#12 Sind die Bürgermeister wirklich die bösen Bodenverbraucher? - mit Arthur Kanonier
Feb 19, 2025
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Arthur Kanonier, Universitätsprofessor für Raumordnungsrecht an der TU Wien, beleuchtet die komplexe Rolle von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Bodenschutz. Er betont die Notwendigkeit, die Begriffe Bodenverbrauch und Widmung genauer zu definieren. Außerdem erklärt er, dass nicht nur Bürgermeister Entscheidungen treffen, sondern der gesamte Gemeinderat involviert ist. Kanonier zeigt auf, wie Gemeinden durch interkommunale Zusammenarbeit und partizipative Planung effektiv Bodennutzung steuern können, um nachhaltige Entwicklungen zu fördern.
Die Gemeinden sind zentrale Akteure beim Bodenschutz, indem sie lokale Raumordnungsentscheidungen treffen, die eine sorgfältige Planung erfordern.
Professor Kanonier betont die Notwendigkeit einer genauen Definition der Begriffe im Zusammenhang mit Bodenverbrauch, um die Diskussion zu schärfen.
Der gesellschaftliche Druck zur Reduzierung des Bodenverbrauchs führt zu einem wachsenden Bewusstsein und Engagement der Bürger für nachhaltige Wohnformen.
Deep dives
Die Herausforderungen des Bodenverbrauchs
In Österreich ist der Bodenverbrauch ein zunehmend bedeutendes Thema, da er mit den Möglichkeiten der Flächennutzung und den bestehenden Gesetzen eng verknüpft ist. Professor Arthur Kanonier erläutert, dass die Herausforderungen variieren, je nachdem, ob man in flächenintensiven oder alpinen Bundesländern betrachtet. Obwohl Österreich in internationalen Vergleichen nicht als 'Weltmeister im Bodenverbrauch' eingestuft wird, zeigen nationale Daten, dass der durchschnittliche Bodenverbrauch hoch ist. Die Diskussion um die 2,5-Hektar-Zielvorgabe ist komplex, da es unterschiedliche Begriffe wie Bodenversiegelung und die tatsächliche Inanspruchnahme gibt, die diese Diskussion stark beeinflussen können.
Die Rolle der Gemeinden im Bodenschutz
Die Gemeinden spielen eine entscheidende Rolle in der Raumplanung und im Bodenschutz, da sie befugt sind, lokale Raumordnungsentscheidungen zu treffen. Der Professor hebt hervor, dass nicht nur die Bürgermeister*innen, sondern auch die Gemeindevertretungen verantwortlich sind für die planmäßige Gestaltung des Siedlungsraums. Diese Verantwortung bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich, da die Planung und Genehmigung von Bauvorhaben komplex und langwierig sein kann. Es erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gremien, um sicherzustellen, dass jede Änderung der Flächennutzung rechtlich abgesichert ist.
Rückwidmung von Bauland
Die Rückwidmung von bereits bewidmetem Bauland stellt eine erhebliche rechtliche Herausforderung dar, da sie oft als Eingriff in die Eigentumsrechte angesehen wird. Professor Kanonier weist darauf hin, dass es wichtig ist, zwischen den Interessen von Gemeinden und Grundeigentümern abzuwägen, da Letztere durch frühere Widmungen Rechte erlangt haben. Im Falle der Rückwidmung kann es zu Wertverlusten kommen, wodurch rechtliche Probleme entstehen können. Die öffentlichen Interessen müssen gegenüber dem individuellen Eigentumsrecht gerechtfertigt sein, und eine einheitliche rechtliche Grundlage ist notwendig, um Unsicherheiten für die Gemeinden zu verringern.
Vertragsraumordnung als Lösungsansatz
Die Vertragsraumordnung hat sich in den letzten Jahren als ein wichtiges Instrument zur Regulierung der Flächennutzung etabliert, welches Gemeinden mehr Einfluss auf die Entwicklung von Grundstücken gibt. Dieses Instrument ermöglicht es Gemeinden, vertragliche Vereinbarungen mit Grundeigentümern zu schließen, um bestimmte Auflagen zu vereinbaren, bevor eine Widmung erfolgt. Jedoch bleibt die praktischen Umsetzung herausfordernd, da die Überwachung und Durchsetzung der Verträge oft komplex ist. Die Gemeinden müssen sicherstellen, dass diese Verträge auch tatsächlich eingehalten werden, um zukünftige rechtliche Probleme zu vermeiden.
Bodenverbrauch im gesellschaftlichen Kontext
Der gesellschaftliche Druck, den Bodenverbrauch zu reduzieren, ist erheblich gestiegen, was auch die Einstellung der Menschen zu diesem Thema beeinflusst. Es gibt eine wachsende Bereitschaft der Bürger, über ihren eigenen Einfluss auf den Bodenverbrauch nachzudenken, etwa durch die Wahl nachhaltigerer Wohnformen. Professor Kanonier argumentiert, dass eine breitere Diskussion über das Thema Bodenverbrauch nicht nur Abwehrhaltung schaffen sollte, sondern auch motivierend wirken kann. Eine aktive Einbindung der Bürger und die Förderung eines Bewusstseins für die eigene Verantwortung könnten zu innovativeren Lösungen in der Raumplanung führen.
In der neuen Folge des Gemeindebund-Podcasts „Amtsgeheimnisse“ spricht Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl mit dem Universitätsprofessor für Raumordnungsrecht und Raumordnungspolitik an der TU Wien Arthur Kanonier über die Rolle der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister beim Thema Bodenschutz und Bodenverbrauch. Die Gemeinden bekennen sich dazu, sorgsam mit der Ressource Boden umzugehen. Der Österreichische Gemeindebund hat dafür im Herbst den „Kommunalen Bodenschutzplan“ präsentiert, um den Entscheidungsträgern vor Ort eine Hilfestellung und einen Werkzeugkoffer bei Widmungen oder künftigen Bauvorhaben anzubieten. Raumordnungsexperte Arthur Kanonier sieht die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht als die bösen Zubetonierer, dennoch werde in Österreich vergleichsmäßig viel verbaut. Der Experte plädiert jedoch dafür, die Begrifflichkeiten beim Bodenverbrauch genauer zu definieren. „Es ist ein Unterschied, ob wir von Bodeninanspruchnahme, Versiegelung oder Widmung sprechen“, sagt Arthur Kanonier. Die Rolle der Gemeinden in der Raumordnungsfrage sind essentiell. „Der Bürgermeister ist zwar verantwortlich für die Raumplanung, aber er ist aus gutem Grund nicht alleine als Einzelperson verantwortlich, sondern der gesamte Gemeinderat“, so Kanonier. Und er stellt auch klar: „Jede Umwidmung in Österreich ist aufsichtsbehördlich genehmigt. Das ist keine Nacht- und Nebelaktion des Bürgermeisters, da schaut auch das Land drauf“, stellt der Experte klar. Dazu kommt, dass Flächenwidmungspläne öffentlich einsehbar sind. Um für die Zukunft vernünftige Vorschriften für neue Bauten, Widmungen und Bodenverbrauchs aufzustellen, dafür braucht es laut dem Experten einen breiten gesellschaftspolitischen Diskurs. Auf die Frage nach der Rolle und Verantwortung des Bürgers und individuellen Bodenverbrauchers meint Arthur Kanonier: „Die Gesellschaft fordert zunehmend einen sorgsameren Umgang mit dem Bodenverbrauch ein. Diese Entwicklung sollten wir alle nutzen und die Bürgerinnen und Bürger bei künftigen Projekten und Planungen mitnehmen“, so Kanonier. Österreich sei für den Experten noch nicht fertig gebaut, wie es Kritiker oft meinen. Es brauche jedoch künftig bei der Raumplanung mehr Balance-Abwägung zwischen den Interessenten.