"Die Jugend fühlt sich von der Politik verarscht": Sascha Lobo über den Wahlkampf auf TikTok
Aug 30, 2024
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Sascha Lobo, Autor und Internetexperte, beleuchtet die Macht von TikTok über die politische Meinungsbildung junger Wähler. Er diskutiert, wie populistische Parteien die Plattform nutzen, um gezielt junge Menschen anzusprechen. Lobo thematisiert die Gefahren von Desinformation und die Notwendigkeit einer soliden Medienbildung. Zudem wird klar, dass TikTok nicht nur Trends gesetzt hat, sondern auch eine tatsächliche Bedrohung für die Demokratie darstellen kann, insbesondere im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz und deren Einfluss auf die politische Kommunikation.
TikTok hat sich zur wichtigsten Informationsquelle für junge Menschen entwickelt, wodurch traditionelle Medien an Bedeutung verlieren.
Die AfD nutzt TikTok gezielt, um junge Wähler anzusprechen, was den Anstieg ihrer Wahlergebnisse deutlich mit beeinflusst.
Die Diskussion über eine Regulierung von TikTok fokussiert sich auf die Förderung verantwortungsvoller Nutzung sowie Aufklärung in Schulen.
Deep dives
Die Zunahme der TikTok-Nutzung
TikTok hat sich als eine der am schnellsten wachsenden Plattformen etabliert, mit über 142 Millionen Nutzern allein in der EU. Besonders unter jungen Menschen ist TikTok extrem populär und wird häufig als Informationsquelle genutzt, nicht nur zur Unterhaltung. Viele Jugendliche ziehen die Plattform der traditionellen Medien vor, was ihre Relevanz in der Informationsverbreitung verstärkt. Die hohe Nutzung führt dazu, dass die Plattform auch als Rückgrat für politische Mobilisierung, insbesondere durch populistische Parteien, dient.
Einfluss von TikTok auf politische Meinungen
Die AfD hat TikTok erfolgreich genutzt, um insbesondere junge Wähler anzusprechen und ihre politische Agenda zu verbreiten. Wahlforscher führen die steigenden Wahlergebnisse der AfD, besonders unter Erst- und Jungwählern, auf die starke Präsenz und die gezielte Ansprache auf TikTok zurück. Die Algorithmusstruktur von TikTok belohnt Inhalte, die Reichweite und Interaktionen generieren, was populistischen Stimmen möglicherweise einen Vorteil verschafft. In Thüringen und Sachsen werden bei den Landtagswahlen Rekordergebnisse für die AfD aufgrund dieser Taktiken erwartet.
Die Rolle von TikTok in der Informationsverbreitung
TikTok hat sich über die Jahre von einer Plattform für Unterhaltung zu einer bedeutenden Informationsquelle gewandelt. Die Flexibilität des TikTok-Algorithmus ermöglicht es, Inhalte an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen, was die Plattform besonders attraktiv macht. Nutzer berichten von Phasen, in denen sie Bildungsvideos oder unterhaltsame Inhalte konsumieren, was zeigt, dass TikTok als vielseitiges Medium genutzt wird. Diese Anpassungsfähigkeit trägt dazu bei, dass vor allem jüngere Menschen ihre Informationen vermehrt auf dieser Plattform suchen.
Risiken der TikTok-Nutzung
TikTok birgt politische Gefahren, insbesondere durch die Verbreitung von Desinformation und radikalisierten Inhalten. Der Algorithmus kann populistische und extremistische Inhalte fördern, was die Plattform zu einem Katalysator für Radikalisierung macht. Zudem gibt es Bedenken bezüglich des Datenschutzes, da die Plattform Teil des chinesischen Unternehmens ByteDance ist, was mögliche Risiken der Datenüberwachung durch den chinesischen Staat mit sich bringen könnte. Es ist wichtig, dass sowohl die Plattform als auch die Nutzer auf diese Risiken sensibilisiert werden.
Lösungsansätze für eine bessere TikTok-Nutzung
Es gibt eine wachsende Diskussion darüber, wie TikTok reguliert werden kann, um die positiven Aspekte zu fördern und die negativen Seiten einzuschränken. Anstatt ein Verbot zu verhängen, könnte ein Ansatz sein, die Aufklärung über die Nutzung sozialer Medien in Schulen zu integrieren. Zudem ist es entscheidend, Nutzer zu ermutigen, kritisch mit Inhalten umzugehen und Medienevaluation zu fördern. Eine kollektive Anstrengung von Bildungseinrichtungen, Eltern und Politikern ist notwendig, um eine gesündere digitale Kultur zu schaffen.
TikTok ist nicht nur das aktuell am schnellsten wachsende soziale Netzwerk, sondern auch einer der Orte im Internet, wo wohl die meisten jungen Menschen unterwegs sind – oder, wie der Autor und Internetexperte Sascha Lobo es ausdrückt, "das definierende Medium einer ganzen Generation".
Das weckt auch in der Politik Begehrlichkeiten. Allem voran populistische Parteien wie die AfD haben das große Potenzial der chinesischen Plattform erkannt, und nutzen die Plattform, um gezielt junge Leute anzusprechen. Und tatsächlich führen Wahlforscher den wachsenden Erfolg bei jungen Wählern und Wählerinnen zu einem Teil auch auf die starke Präsenz der Partei bei TikTok zurück – wo die demokratischen Parteien dort gerade mal erste Gehversuche unternehmen.
Wie groß ist der Einfluss von TikTok auf die politische Meinungsbildung wirklich? Begünstigt der Algorithmus der Plattform populistische Inhalte? Und wie funktioniert das ganz genau? Warum tun sich die traditionellen Parteien so schwer mit der Plattform und wie kommen die ersten TikToks des Kanzlers bei der Community an? Sind soziale Netzwerke insgesamt eine Bedrohung für die Demokratie – auch angesichts des zunehmenden Einsatzes von künstlicher Intelligenz? Und wenn ja: Was kann, was muss die Politik und die Gesellschaft unternehmen, um dem entgegenzuwirken?
In der neuen Folge von Das Politikteil sprechen wir über all diese Fragen mit Sascha Lobo. Lobo ist selbst Podcaster (Lobo – der Debattenpodcast, Feel the News), Publizist und Strategieberater mit dem Fokus auf das Internet und für digitale Technologien. Bei aller Faszination für die sozialen Medien warnt auch er vor den Gefahren – vor allem mit Blick auf die wachsende Verbreitung von KI: "Wir brauchen eine andere Form von Regulierung", sagt Lobo. "Aber wir haben in ganz vielen Bereichen noch nicht rausgefunden, wie diese Regulierung sinnvoll aussehen kann."
Im Podcast Das Politikteil sprechen wir jede Woche über das, was die Politik bewegt, erklären Hintergründe und diskutieren Zusammenhänge. Immer freitags, mit zwei Moderatoren und einem Gast – und einem Geräusch. Im Wechsel sind als Gastgeber Ileana Grabitz und Peter Dausend oder Tina Hildebrandt und Heinrich Wefing zu hören.
Ab dem 15.1.2025 sind alle Folgen von "Das Politikteil?", die vor dem 31.3.2021 erschienen sind, nur noch exklusiv mit einem Digitalabo der ZEIT zu hören – auf ZEIT ONLINE, auf Apple Podcasts und auf Spotify. Ein kostenloses Probeabo können Sie hier abschließen. Wie Sie ihr Abo mit Spotify oder Apple Podcasts verbinden, lesen Sie hier.