Argentinien: Ein Jahr unter Javier Mileis Anarcho-Kapitalismus
Oct 9, 2024
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Christoph Gurk, SZ-Lateinamerika-Korrespondent, bietet spannende Einblicke in Javier Mileis radikale Wirtschaftspolitik als Präsident Argentiniens. Er diskutiert die drastischen Kürzungen bei sozialen Projekten und die Auswirkungen auf die Mittelschicht, die häufig mit Armut konfrontiert ist. Mileis Versprechen, die Inflation zu senken, hat nicht ohne Schattenseiten stattgefunden – Hunderttausende verloren ihre Jobs. Gurk beschreibt die derzeitige schwierige Lage der Bevölkerung und die anhaltenden Proteste gegen die Reformen.
Javier Mileis radikale wirtschaftliche Reformen haben die Inflation gesenkt, jedoch die Lebenshaltungskosten und die Armutsquote drastisch erhöht.
Mileis unkonventioneller Führungsstil und symbolische Gesten haben sowohl eine starke Anhängerschaft als auch besorgte Reaktionen bei Politikbeobachtern hervorgerufen.
Deep dives
Javier Mileys unkonventioneller Politikstil
Javier Mileys Vorgehensweise im politischen Rahmen ist geprägt von auffälligen und oft extrovertierten Auftritten, die ihn von traditionellen Politikern abheben. Er nutzt symbolische Gesten, wie das Schwingen einer Kettensäge während seines Wahlkampfs, um seine aggressive Haltung gegenüber den Ministerien und dem bestehenden staatlichen System zu verdeutlichen. Diese unkonventionelle Art hat ihm geholfen, eine starke Verbindung zu seinen Anhängern herzustellen, die oft von seinem unkonventionellen Stil angezogen werden. Während einige dies als populistische Taktik abtun, hat er tatsächliche Schritte unternommen, um seine Versprechen zu erfüllen, was viele Beobachter sowohl überrascht als auch besorgt zurücklässt.
Übergang zu radikalen wirtschaftlichen Maßnahmen
Mileys wirtschaftliche Reformen zielen darauf ab, die inflationäre Krise in Argentinien zu bekämpfen, haben jedoch drastische Konsequenzen für die Bevölkerung. Ein Beispiel hierfür ist die Abwertung des Peso um 50%, die zwar die Inflationsrate gesenkt hat, gleichzeitig jedoch die Lebenshaltungskosten in die Höhe treibt und die Kaufkraft der Menschen erheblich mindert. Diese Maßnahmen wurden von einer drastischen Kürzung öffentlicher Subventionen und einer Streichung von sozialen Unterstützungsprogrammen begleitet, die viele arme Argentinier in eine noch prekärere Lage bringen. Während die Inflation sinkt, leiden viele Bürger unter einem drastischen Rückgang des Lebensstandards und kämpfen darum, über die Runden zu kommen.
Gesellschaftliche Auswirkungen und wachsende Armut
Die von Mileys Reformen verursachten wirtschaftlichen Turbulenzen haben zu einem alarmierenden Anstieg der Armutsrate in Argentinien geführt, wobei fast 53% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben. Diese Entwicklung ist besonders sichtbar in den ärmeren Stadtteilen und Vororten von Buenos Aires, wo die Menschen häufig obdachlos sind oder um Essen betteln müssen. Die Reduzierung öffentlicher Dienstleistungen hat nahegelegene Gemeinden stark getroffen, wie die Schließung von Postfilialen, die für viele Einwohner eine Lebensader darstellt. Durch die drastischen Einschnitte zeigen sich zunehmend die sozialen Spannungen, während die Unterstützung für Miley aufgrund der gelebten Erfahrungen der Menschen zu sinken droht.
Im Dezember 2023 hat der "Anarcho-Kapitalisten" Javier Milei sein Amt als Präsident in Argentinien angetreten. Ein Mann, der für einen minimalen Staat und einen maximalen Markt steht. Mit einer Kettensäge, so versprach Milei, wollte er "richtig aufräumen" und den wuchernden Staat mit drastischen Mitteln radikal zurechtstutzen. Tatsächlich hat es Milei geschafft, die hohe Inflationsrate zu senken. Allerdings zu einem hohen Preis.
Milei hat in dem dreiviertel Jahr nach seinem Amtsantritt tatsächlich "ordentlich gesägt", sagt SZ-Lateinamerika-Korrespondent Christoph Gurk in "Das Thema", dem Recherchepodcast der Süddeutschen Zeitung. So seien viele Subventionen auch für soziale Projekte gestrichen worden. Zudem habe er die Hälfte der Ministerien und viele Behörden abgeschafft. Inzwischen seien hunderttausende Jobs verloren gegangen und die Armutsquote um mehr als elf Prozent gestiegen. Besonders treffe es die Mittelschicht. Gurck: "Man sieht mehr Leute, die auf der Straße schlafen, die betteln oder im Müll suchen." Und er sagt: "Die Zeiten sind in Argentinien sehr, sehr schwierig geworden."