgnis ist die Bereitschaft der EVP, mit extremen rechten Fraktionen im EU-Parlament zu kooperieren, was zu einem historischen Novum führte: Der Zustimmung zu einem Änderungsantrag der AfD durch die EVP. Dies steht im Widerspruch zu den klaren Positionen, die von prominenten CDU-Politikern wie Friedrich Merz vertreten werden, der eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ablehnt. Der CSU-Politiker Manfred Weber, als Fraktionsvorsitzender der EVP, hat angesichts der politischen Notwendigkeiten begonnen, Allianzen mit solchen Parteien zu bilden, was viele als gefährliche Grenzüberschreitung bewerten. Diese Entwicklung wirft grundlegende Fragen über die politischen Prinzipien und die zukünftige Ausrichtung der EVP auf, insbesondere in Bezug auf die Normalisierung extrem rechter Positionen.
Strategische Fehlschläge und politische Risiken
Die strategische Entscheidung, mit rechten Parteien zu kooperieren, wird als potenziell hinterfragenswert angesehen, da sie möglicherweise zur Stärkung dieser Parteien führt, anstatt sie zu schwächen. Die Diskussion um die Zusammenarbeit mit extremen Rechten erinnert an die Situation in Italien, wo die konservativen Parteien mit rechtsextremen Fraktionen regieren, was deren Einfluss gefestigt hat. Historische Vergleiche, insbesondere mit der Entwicklung in Österreich, zeigen, dass eine Annäherung an extreme Parteien nicht nur politisch riskant ist, sondern auch langfristige Konsequenzen für die politischen Strukturen der Mitte haben kann. Die Theorie, dass durch Zusammenarbeit die Probleme, die diese Parteien ansprechen, gelöst werden könnten, wird als strategisch unklug erachtet, da dies die Wahrnehmung von Extremisten als legitime politische Alternativen stärken könnte.
Eigentlich hatten sich alle demokratischen Parteien im EU-Parlament auf einen Grundsatz geeinigt – keine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten. Nun blockierten die europäischen Konservativen um EVP-Chef Manfred Weber (CSU) zusammen mit Rechtspopulisten die Bildung der neuen EU-Kommission, um einen postfaschistischen Kandidaten aus Italien als Kommissar durchzusetzen.
In dieser Folge von »Acht Milliarden« spricht Juan Moreno mit Timo Lehmann, SPIEGEL-Korrespondent in Brüssel, über die Beweggründe Webers: »Da findet eine Form der Zusammenarbeit mit der AfD statt, eine Grenzüberschreitung, die es nach den Kriterien der Unionsparteien eigentlich nicht geben sollte.«
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