Religiöse Herrschaft - Was Islamisten meinen, wenn sie ein Kalifat fordern
Aug 29, 2024
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In dieser Folge wird das Konzept des Kalifats im heutigen Kontext untersucht. Historische Wurzeln werden beleuchtet, von Mohammed über die Umayyaden bis zu den Abbasiden. Die komplexe Beziehung zwischen religiöser und politischer Macht wird diskutiert. Zudem wird der Einfluss des Islamischen Staates auf die Diskussion um das Kalifat thematisiert. Der Verfall des Kalifats und die ideologischen Wurzeln moderner islamistischer Bewegungen stehen im Mittelpunkt. Auch die Gefahren eines Kalifatsanspruchs in Demokratien werden kritisch betrachtet.
Das Kalifat war historisch betrachtet eine Mischung aus religiöser und weltlicher Macht, was unterschiedliche Interpretationen und politische Konflikte hervorrief.
Die Ausrufung des Kalifats durch den Islamischen Staat 2014 zeigt, wie extremistische Gruppen historische Konzepte für ihre eigenen politischen Ziele missbrauchen.
Deep dives
Forderung nach einem Kalifat
Eine große Demonstration in Hamburg zeigte, dass über 1000 Menschen, hauptsächlich Männer, für die Errichtung eines Kalifats in den islamischen Ländern eintraten. Sie trugen Schilder mit Aussagen wie ,Deutschland gleich Werte-Diktatur' und behaupteten, ein Kalifat sei die Lösung für die Probleme der Region. Obwohl diese Demonstrationen keine massiven Ausmaße hatten, erregten sie große Aufmerksamkeit in der Politik, was zu Überlegungen führte, ob solche Forderungen strafbar sein sollten. Die Demonstranten stehen für eine kontroverse Sicht auf das Kalifat, die oft mit Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat assoziiert wird.
Historische Wurzeln des Kalifats
Das Kalifat ist eine traditionell islamische Herrschaftsform, bei der der Kalif als religiöser und weltlicher Führer agiert. Die Ursprünge des Kalifats reichen bis zum Propheten Mohammed im 7. Jahrhundert zurück, nachdem er die islamische Gemeinde gegründet hatte. Die ersten vier Kalifen, bekannt als die rechtgeleiteten Kalifen, wurden nicht dynastisch gewählt, sondern durch Beratungen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft bestimmt. Diese frühe Form der Nachfolge zeigt eine gewisse demokratische Beteiligung innerhalb des islamischen Kontexts, die jedoch in späteren Dynastien verlorenging.
Dynastischer Wandel und Machtkämpfe
Mit dem fünften Kalifen Muawiyah änderte sich die Struktur des Kalifats grundlegend, da er die Position des Kalifen in eine erblichen Dynastie umwandelte. Diese Umayyaden-Dynastie erweiterte das islamische Herrschaftsgebiet erheblich, jedoch führten interne Spannungen und Korruption zu massiven Konflikten innerhalb der islamischen Gemeinschaft. Die Spaltung in Sunniten und Schiiten entstand durch die unterschiedlichen Ansichten über die Nachfolge Mohamed und die Qualifizierung von Führern, was die politischen und religiösen Konflikte in der islamischen Welt verstärkte. Das Kalifat wurde zunehmend von Dynastien dominiert, die nach Macht und Reichtum strebten.
Moderner Kontext und die Rolle des IS
Im 20. und 21. Jahrhundert wurde das Kalifat zunehmend bedeutungslos, vor allem nach dem Ersten Weltkrieg und der Abschaffung des Osmanischen Kalifats. Der Islamische Staat erklärte jedoch 2014 ein neues Kalifat, was eine Rückkehr zu den historischen Vorstellungen eines Kalifats darstellt, jedoch aus einer extremistischen Perspektive. Während viele Muslime diese Ausrufung mit Entsetzen betrachteten, stellte der IS einen signifikanten Machtanspruch dar, der globale Aufmerksamkeit und internationale Reaktionen hervorrief. Diese Entwicklung zeigt das Dilemma, wie historische und religiöse Überzeugungen in der politischen Realität der modernen Welt interpretiert werden.
Der „Islamische Staat“, der sich zum Messeranschlag von Solingen bekannt hat, will ein Kalifat errichten – also einen islamischen Gottesstaat. Die Ideen des IS haben mit den historischen Kalifaten allerdings wenig zu tun.
Das erwartet Euch in dieser Folge:
(02:43) Traditionelle Herrschaftsform des Kalifats: weltliche und religiöse Macht (03:22) Mohammed und die „vier rechtgeleiteten Kalifen“ im 7. Jahrhundert (09:34) Die Kalifate von Umayyaden und Abbasiden (17:38) Das Kalifat auf der iberischen Halbinsel: der „wilde Westen“ al-Andalus (18:39) Nach dem goldenen Zeitalter: Niedergang des Kalifats (22:48) Das Osmanische Reich und das Ende des Kalifats (26:00) Der „Islamische Staat“ ruft 2014 das Kalifat aus (39:16) Das Kalifat in dschihadistischen Bewegungen
Unsere Gäste in dieser Folge:
Gudrun Krämer ist Islamwissenschaftlerin und Historikerin. Bis zu ihrer Emeritierung leitete sie das Institut für Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Sie ist Autorin einer „Geschichte des Islam“, Verlag C.H. Beck.
Guido Steinberg ist Islamwissenschaftler und Experte für islamistischen Terrorismus. Er arbeitet bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Die Macherinnen und Macher dieser Folge:
Host: Magdalena Pulz Autor: Christian Röther Regie und Produktion: Thomas Ibrahim Redaktion: Monika Dittrich
29. Oktober: "Haus der Geschichte" Bonn, Infos hier
16. November: Funkhausfest im Deutschlandfunk Köln, Infos demnächst hier
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